OLG Frankfurt vom 27.08.2002 (1 WF 131/02)

Stichworte: PKH, Beiordnung, ortsansässiger Rechtsanwalt
Normenkette: ZPO 121 Abs. 3
Orientierungssatz: 1) Eine erfolgreiche Beschwerde setzt die Beschwerdefrist für die Ausgangsentscheidung nicht erneut in Lauf. 2) Wird ein RA in seinem vermuteten Einverständnis nach § 121 Abs. 3 ZPO zu den Bedingungen eines ortsansässigen RA beigeordnet, muß er (oder die Partei) innerhalb der Beschwerdefrist geltend machen, daß diese Vermutung nicht zutrifft.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 18.04.2002 i.V.m. dem Beschluss vom 13.05.2002 am 27.08.2002 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der in Limburg kanzleiansässige Beschwerdeführer hat in Auftrag und Vollmacht für den ebenfalls in Limburg wohnhaften Kläger bei dem hierfür zuständigen Familiengericht Weilburg Klage auf Kindesunterhalt eingereicht und hierfür um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Auf den Hinweis des Gerichts, dass für den volljährigen Kläger der besondere Gerichtsstand des § 642 ZPO nicht eingreife und deshalb das für den Wohnsitz des Beklagten (Niedernhausen) zuständige Familiengericht örtlich zuständig sei, hat er Abgabe an das Familiengericht Bad Schwalbach veranlasst. Dieses hat mit Beschluss vom 18.04.2002, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 06.05.2002, Prozesskostenhilfe bewilligt, jedoch gegenständlich beschränkt lediglich auf eine Auskunftsklage unter Zurückweisung im Übrigen. Zur Wahrnehmung der Rechte ist dem Kläger sein Prozessbevollmächtigter 'zu den kostenrechtlichen Bedingungen ... eines Rechtsanwalts mit Sitz am Ort des Prozessgerichts' beigeordnet worden. Gegen diesen Beschluss hat der Klägervertreter am 13.05.2002 sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, dem Kläger die Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage in vollem Umfang zu bewilligen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er keine Auskunft über die gegenwärtige Einkommenssituation des Beklagten begehre, da er dessen tatsächliche Einkommenssituation, die Arbeitslosigkeit, nicht als Unterhaltsmaßstab akzeptiere. Hierauf hat das Amtsgericht mit weiterem Beschluss vom 13.05.2002 dem Kläger die Prozesskostenhilfe im ersten Rechtszug uneingeschränkt bewilligt und ihm wieder Rechtsanwalt Hühn zu den genannten Bedingungen beigeordnet. Das Verfahren ist in der Folgezeit durch Anerkenntnisurteil beendet worden.

Mit Schriftsatz vom 05.06.2002, beim Amtsgericht eingegangen am 07.06.2002, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Gebühren gemäß § 123 BRAGO zur Festsetzung angemeldet, darin eingeschlossen 40,50 EUR Fahrtkosten für die Fahrt von Limburg nach Bad Schwalbach, sowie 15,00 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld zuzüglich anteiliger Mehrwertsteuer. Hinsichtlich dieser Fahrtkosten hat er die Auffassung vertreten, dass dem Kläger das Recht zustehe, einen Rechtsanwalt an seinem Wohnsitz zu beauftragen, zumal damit die Kosten einer Informationsreise zu einem am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt vermieden worden seien. Vorsorglich hat er gegen die Beschränkung der Beiordnung zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit Auszahlungsanordnung vom 26.06.2002 sind dem Klägervertreter 303,34 EUR Kosten angewiesen worden, unter Kürzung der beantragten Kosten von 367,72 EUR um die genannten Fahrtkosten nebst anteiliger Umsatzsteuer.

Die Beschwerde, die sich gegen die Beschränkung seiner Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts richtet, ist mit dieser Zielrichtung gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft (vgl. Zöller Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 127 Rn. 19). Daneben ist zwar auch die Partei selbst beschwert, da sie durch die nur eingeschränkte Beiordnung ggfs. damit rechnen muss, von dem beauftragten Rechtsanwalt wegen dieser Mehrkosten unmittelbar in Anspruch genommen zu werden. Vorliegend ist die Beschwerde jedoch ersichtlich von dem Anwalt im eigenen Namen erhoben worden, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Gebührenberechnung gemäß § 123 BRAGO geltend gemacht worden ist.

Die damit statthafte sofortige Beschwerde ist jedoch unzulässig, da sie nach Ablauf der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO) eingelegt worden ist.

