OLG Frankfurt vom 03.08.2000 (1 WF 143/00)

Stichworte: PKH, Beiordnung, Anwaltswechsel, Vertrauensverlust.
Normenkette: ZPO 119, 121.
Orientierungssatz: Ist einer Partei im Wege der Prozeßkostenhilfe ein Rechtsanwalt beigeordnet, kann sie die Beiordnung eines anderen Anwalts nur verlangen, wenn dadurch entweder der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen oder wenn eine Partei, die die Kosten selber tragen müsste, vernünftigerweise einen anderen Anwalt beauftragen würde.... Allerdings ist der bedürftigen Partei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW RR 1992, S. 189) ein neuer Anwalt auch dann beizuordnen, wenn die Partei das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch objektiv nicht gerechtfertigtes Verhalten zerstört hat, aber subjektiv gemeint hat, sie sei mit ihrem Verhalten im Recht.Der Senat hat gegen diese Rechtsprechung Bedenken.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 06. Juni 2000 am 03. August 2000 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner im anhängigen Ehescheidungsverfahren auf seinen Antrag Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt W. aus Limburg beigeordnet. Das Verfahren ist noch anhängig. Im Lauf des Verfahrens hat der Antragsgegner seinen jetzigen Prozeßbevollmächtigten mit seiner Vertretung beauftragt und beantragt, diesen anstelle von Rechtsanwalt W. beizuordnet. Rechtsanwalt W. hat beantragt, seine Beiordnung aufzuheben.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht die Beiordnung von Rechtsanwalt W. aufgehoben und die Beiordnung des neuen Prozeßbevollmächtigten abgelehnt. Die Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig. Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung der Beiordnung des neuen Prozeßbevollmächtigten des Klägers. Gegen die Entpflichtung von Rechtsanwalt W. richtet sich die Beschwerde nicht, da dies mit dem Beschwerdeziel, die Beiordnung des jetzigen Prozeßbevollmächtigten zu erreichen, nicht zu vereinbaren wäre. Einen Hilfsantrag auf Aufrechterhaltung der Beiordnung von Rechtsanwalt W. hat der Beschwerdeführer nicht gestellt.

Die Beschwerde ist unbegründet.
BR Ist einer Partei im Wege der Prozeßkostenhilfe ein Rechtsanwalt beigeordnet, kann sie die Beiordnung eines anderen Anwalts nur verlangen, wenn dadurch entweder der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen oder wenn eine Partei, die die Kosten selber tragen müsste, vernünftigerweise einen anderen Anwalt beauftragen würde. Letzteres ist in der Regel nicht der Fall, wenn eine Partei dem beigeordneten Rechtsanwalt das Mandat ohne objektiv triftigen Grund entzogen hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, 14. Zivilsenat, MDR 1988, s. 501; OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, S. 241). Die vom Antragsgegner für die Kündigung des Mandats von Rechtsanwalt W. angegebenen Gründe sind nicht stichhaltig. Sein Vortrag, Rechtsanwalt W. habe sich bei mehreren Besuchen des Antragsgegners in der Kanzlei verleugnen lassen, ist nicht nachzuvollziehen. Der Antragsgegner hat keinen einzigen Vorfall konkret benannt. Demgegenüber hat Rechtsanwalt W. mit Schriftsatz vom 30. 6. 2000 im einzelnen dargelegt, daß der Antragsgegner selbst dann zur Besprechung mit ihm vorgelassen wurde, wenn ein Besprechungstermin nicht vereinbart war. Andererseits sei es der Antragsgegner gewesen, der Besprechungstermine nicht eingehalten habe.

Der Vorwurf, daß die Rechtssache nur zögerlich von Rechtsanwalt W. angegangen worden sei, ist durch keinerlei Tatsachen untermauert und nicht nachvollziehbar.

