OLG Frankfurt vom 10.03.2023 (1 WF 12/23)

Stichworte: Berichtigungsbeschluss; Beschlussberichtigung; Unrichtigkeit; Entscheidungswille; Zustellungswille; Beschwerde
Normenkette: FamFG 42 Abs. 1
Orientierungssatz:
  • Eine offensichtliche Unrichtigkeit i. S. v. § 42 Abs. 1 FamFG liegt nur vor, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass der Ausspruch den tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts unvollkommen wiedergibt. Lässt sich ein solcher Widerspruch zwischen dem Tenor und den Gründe:n des Beschlusses nicht feststellen, scheidet eine Beschlussberichtigung nach § 42 FamFG aus (vgl. BGH FamRZ 2018, 1006; BGH FamRZ 2014, 653 und 1283).
  • 401 F 1048/22AG Frankfurt/Main, Außenstelle Höchst

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hier: Sofortige Beschwerde gegen einen Berichtigungsbeschluss

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 1. Senat für Familiensachen,

    am 10. März 2023 beschlossen:

    I. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst vom 11.11.2022 -Nichtabhilfebeschluss vom 11.01.2023- wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

    Die auf Berichtigung des Beschlusses des Amtsgerichts -Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst vom 31.03.2022 gerichteten Anträge der Antragsgegnerin und der weiteren Beteiligten zu 6. vom 20.09.2022 werden zurückgewiesen.

    II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

    Gründe:

    I.

    Die Beschwerdeführerin wendet sich vorliegend gegen eine vom Amtsgericht auf Antrag der Antragsgegnerin und der weiteren Beteiligten zu 6. ausgesprochene Berichtigung des Scheidungsverbundbeschlusses vom 31.03.2022.

    Der Antragsteller begehrte vorliegend beim Amtsgericht –Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst am 15.05.2019 die mit der Antragsgegnerin geschlossene Ehe zu scheiden. Im Zuge des unter Az. 456 F 5147/19 geführten Verfahrens holte das Amtsgericht Auskünfte zum Versorgungsausgleich ein. Die Beschwerdeführerin erstattete am 03.08.2021 eine Auskunft hinsichtlich der vom Antragsteller bei ihr erworbenen Anrechte und beantragte deren externe Teilung.

    Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.10.2021 aufgegeben, bis zum 30.11.2021 einen Zielversorgungsträger für den Ausgleich des bei der Beschwerdeführerin erworbenen Anrechts zu benennen.

    Am 19.11.2021 ging eine Erklärung der Allgemeine Versorgungskasse e. V. beim Amtsgericht ein, in der diese mitteilt, von der Antragsgegnerin in ihrem Einverständnis als Zielversorgungsträger bestimmt worden zu sein.

    Mit der Ladung zum erstinstanzlichen Anhörungstermin übermittelte das Amtsgericht einen Entwurf der Berechnung zum Versorgungsausgleich. In diesem war vorgesehen, dass die externe Teilung des vom Antragsteller erworbenen Anrechts bei der Beschwerdeführerin an die Versorgungskasse e. V. erfolgt. Die Berechnung ist sämtlichen Beteiligten zugestellt worden.

    Nachfolgend ist das Verfahren formlos vom Amtsgericht -Familiengericht- Frankfurt am Main an das Amtsgericht –Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst abgegeben worden. Bei diesem ist die Allgemeine Versorgungskasse e. V. nicht mehr als Beteiligte geführt worden.

    Durch Scheidungsverbundbeschluss vom 31.03.2022 hat das Amtsgericht -Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden. Zugleich hat es den Versorgungausgleich vollzogen und ausgesprochen, dass das vom Antragsteller bei der Beschwerdeführerin erworbene Anrecht im Wege externer Teilung zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen und dafür ein Versicherungskonto bei der Versorgungsausgleichskasse zu begründen ist. Die Entscheidung ist nachfolgend weder der Versorgungskasse e.V. noch der Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVAG durch das Amtsgericht bekanntgegeben worden.

    Die Beschwerdeführerin wies das Amtsgericht am 26.04.2022 darauf hin, dass die Versorgungsausgleichskasse nicht als Beteiligte geführt wurde und erbat die Übermittlung der Entscheidung vom 31.03.2022 an diese. In der Folge ist der Scheidungsverbundbeschluss der Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG förmlich zugestellt worden.

    Mit Schreiben vom 20.09.2022 beantragten die Antragsgegnerin sowie die weitere Beteiligte zu 6. die Berichtigung des Scheidungsverbundbeschlusses vom 31.03.2022 hinsichtlich des Zielversorgungsträgers, der für den Ausgleich des vom Antragsteller erworbenen Anrechts benannt wurde.

    Das Amtsgericht hat durch Schreiben vom 26.09.2022 darauf hingewiesen, dass in dem Beschluss vom 31.03.2022 eine offenbare Unrichtigkeit vorliege, die es zu berichtigen beabsichtigt. Denn der Zielversorgungsträger Allgemeine Versorgungskasse e. V. sei übergangen und stattdessen die Versorgungsausgleichskasse als Zielversorgungsträger des vom Antragsteller bei der Beschwerdeführerin erworbenen und extern zu teilenden Anrechts bestimmt worden.

