OLG Frankfurt vom 22.07.2004 (1 WF 103/04)

Stichworte: Betreuungsbonus, Selbstbehalt Erwerbstätigenbonus, Selbstbehalt Selbstbehalt, Betreuungsbonus, Erwerbstätigenbonus
Normenkette: BGB 1578, 1581
Orientierungssatz: 1) Die Betreuungspauschale hat nach den Unterhaltsgrundsätzen des Oberlandesgerichts Frankfurt eine Doppelfunktion. Sie stellt zum Einen einen Bonus für eine an sich in diesem Umfang nicht obliegende Erwerbstätigkeit dar und ersetzt damit den früher bei Anwendung der Anrechnungsmethode meist in Form eines prozentualen Abschlags gewährten Bonus in Form einer teilweisen Nichtanrechnung von Einkommen nach § 1577 Abs. 2 BGB. Zum anderen stellt sie eine Pauschale für tatsächliche aber im Einzelnen nicht nachzuweisende Betreuungsaufwendungen dar, worunter auch Betreuungsleistungen von Angehörigen gehören, die nur im Verhältnis zu dem betreuenden Elternteil nicht aber zu dem unterhaltspflichtigen Ehegatten unentgeltlich tätig werden. 2) Im Rahmen der Wahrung von Selbstbehalten ist kein Erwerbstätigenbonus (von 1/7) von dem Einkommen in Abzug zu bringen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - Einzelrichter - auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelnhausen vom 27.02.2004 am 22.07.2004 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin für ihre als Folgesache im Verbund geltend gemachte Klage auf nachehelichen Unterhalt, zuletzt gerichtet auf (362,94 EUR Elementarunterhalt und 121,36 EUR Krankenvorsorgeunterhalt, zusammen) 484,30 EUR monatlich, in Höhe von 279,75 EUR monatlich bewilligt und zugleich die vom Antragsteller zur Abwehr dieser Klage beantragte Prozesskostenhilfe nur insoweit bewilligt, als die Klage diesen Betrag übersteigt.

Gegen Letzteres richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Die vom Amtsgericht ihm zugebilligten Fahrtkosten von 250,00 EUR monatlich seien zu niedrig, das Einkommen der Antragsgegnerin höher als zugrunde gelegt. Da die Antragsgegnerin mit ihrer halbschichtigen Tätigkeit ihrer Erwerbsobliegenheit genüge, stehe ihr ein Betreuungsbonus von 200,00 EUR, wie in die Berechnungen des Amtsgerichts eingestellt, nicht zu.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. In der Sache hat sie im Ergebnis keinen Erfolg.

Die dem Antragsteller zugebilligten Fahrtkosten von monatlich 250,00 EUR sind nicht zu beanstanden. Sie beruhen offensichtlich auf den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Zusammenlebens. Soweit der Antragsgegner infolge der Verlegung seines Wohnsitzes in die räumliche Nähe seiner Angehörigen tatsächlich weitere Wege zurücklegen muss und dadurch tatsächlich höhere Fahrtkosten hat, hat dem das Amtsgericht zutreffend die Berechtigung abgesprochen. Der Antragsteller ist als alleinstehende Person nach der Trennung beweglich und kann, wenn die Fahrtkosten außer Verhältnis zu seinen Einkünften stehen, wie hier nach seinem Vortrag der Fall, durch Verlegung seiner Wohnung diese verringern. Die erwünschte Nähe zu seiner Herkunftsfamilie nach Trennung (Eltern, Schwester) ist unterhaltsrechtlich nicht schutzwürdig. Der Hinweis auf die nur vorübergehende Tätigkeit an seinem jetzigen Arbeitsplatz geht fehl, da diese Verhältnisse bereits seit zwei Jahren andauern und es sich bei dem streitgegenständlichen Unterhaltsanspruch ab rechtskräftiger Scheidung um künftigen Unterhalt handelt. Jedenfalls bis dahin ist der Antragsteller in der Lage und damit auch gehalten, seine Aufwendungen für Fahrtkosten in ein vernünftiges Verhältnis zu den Einkünften zu setzen.

