OLG Frankfurt vom 28.06.1999 (1 WF 115/99)

Stichworte: Kosten, Zwangsvollstreckung, Vorpfändung, Erstattungsfähigkeit
Normenkette: BRAGO 57, ZPO 845
Orientierungssatz: 1) Von der Entstehung der Gebühr nach § 57 BRAGO im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant ist die Erstattungsfähigkeit im Verhältnis zum Gegner des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu unterscheiden. 2) Kosten für eine Vorpfändung sind nur erstattungsfähig, wenn der Gläubiger begründeten Anlaß zur Besorgnis hat, seine Forderung nicht realisieren zu können (OLG Frankfurt am Main, 3. Senat für Familiensachen, OLG-Report 1994, S. 132).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 8. 3. 1999 am 28. Juni 1999 beschlossen

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert. Der Kostenfestsetzungsantrag der Gläubigerin wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 150,10 DM.

G r ü n d e :

Der Schuldner hat sich durch Prozeßvergleich vom 10. 11. 1998 zur Zahlung von 6.000,-- DM an die Gläubigerin verpflichtet. Nachdem bis dahin keine Zahlung eingegangen waren, mahnte die Gläubigerin mit Anwaltsschreiben vom 8. 12. 1998 den Betrag an. Zugleich beantragte sie beim Amtsgericht eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs, welche am 11. 12. 1998 erteilt wurde. Am 22. 12. 1998 zahlte der Schuldner den Betrag von 6.000,-- DM. Mit Antrag vom 13. 1. 1999 beantragte die Gläubigerin die Festsetzung einer Gebühr von 3/10 gemäß § 57 BRAGO nebst Auslagen und Mehrwertsteuer, insgesamt einen Betrag von 150,10 DM. Durch den angefochtenen Beschluß hat der Rechtspfleger des Familiengerichts die geltend gemachten Zwangsvollstreckungskosten nach § 788 ZPO festgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners.

Der Familiensenat des Oberlandesgerichts ist zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig, da der Rechtspfleger des Familiengerichts die angefochtene Entscheidung erlassen hat ( § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG). Ungeachtet der Tatsache, daß gemäß 788 Abs. 2 ZPO in der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Fassung der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17. 12. 1997 (Bundesgesetzblatt 3039) das Vollstreckungsgericht mit der Folge des Beschwerderechtszugs zum Landgericht zur Entscheidung berufen gewesen wäre, hatte der Senat in der Sache abschließend zu entscheiden, da die Zuständigkeit des Familiengerichts nicht gerügt ist ( § 529 Abs. 3 ZPO analog).

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet. Die geltend gemachten Vollsteckungskosten sind nicht erstattungsfähig. Allerdings entspricht es heute ganz überwiegender Meinung, daß die Gebühr nach § 57 BRAGO bereits dann entsteht, wenn der Anwalt zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung den Schuldner noch einmal auffordert, die titulierte Forderung zu zahlen (Gerold-Schmidt-von Eicken BRAGO 13. Aufl., § 57 Rdnr. 16).

Von der Entstehung der Gebühr nach § 57 BRAGO im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant ist die Erstattungsfähigkeit im Verhältnis zum Gegner des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu unterscheiden. Umstritten ist, inwieweit die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung vorliegen müssen, damit die Gebühr nach § 57 BRAGO für die Zahlungsaufforderung erstattungsfähig ist. Nach der Rechtsprechung des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (JB 1983, S. 870) ist die Erstattungsfähigkeit nicht von der vorherigen oder gleichzeitigen Zustellung des Titels abhängig, sofern anstelle der Zahlungsaufforderung sofort eine Vollstreckungsmaßnahme, beispielsweise eine Vorpfändung, möglich gewesen wäre. Dagegen wird die vorherige Erteilung der Vollstreckungsklausel in der Rechtsprechung durchweg verlangt, wenn die Gebühr für das Aufforderungsschreiben erstattungsfähig sein soll (LAG Düsseldorf, JB 1988, S. 740; KG JB 1987). Das Kammergericht (a.a.O.) hat in der erwähnten Entscheidung in diesem Sinne allerdings nur für den Fall ausdrücklich entschieden, daß der Schuldner noch vor Erteilung der Vollstreckungsklausel erfüllt hat. Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn die Zahlungsaufforderung noch vor Erteilung der Vollstreckungsklausel ergeht, der Schuldner dann aber erst nach Erteilung der Klausel erfüllt, ist in dieser Entscheidung unbeantwortet geblieben. Nach Auffassung des Senats kann die Frage der Erstattungsfähigkeit nicht entscheidend vom späteren Verhalten des Schuldners abhängen. Entscheidend ist, daß der Gläubiger es zum Zeitpunkt der Mahnung in der Hand haben muß, stattdessen die Zwangsvollstreckung durchzuführen. Ist die Vollstreckungsklausel erteilt und fehlt es nur noch an der Zustellung des Titels, so hat es der Gläubiger in der Hand, sofort mit der Vollstreckung zu beginnen, da er den Titel gleichzeitig mit Beginn der Vollstreckung zustellen lassen kann. In diesem Fall ist mit dem 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die Erstattungsfähigkeit der Gebühr für das Mahnschreiben, welches die Zwangsvollstreckung vermeiden soll, als sachgerecht anzusehen. Ist aber die Vollstreckungsklausel noch nicht erteilt, hat es der Schuldner noch gar nicht in der Hand, mit der Vollstreckung zu beginnen. In einem solchen Fall besteht kein Anlaß, die Erstattungsfähigkeit der Gebühr für das Aufforderungsschreiben zu bejahen. Das gilt um so mehr, als das Verfahren über die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel noch zum Rechtszug gehört und daher mit den Gebühren für das Erkenntnisverfahren abgegolten ist (§ 37 Nr. 7 BRAGO).

Allerdings ist nicht jede Zwangsvollstreckungsmaßnahme von der Erteilung der Vollstreckungsklausel abhängig. Eine Vorpfändung ist bereits vor Klauselerteilung möglich (§ 845 Abs. 1 S. 3 ZPO). Die Möglichkeit einer Vorpfändung vor Erteilung der Vollstreckungsklausel kann jedoch nur dann zu einer Erstattungsfähigkeit der Gebühr für die Zahlungsaufforderung führen, wenn in diesem Stadium des Verfahrens Kosten für eine Vorpfändung ebenfalls erstattungsfähig wären. Kosten für eine Vorpfändung sind nur erstattungsfähig, wenn der Gläubiger begründeten Anlaß zur Besorgnis hat, seine Forderung nicht realisieren zu können (OLG Frankfurt am Main, 3. Senat für Familiensachen, OLG-Report 1994, S. 132). Hierfür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte. Da die Zahlungsaufforderung bereits vom 8. 12. 1998 datiert, die Vollstreckungsklausel jedoch erst danach erteilt wurde, sind die Gebühren für die Zahlungsaufforderung hier nicht erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus 91 ZPO.

Dr. Eschweiler Juncker Noll