    Das Amtsgericht hat den Scheidungsverbundbeschluss durch Entscheidung vom 11.11.2022 antragsgemäß berichtigt. In den Gründe:n wird darauf verwiesen, dass die Entscheidung auf § 113 FamFG i. V. m. § 319 ZPO beruhe.

    Der Berichtigungsbeschluss ist der Beschwerdeführerin am 26.11.2022 zugestellt worden.

    Gegen diese richtet sich die von ihr am 07.12.2022 erhobene Beschwerde. Sie führt aus, den Ausgleich bereits entsprechend der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts -Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst durchgeführt zu haben. Eine Rückabwicklung sei mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Beschlusses nicht vorliegen würden. Der Ausspruch hätte im Wege einer Beschwerde angegriffen werden müssen.

    Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

    Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 11.01.2023 nicht ab und legte diese dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.

    II.

    Die gem. §§ 42 Abs. 3 FamFG, 567 ff. ZPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst vom 11.11.2022 hat in der Sache Erfolg.

    1. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht weder die angefochtene Entscheidung begründet hat, noch sich in seiner Nichtabhilfeentscheidung mit dem von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumenten auseinandersetzte. Auch wenn darin ein Verfahrensfehler zu sehen ist, bleibt es dem Beschwerdegericht unbenommen, in der Sache zu entscheiden.

    2. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 FamFG für eine Berichtigung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich liegen nicht vor.

    a) Nach dieser Norm können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit vom Gericht auch von Amts wegen berichtigt werden. Eine solche liegt nur vor, wenn sich die Unrichtigkeit aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung bzw. Bekanntgabe ergibt und wenn sie ohne weiteres erkennbar ist. Die Unrichtigkeit darf also nicht gerichtsintern bleiben, sondern muss auch für Dritte erkennbar sein. Für die Berichtigung einer Entscheidungsformel folgt daraus, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit i.S.v. § 42 Abs. 1 FamFG nur vorliegt, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass der Ausspruch den tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts unvollkommen wiedergibt. Lässt sich ein solcher Widerspruch zwischen dem Tenor und den Gründe:n des Beschlusses nicht feststellen, scheidet eine Beschlussberichtigung nach § 42 FamFG aus (BGH FamRZ 2018, 1006; BGH FamRZ 2014, 1283; BGH FamRZ 2014, 653).

    b) Nach diesem Maßstab kann der Scheidungsverbundbeschlusses vom 31.03.2022 nicht nach § 42 Abs. 1 berichtigt werden. Denn vorliegend lässt sich weder aus dem Zusammenhang des Beschlusses noch aus den Vorgängen bei seiner Verkündung eine Unrichtigkeit erkennen.

    Tenor und Gründe:des Beschlusses des Amtsgerichts -Familiengericht- Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst vom 31.03.2022 stehen miteinander im Einklang. Unter Ziffer II. 2. Absatz spricht das Familiengericht aus, dass das vom Antragsteller bei der Beschwerdeführerin erworbene Anrecht extern geteilt und ein Anrecht in Höhe von 12.968,00 EUR bei der Versorgungsausgleichskasse begründet wird. Zugleich ist die Beschwerdeführerin verpflichtet worden, eine Leistung in dieser Höhe nebst Zinsen an die Versorgungsausgleichskasse zu erbringen. Der Tenor wird durch die Gründe:des Beschlusses gestützt. In diesen wird ausgeführt, dass die Antragsgegnerin von ihrem Wahlrecht nach §§ 15 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 222 Abs. 1 FamFG keinen Gebrauch gemacht habe, obwohl ihr insoweit rechtliches Gehör gewährt worden sei. Dass diese Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft sind, ist für Dritte weder aus der Entscheidung noch nach den Umständen ihrer Verkündung erkennbar. Aus diesem Grunde verlangt auch der Umstand, dass von dem zu früherer Zeit mit dem Verfahren befassten Amtsgericht – Familiengericht- Frankfurt am Main den Beteiligten eine Vorabberechnung übermittelt wurde, in welcher noch zutreffend die Versorgungskasse e. V. als Versorgungsträger benannt wurde, nach keiner abweichenden Würdigung.

    2. Das Amtsgericht wird die förmliche Zustellung des Beschlusses vom 31.03.2022 an die Allgemeine Versorgungskasse e. V. nachzuholen haben, da diese bisher nicht erfolgte. In dieser Hinsicht kann dahinstehen, ob dieser Versorgungsträger zwischenzeitlich -wie dessen Schreiben vom 20.09.2022 nahelegt- Kenntnis von der Entscheidung erlangte. Denn die Heilung einer fehlerhaften Zustellung nach § 189 ZPO kommt nach allgemeiner Ansicht nur beim Vorliegen eines Zustellungswillens in Betracht, mithin dann, wenn eine formgerechte Zustellung von dem Gericht wenigstens angestrebt worden ist (vgl. BGHZ 214, 294, BGH FamRZ 2010, 1328). Auch bei weiter Auslegung des von § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG in Bezug genommenen § 189 ZPO kann es für eine Heilung nicht ausreichen, dass das zuzustellende Schriftstück dem Adressaten irgendwie zugeht (BGH FamRZ 2020, 770).

    Der Einzelrichter

    Dr. Bussian