Die Vermutung des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe inzwischen durch Ausweitung ihrer Stundenzahl höhere Einkünfte, ist, wie sich aus den von ihr vorgelegten Gehaltsnachweisen ergibt, zutreffend. Nach der vorgelegten Vertragsänderung vom 21.04.2004 (Anlage zum Schriftsatz vom 19.05., Bl. 129 d.A.) hat sie ihre Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden erweitert und erhält daraus jetzt 844,80 EUR brutto monatlich. Dies ergibt ausweislich der gleichfalls vorgelegten Verdienstabrechnung für Mai 2004 (Bl. 131) ein Nettoeinkommen von 667,39 EUR. Nach Abzug von Fahrtkosten entspricht damit das Einkommen genau dem vom Amtsgericht fiktiv angesetzten Erwerbseinkommen aus einer ihr obliegenden halbschichtigen Erwerbstätigkeit von monatlich 600,00 EUR, so dass sich im Ergebnis an der Berechnung des Amtsgerichts dadurch nichts ändert.

Ob hiervon die Antragsgegnerin die ihr in der Berechnung des Amtsgerichts zugebilligte Betreuungspauschale von 200,00 EUR abziehen kann, ist zweifelhaft. Die genannte Betreuungspauschale hat nach den Unterhaltsgrundsätzen des Oberlandesgerichts Frankfurt eine Doppelfunktion. Sie stellt zum Einen einen Bonus für eine an sich in diesem Umfang nicht obliegende Erwerbstätigkeit dar und ersetzt damit den früher bei Anwendung der Anrechnungsmethode meist in Form eines prozentualen Abschlags gewährten Bonus in Form einer teilweisen Nichtanrechnung von Einkommen nach § 1577 Abs. 2 BGB. Hierfür besteht hier angesichts des Umstandes, dass die Antragsgegnerin derzeit mit ihrer halbschichtigen Tätigkeit genau im Rahmen ihrer Obliegenheit angesichts der Betreuung des jetzt 12-jährigen Kindes arbeitet, wenig Anlass. Zum anderen stellt sie eine Pauschale für tatsächliche aber im Einzelnen nicht nachzuweisende Betreuungsaufwendungen dar, worunter auch Betreuungsleistungen von Angehörigen gehören, die nur im Verhältnis zu dem betreuenden Elternteil nicht aber zu dem unterhaltspflichtigen Ehegatten unentgeltlich tätig werden. Auch für derartige Aufwendungen bietet der Vortrag der Antragsgegnerin wenig Anhaltspunkte. Im Einzelnen kann dies jedoch auf sich beruhen. Denn auch wenn man zugunsten des Antragstellers die Betreuungspauschale von 200,00 EUR vollständig aus der im Übrigen beanstandungsfreien Einkommensaufstellung in der Berechnung des Amtsgerichts streicht, ergibt sich im Ergebnis kein geringerer Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt. Rechnet man nämlich aus dem Einkommen der Antragsgegnerin diese Betreuungspauschale von 200,00 EUR heraus, verbleibt auf ihrer Seite ein bereinigtes Nettoeinkommen von, wie dargestellt, monatlich 600,00 EUR. Dem steht das zutreffend errechnete Einkommen des Antragstellers in Höhe von 1.327,70 EUR gegenüber. Dies ergibt eine Einkommensdifferenz von 727,70 EUR und daraus ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 3/7 dieser Einkommensdifferenz von rund 312,00 EUR. Da auf beiden Seiten nur Erwerbseinkünfte vorhanden sind, bedarf es der umständlicheren Berechnung nach der Additionsmethode, die notwendigerweise zum gleichen Ergebnis führen muss, hier nicht.

Das Amtsgericht hat den von ihm zunächst ermittelten höheren Quotenunterhalt im Wege einer Mangelberechnung auf den errechneten Betrag von rund 280,00 EUR verringert. Tatsächlich liegt ein solcher Mangelfall nicht vor. Im Rahmen der Wahrung von Selbstbehalten ist nämlich entgegen der Berechnung des Amtsgerichts kein Erwerbstätigenbonus (von 1/7) von dem Einkommen in Abzug zu bringen. Bei einem Einkommen von, wie angegeben, 1.327,70 EUR, bei dem bereits der Kindesunterhalt in Abzug gebracht worden ist, ist der Antragsteller bei Wahrung seines Selbstbehaltes von 1.000,00 EUR gegenüber dem getrenntlebenden Ehegatten zur Zahlung des errechneten Betrages imstande. Damit erweist sich die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO als nicht begründet.

Jucker