OLG Frankfurt vom 25.05.1999 (1 UFH 8/99)

Stichworte: Bindungswirkung bei Verweisung
Normenkette: ZPO 36 Abs. 1 Nr. 6
Orientierungssatz: Zuständig ist das Amtsgericht, da das Landgericht mit bindender Wirkung gemäß 281 Abs. 2 S. 3 ZPO die Sache an dieses verwiesen hat. Die Bindungswirkung nach der genannten Bestimmung ist auch im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zu beachten. Ausnahmsweise ist eine Verweisungsentscheidung dann nicht verbindlich, wenn sie nicht in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise ergangen ist oder inhaltlich keine ausreichende gesetzliche Grundlage hat, also auf "Willkür" im objektiven Sinne beruht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In dem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Vorlage des Amtsgerichts -Familiengericht- Königstein vom 07.04.1999 am 25.5.1999 beschlossen

Das Amtsgericht Königstein ist zuständig.

G r ü n d e :

Die Klägerin klagt aus einem als "Ehevertrag" bezeichneten notariellen Vertrag im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Auszahlung anteiligen Gewinns aus einer vom Beklagten geführten kieferorthopädischen Praxis. Nachdem das Landgericht -Kammer für Handelssachen- die Sache zunächst an die Zivilkammer des Landgerichts verwiesen hat, hat diese nach Anhörung der Parteien auf einen von ihr angeregten Hilfsantrag der Klägerin die Sache durch Beschluß vom 19.03.1999 an das Amtsgericht -Familiengericht- Königstein verwiesen. Letzteres hat mit ausführlich begründetem und den Parteien bekanntgegebenem Beschluß vom 07.04.1999 die Übernahme dieser Sache abgelehnt und dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Die Vorlage ist zulässig. Beide am Zuständigkeitskonflikt beteiligten Gerichte haben sich jeweils durch einen nach außen hin bekanntgegebenen und damit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftigen Beschluß für unzuständig erklärt. Allerdings betrifft der Verweisungsbeschluß des Landgerichts nur das Amtsgericht Königstein als ganzes und hat keine Wirkung für die Frage, ob dort eine Abteilung für Familiensachen oder eine allgemeine Zivilabteilung zuständig ist. Insoweit kam in Betracht, daß das Familiengericht die Sache mit der gegebenen Begründung, es handele sich nicht um eine Familiensache, zunächst an die Zivilabteilung hätte abgeben müssen (so Senat, Beschluß vom 14.03.1988, FamRZ 1989, 75). An der in dieser Entscheidung wiedergegebenen Rechtsauffassung hält der Senat jedoch im Anschluß an die Gründe der Entscheidung des BayOBLG, FamRZ 1992, 333, nicht mehr fest. Danach erscheint die Weiterleitung der Sache an die Zivilabteilung als entbehrlicher Umweg. Von Bedeutung wäre dies allerdings, wenn der Auffassung zu folgen wäre, daß in einem Fall, in dem nach Verweisung einer Sache als Familiensache vom Landgericht an das Amtsgericht das gemäß § 36 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen der Zivilabteilung und einer Abteilung für Familiensachen des Amtsgerichts befaßte Gericht dann die Bindungswirkung des ursprünglichen Verweisungsbeschlusses nicht mehr zu beachten hätte, sondern auch das Landgericht als richtiges Gericht bestimmen könnte (so Zöller-Gummer, ZPO, 21. Auflage, 23 b GVG Rdnr. 9). Mit dem Argument, daß ohnehin ein weiteres Gericht mit dem Zuständigkeitsstreit befaßt werden muß, läßt sich die Bindungswirkung aus § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht beseitigen. Dies folgt auch nicht aus der zum Beleg angezogenen Entscheidung des BGH NJW 1980, 1282, 1283 = FamRZ 1980, 557. Hier ging es um die Bestimmung des richtigen Rechtsmittelgerichts nach der Rechtsnatur der Sache vor Einführung der formellen Anknüpfung. Der vom BGH hier ausgesprochenen Verweisung des Verfahrens im zweiten Rechtszug an die Berufungskammer des Landgerichts im Rahmen eines Kompetenzkonflikts zwischen einem Zivilsenat und einem Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts stand ein bindender Verweisungsbeschluß nicht entgegen.

Zuständig ist das Amtsgericht, da das Landgericht mit bindender Wirkung gemäß 281 Abs. 2 S. 3 ZPO die Sache an dieses verwiesen hat. Die Bindungswirkung nach der genannten Bestimmung ist auch im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zu beachten. Ausnahmsweise ist eine Verweisungsentscheidung dann nicht verbindlich, wenn sie nicht in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise ergangen ist oder inhaltlich keine ausreichende gesetzliche Grundlage hat, also auf "Willkür" im objektiven Sinne beruht. Dies ist hier nicht der Fall. Zwar ist der Rechtsstreit wohl keine Familiensache im Sinne des 23 b Abs. 1 GVG. Maßgeblich für die Qualifizierung ist die Klagebegründung, nicht das Verteidigungsvorbringen der Beklagtenseite (BGH FamRZ 1989, 166). Danach stützt die Klägerin ihre Klage auf einen Vertrag, aus dem sie Anteilseignerin einer Gemeinschaftspraxis geworden ist und erstrebt Gewinnausschüttung entsprechend diesem Anteil. Es handelt sich danach eindeutig um einen allgemeinen zivilrechtlichen Vertrag. Daß der Vertrag, der als Ehevertrag überschrieben ist, daneben noch familienrechtliche Bestandteile hat (insbesondere die Erhöhung des Zugewinnausgleichsanspruchs der Klägerin für den noch nicht eingetretenen Fall rechtskräftiger Scheidung um je 150.000,00 DM für jedes Ehejahr sowie die Regelung des Unterhalts für sie), ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Ausnahmefall, daß nämlich ein Vertrag durch Leistung und Gegenleistung familienrechtliche und nicht familienrechtliche Anspruchsgrundlagen in einer Weise verknüpft, daß diese nicht mehr getrennt beurteilt werden können, wie dies etwa bei einem Vertrag über die Auseinandersetzung gemeinsamen Eigentums mit gleichzeitiger Einbeziehung güterrechtlicher Ausgleichsansprüche der Fall ist, ist hier nicht gegeben. Die einzelnen in dem Vertrag begründeten Regelungen sind durchaus teilbar und könnten jede für sich Gegenstand einer vereinbarten Regelung sein. Der auf die familienrechtliche Gesamtwertung abzielende Einwand des Beklagten, der Vertrag sei wegen krasser Ungleichgewichtigkeit der übernommenen Leistungen sittenwidrig, ändert an dieser Wertung nichts, da, wie ausführt, die Qualifikation einer Sache durch das Klagevorbringen und nicht das Verteidigungsvorbringen der Beklagtenseite bestimmt wird.

Gleichwohl ist die Bewertung, daß durch die eingewandte Nichtigkeit des Vertrages wegen inhaltlicher Sittenwidrigkeit die Rechtswirksamkeit des Vertrages aus im Familienrecht wurzelnden Gründen insgesamt Verfahrensgegenstand ist, vertretbar und nicht im bezeichneten Sinne willkürlich. Damit erweist sich der Verweisungsbeschluß als bindend mit der Folge der Zuständigkeit des Amtsgerichts Königstein.

Juncker Carl Noll