OLG Frankfurt vom 13.08.2001 (1 WF 103/01)

Stichworte: Rentennachzahlung, Unterhaltsbedürftigkeit
Normenkette: BGB 812, 1361, VAHRG 4, 9
Orientierungssatz: Abweichend von dem sonst das Unterhaltsrecht beherrschende In-Prinzip sind Rentennachzahlungen an den Unterhaltsberechtigten auch für zurückliegende Zeiträume der Bedürftigkeit berücksichtigungsfähig.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main am 13.08.01 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Bescheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

Die Klägerin ist durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Bensheim (7 F 377/98) vom 11.03.1999 zur Zahlung von 300,62 DM Trennungsunterhalt ab Oktober 1998 verurteilt. Grundlage der Höhe des ausgeurteilten Trennungsunterhalts war das festgestellte Erwerbseinkommen der Klägerin, damalige Beklagte, vermindert um 400,- DM Kreditbelastung, sowie das Renteneinkommen des damaligen Klägers. Letzteres war infolge des durchgeführen Versorgungsausgleichs nach seiner ersten geschiedenen Ehe gekürzt.

Die Ehe der Parteien ist seit Anfang Dezember 1999 rechtskräftig geschieden. Im Juli 2000 hat der Beklagte den gesamten Trennungsunterhalt in Höhe von 4208,68 DM bis einschließlich November 1999 zuzüglich Zinsen und Kosten vollstreckt.

Bereits im Juni1999 war die erste Ehefrau des Beklagten verstorben, ohne aus dem Versorgungsausgleich von dem Träger der Rentenversicherung Leistungen bezogen zu haben. Auf seinen dahingehenden Antrag (§ 9 i.V.m. § 4 VAHRG) wurde dem Beklagten die Rentenkürzung aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs für die Gesamtzeit in Höhe von insgesamt rund 26000,- DM nachgezahlt.

Die Klägerin möchte den Beklagten in erster Linie im Wege der Stufenklage auf Auskunft der anteiligen Rentennachzahlung für die Zeit von Oktober 1998 bis November 1999 und Rückzahlung des entsprechenden beigetriebenen Trennungsunterhalts für diesen Zeitraum, hilfsweise Rückzahlung des gezahlten Trennungsunterhalts in Anspruch nehmen. Weiterhin verlangt sie 265,18 DM Steuernachforderung im Jahre 1999 aufgrund des vereinbarten begrenzten Realsplittings. Hierzu trägt sie vor, der Beklagte habe in der vorgerichtlichen Korrespondenz diesen Anspruch nicht bestritten, sondern mangelnde Leistungsfähigkeit eingewandt und die Aufrechnung gegenüber seinem Unterhaltsanspruch erklärt, letzteres jedoch bei der Vollstreckung nicht berücksichtigt (Anlage zur Klageschrift, Bl. 18/19 d.A.).

Die von ihr hierfür beantragte Prozeßkostenhilfe hat ihr das Amtsgerichts mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert. Die Nachzahlung liege außerhalb des Zeitraums, für welchen Unterhalt geschuldet worden sei, nachdem, unstreitig, der Beklagte nachehelichen Unterhalt nicht geltend mache. Nach dem das Unterhaltsrecht beherrschenden 'In- Prinzip' sei deshalb die Zahlung diesem Zeitraum und nicht dem unterhaltsfreien Zeitraum zuzurechnen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, der das Amtsgericht mit Beschluß vom 16.05.01 mit weiterer Begründung nicht abgeholfen hat. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, wonach die Rentennachzahlung auch bei dem Trennungsunterhalt berücksichtigungsfähig sei. Zumindest sei die Vollstreckung, die unstreitig nach Zufluß der Rentennachzahlung durchgeführt worden sei, im Sinne des § 826 BGB sittenwidrig.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Mit Recht hat allerdings das Amtsgericht die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs aus § 826 BGB verneint. Die Rechtslage ist nicht so eindeutig, daß dem Beklagten der Vorwurf vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemacht werden könne. Die Rentennachzahlung ist unstreitig zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Parteien bereits geschieden waren und zwischen den Parteien keine unterhaltsrechtlichen Ansprüche mehr geltend gemacht wurden. Die Rechtsauffassung des Beklagten, daß hierdurch seine Bedürftigkeit und damit sein Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht beeinträchtigt wurde, der überdies auch das Amtsgericht gefolgt ist, ist damit nachvollziehbar und beinhaltet nicht den Vorwurf sittenwidriger Schädigung.