Allerdings ist vordergründig die Beschwerde gegen den Beschluss vom 13.05.2002 gerichtet, gegen den die Beschwerdefrist gewahrt wäre. Dieser enthält jedoch insoweit, als es die eingeschränkte Beiordnung des Beschwerdeführers zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts betrifft, nur eine Wiederholung des ersten PKH-Bewilligungsbeschlusses vom 18.04.2002, mit dem Übrigen in der Sache die beantragte Prozesskostenhilfe der Partei nur eingeschränkt, nämlich für einen Auskunftsantrag bewilligt worden ist. Die darauf ergangene Entscheidung vom 13.05. ist als Abhilfeentscheidung auf diese Beschwerde zu verstehen, mit der dieser in vollem Umfang abgeholfen und die Beschwer damit beseitigt worden ist. Gegen eine solche Abhilfeentscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nur in dem Umfang möglich, in dem erstmals eine Beschwer begründet worden ist. Das wäre hier etwa der Fall gewesen, wenn jetzt erstmals die Beschränkung der Beiordnung ausgesprochen worden wäre. Im übrigen setzt eine solche Beschwerdeentscheidung die Beschwerdefrist gegen die Ausgangsentscheidung nicht erneut in Lauf.

Offensichtlich hat das Amtsgericht mit seinem ersten Beschluss vom 18.04.2002 den Antrag auf Prozesskostenhilfe nur insoweit zurückweisen wollen, als die Klageforderung der Partei nur in dem angegebenen Umfang für hinreichend erfolgversprechend gehalten hat. Dies wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Satz 'im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen' im Anschluss an den ersten Satz mit Umschreibung des Umfangs der Bewilligung enthalten ist, während eine entsprechende Zurückweisung des Antrags in dem Satz drei des Beschlusstenors, in dem die Beiordnung des Beschwerdeführers ausgesprochen ist, nicht enthalten ist. Daraus lässt sich schließen, dass das Amtsgericht der verbreiteten Rechtsmeinung folgte, wonach der Antrag eines auswärtigen Anwalts um Beiordnung zugleich stillschweigend seine Zustimmung zu einer Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts gemäß § 121 Abs. 3 ZPO enthielt (vgl. OLG Hamburg FamRZ 2000, 1227; zum Sach- und Streitstand vgl. Zöller/ Philippi a.a.O., § 121 RN 13). Ob diese Auffassung richtig ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls hat der Anwalt, der dieser vermuteten Beschränkung nicht zustimmt, die Obliegenheit, sich alsbald klarstellend an das Gericht zu wenden, um diesem die Entscheidung zu überlassen, ob unter diesen Umständen seine Beiordnung entgegen § 121 Abs. 3 ZPO erfolgen soll. Dieser Klarstellung dient nunmehr die Beschwerde, deren Befristung zum 01.01.2002 in das Gesetz neu eingefügt worden ist.

Denn anders als Entscheidungen, die in das Gebührengefüge des Anwalts eingreifen und seine gesetzlich verdienten Gebühren beschneiden sollen (z.B. Beschränkung auf einen Höchstbetrag oder einen Bruchteil der Gebühren), im Verhältnis zu dem beigeordneten Anwalt schlechthin unwirksam sind (allenfalls gegenüber der Partei selbst eine Beteiligung an den Prozesskosten beinhalten), sind Einschränkungen wie hier, die auf einer Zustimmung des Anwalts beruhen können, nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar, wenn die angenommene Zustimmung tatsächlich nicht vorliegt.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Beiordnung des Beschwerdeführers ohne die Beschränkung auf die Gebühren eines ortsansässigen Anwalts nicht vorlagen. Durch die Erstattung von Reisekosten aus der Staatskasse entstünden dieser höhere Kosten als durch die Beiordnung eines am Prozessgericht zugelassenen Anwalts. Die Kosten für die Informationsreise der Partei zu dem Anwalt am Sitz des Prozessgerichts wäre nicht von der Staatskasse zu erstatten und deshalb in eine Vergleichskostenberechnung nach § 121 Abs. 3 ZPO nicht einzustellen. Die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts ist danach im Sinne der genannten Bestimmung nur dann kostenneutral, wenn dadurch die Kosten eines sonst beizuordnenden Korrespondenzanwalts erspart werden und diese die Reisekosten des auswärtigen Anwalts erreichen oder übersteigen. Die Voraussetzungen für die Beiordnung des Beschwerdeführers als Korrespondenzanwalt liegen aber nicht vor, da die Entfernung zwischen dem Sitz des Prozessgerichts Bad Schwalbach und dem Sitz seiner Kanzlei in Limburg hierfür zu gering ist. Nach st. Rechtsprechung des Senats ist ein Korrespondenzanwalt dann beizuordnen, wenn eine notwendige Informationsreise der Partei zu dem Anwalt am Sitz des Prozessgerichts mehr als einen halben Arbeitstag erfordert, was in der Regel vermutet wird, wenn die Entfernung über 50 Km beträgt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Entfernung zwischen Limburg und Bad Schwalbach beträgt allenfalls 40 Km bei insgesamt günstigen Verkehrsverbindungen. Zu der Beauftragung des Beschwerdeführers kam es wohl in erster Linie deshalb, weil zunächst irrtümlich das für Limburg zuständige Familiengericht Weilburg für zuständig erachtet worden ist, an welchem der Beschwerdeführer zugelassen ist. Die nach Weiterführung des Mandats an dem nunmehr zuständigen Familiengericht entstehenden Mehrkosten können aber nicht der Staatskasse angelastet werden.

Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Juncker