Der Vorwurf, Rechtsanwalt W. sei untätig geblieben, als die Ehefrau den Antragsgegner eigenmächtig beim Einwohnermeldeamt abgemeldet habe, ist falsch. Rechtsanwalt W. hat mit seinem Schriftsatz vom 30. 6. 2000 im einzelnen unwidersprochen geschildert, was er unternommen habe, worauf dann allerdings der Antragsgegner zu einem vereinbarten Besprechungstermin abermals nicht erschienen sei.

Nicht zu beanstanden sind auch die Vorschußanforderungen von Rechtsanwalt W. Die Vorschüsse von 2 x 150,-- DM, die sich nach dem Vorbringen des Antragsgegners auf das Scheidungsverfahren bezogen, wurden im Jahre 1998 entrichtet, also vor Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens. Da die Prozeßkostenhilfe erst nach Einleitung des Scheidungsverfahrens bewilligt werden konnte, stand sie der Vorschußanforderung für die vorherige außergerichtliche Beratung nicht entgegen. Insoweit wäre Beratungshilfe in Frage gekommen. Rechtsanwalt W. hat - ebenfalls unwidersprochen - im einzelnen dargelegt, daß er dem Antragsgegner ein Beratungshilfeformular zur Verfügung gestellt habe, daß dieser aber nicht ausgefüllt zurückgegeben habe.

Allerdings ist der bedürftigen Partei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW RR 1992, S. 189) ein neuer Anwalt auch dann beizuordnen, wenn die Partei das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch objektiv nicht gerechtfertigtes Verhalten zerstört hat, aber subjektiv gemeint hat, sie sei mit ihrem Verhalten im Recht. Der Senat hat gegen diese Auffassung Bedenken. Letzten Endes kommt es hier aber darauf nicht an, da keinerlei Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß der Antragsgegner der Auffassung sein konnte, Rechtsanwalt W. habe ihn nicht ordnungsgemäß vertreten.

Der Ablehnung der Beiordnung eines anderen Anwalts steht auch nicht entgegen, daß das Amtsgericht die Beiordnung von Rechtsanwalt W. aufgehoben hat. In der Rechtsprechung wird zum Teil die Auffassung vertreten, daß es für die Aufhebung der Beiordnung genüge, wenn der beigeordnete Anwalt und der Mandant übereinstimmend die Aufhebung beantragen und geltend machen, das Vertrauensverhältnis sei zerstört (BGH a.a.O.; OLG Köln, FamRZ 1992, S. 966; OLG Düsseldorf a.a.O.). Demgegenüber hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main entschieden, daß in diesen Fällen nicht ohne weiteres die Beiordnung aufzuheben sei. Vielmehr müsse im Einzelfall geprüft werden, ob eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei (JurBüro 1990, Spalte 1652). Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung. Da der Anwalt nicht allein aufgrund der Beiordnung durch das Gericht tätig werden kann, sondern zusätzlich einer Vollmacht durch die Partei bedarf, hat es wenig Sinn, die Beiordnung gegen den Willen von Anwalt und Partei aufrechtzuerhalten, wenn die Partei dem Anwalt das Mandat entzieht. Daraus folgt allerdings noch keine Verpflichtung des Gerichts, einen anderen Anwalt beizuordnen. Die Partei, der der beigeordnete Anwalt keine vernünftigen Gründe geliefert hat, das Mandat zu kündigen, mag dem Anwalt erneut eine Vollmacht erteilen (insoweit ebenso OLG Frankfurt, 2. Familiensenat, a.a.O.). Sie kann dann, sofern dem Anwalt nicht aus besonderen Gründen die erneute Vertretung der Partei unzumutbar ist, erneut dessen Beiordnung beantragen. Im vorliegenden Fall wäre dies auch möglich durch eine Beschwerde gegen den bisher nicht angefochtenen Teil des Beschlusses vom 06. Juni 2000, durch den Rechtsanwalt W. entpflichtet wurde.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen (§ 97 ZPO). Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dr. Eschweiler Michalik Noll