Indes kommt nach dem festgestellten Sachverhalt ein Anspruch auf Rückzahlung des (teilweise) zu Unrecht beigetriebenen Unterhalts nach Beendigung der Zwangsvollstreckung (sog. verlängerte Vollstreckungsabwehrklage) in Betracht.

Zwar hat das Amtsgericht zutreffend auf den Grundsatz verwiesen, wonach im Unterhaltsrecht das sogenannte 'In - Prinzip' gelte, wonach für Bedarf und Leistungsfähigkeit jeweils die Verhältnisse in dem jeweiligen Kalenderjahr des Unterhaltszeitraums maßgebend sind. Spätere Mittelzuflüsse, auch wenn sie für zurückliegende Zeiträume erfolgt sind, verändern deshalb die Beurteilung der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit für den vorausgegangenen Zeitraum nicht.

Indes gelten für Rentennachzahlungen Ausnahmen, die hier zu einer abweichenden Berurteilung führen.

Nicht einschlägig ist allerdings die höchstrichterliche Rechtsprechung über die erfüllungsgleiche Wirkung von Leistungen aus dem Versorgungsausgleich auch für zurückliegende Zeiträume. Danach sind Leistungen, die der Träger der Rentenversicherung aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs an den Unterhaltsberechtigten leistet wegen der besonderen Zweckbestimmung dieses Rechtsinstituts so zu behandeln, als hätte der Unterhaltspflichtige selbst diese Leistungen erbracht (BGHZ 83, 278 = NJW 1982, 1147). Dies gilt jedenfalls für vergangene Zeiträume, während für künftige Zeiträume, also ab Rechtshängigkeit, die Abänderung des Titels wegen geänderter Verhältnisse nach § 323 ZPO zu erfolgen hat (BGH FamRZ 1989, 159). Dies folgt aus der Doppelnatur der Leistungen aus dem Versorgungsausgleich, die nicht nur Erfüllungswirkung haben, sondern auch, betreffen künftige Zeiträume, die Bedürftigkeit mindern und damit nach den Voraussetzungen der Abänderungsklage geltend zu machen sind.

Diese Rechtsprechung gründet sich aber auf die Besonderheit des Versorgungsausgleichs, der letztlich auf Leistungen des Verpflichteten beruht und deshalb, soweit sie sich durch Rentennachzahlungen verwirklichen, materiell dem Unterhaltspflichtigen zugerechnet werden können.

Für die vorliegende Nachzahlung aus dem Versorgungsausgleich gilt diese besondere Zweckbestimmung nicht. Diese Leistungen begründen sich auf die frühere Ehe des Beklagten mit seiner ersten Ehefrau und sind deshalb nicht, auch nicht mittelbar, der Klägerin zuzurechnen. Insoweit handelt es sich lediglich um bedarfsmindernde Einkommensbestandteile.

Bezüglich derartiger Rentenbezüge für zurückliegende Zeiträume sind jedoch die Grundsätze einschlägig, die der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 23.03.1983 (NJW 83, 1481 = FamRZ 83, 574) ausgeführt hat. Danach mindert der Anspruch auf künftige Rentenzahlung nach erst durchzuführender Prüfung seitens des Rentenversicherungsträgers die derzeitige Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten nicht, soweit nicht, was in derartigen Fällen meist nicht möglich ist, eine vorschüssige Leistung erreicht werden kann. Zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse kann in einem derartigen Fall der Unterhaltspflichtige dem Unterhaltsberechtigten anbieten, den Unterhalt als Darlehen zu gewähren, mit der Absprache, daß im Fall künftigen Rentenbezuges das Darlehen in entsprechender Höhe aus der Nachzahlung getilgt wird, andernfalls, sofern die Rente abgelehnt wird, auf Rückzahlung verzichtet und das Darlehen rückwirkend als Unterhaltsleistung umgewidmet wird. Das ist hier unstreitig nicht geschehen. Zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses und des darauf ergangenen Urteils lebte die erste Ehefrau des Beklagten noch, weshalb eine derartige Rentennachzahlung nicht im Raum stand. Nach den Umständen ist davon auszugehen, daß die Klägerin von den Vorgängen, die zu der Rentennachzahlung geführt haben, und deren rechtlicher Bedeutung erst nach Beendigung des Unterhaltszeitraums Kenntnis erlangte. In einem derartigen Fall, in dem der Unterhaltspflichtige von dem Rentenantrag nichts weiß oder ihm die erforderlichen Rechtskenntnisse fehlen, 'könnte aber ein Erstattungsanspruch des Unterhaltspflichtigen in der Höhe in Betracht kommen, in der sich der Unterhaltsanspruchsberechtigte ermäßigt hätte, wenn die Rente sofort bewilligt worden wäre' (BGH a.a.0. NJW S. 1482). Ein solcher Anspruch läßt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten, der auch das gesetzliche Unterhaltsverhältnis zwischen geschiedenen Ehegatten beherrscht und es ausschließt, dem Unterhaltsberechtigten die an ihn nachträglich gezahlte Rente ungeschmälert für einen Zeitraum zu belassen, in dem der Verpflichtete Unterhalt geleistet hat (a.a.0.).

Eine derartige Fallgestaltung ist hier gegeben. Das Anerkenntnisurteil basiert auf dem Rentenbezug des Beklagten, wie er durch den Versorgungsausgleich nach der ersten Ehe gekürzt worden ist. Diese Kürzung ist nunmehr nachträglich nach der Härteregelung des VAHRG rückgängig gemacht und dem Beklagten für den gesamten Zeitraum nachgezahlt worden. Nach dem genannten Grundsatz von Treu und Glauben muß er sich deshalb nunmehr so behandeln lassen, als hätte er die ungekürzte Rente bereits für den Beurteilungszeitraum erhalten. Dabei kann allerdings nicht die Rentennachzahlung in ihrer gesamten Höhe herangezogen werden, die auch davorliegende Zeiträume umfaßt, die hiervon nicht berührt werden. Es wird also darauf ankommen, den Unterhalt festzustellen, wie er zu berechnen gewesen wäre, wenn der Beklagte in dem Beurteilungszeitraum von Oktober 1998 bis November 1999 die ungekürzte Rente erhalten hätte, also die tatsächliche Rente zuzüglich der auf diesen Zeitraum entfallenen Nachzahlung. Dies festzustellen erscheint die von der Klägerin eingeleitete Stufenklage der richtige Weg.

Das Amtsgericht wird im Rahmen der weiteren Verhandlung auch der Frage der Erfolgsaussicht der geltend gemachten Steuererstattung nachgehen können. Insoweit erscheint der Sachverhalt aufklärungsbedürftig. Wenn es sich um einen Anspruch im Rahmen des vereinbarten steuerlichen Realsplittings handeln sollte, wäre dies entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Familiensache. Dies läßt sich jedoch aus dem Sachverhalt nicht plausibel nachvollziehen. Üblicherweise verlangt der Unterhaltsberechtigte von dem Pflichtigen Erstattung der Steuern, die er aufgrund des steuerlichen Realsplittings an das Finanzamt leisten muß. Hier geht es indes um Ansprüche der Unterhaltspflichtigen gegen den Unterhaltsberechtigten, die sich aus den Sachverhalt so nicht erklären lassen. Sollte es sich um Erstattungsansprüche außerhalb des steuerlichen Realsplittings handeln, wäre dies in der Tat keine Familiensache.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 124 Abs. 4 ZPO.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker