OLG Frankfurt vom 31.07.2000 (1 UFH 3/00)

Stichworte: Zuständigkeit, Familiengericht, Hausratssache, Bindungswirkung, Recht, ausländisches.
Normenkette: GVG 23b Abs. 1 Satz 2 Nr. 8, ZPO 621 Abs. 1 Nr. 7, 281
Orientierungssatz: Die Zuständigkeit des Familiengerichts nach §§ 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 GVG 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO gilt unabhängig davon, ob deutsches oder ausländisches Recht anzuwenden ist (OLG Düsseldorf FamRZ 1995, S. 1280; Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 621 Rn. 48 b). Die Frage ob deutsches oder ausländisches Recht anzuwenden ist, ist nicht eine Frage der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, sondern eine Frage des vom zuständigen Gericht anzuwendenen materiellen Rechts.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In dem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Vorlage des Amtsgerichts - Zivilprozessabteilung - Wetzlar vom 16. Februar 2000 am 31. 07. 2000 beschlossen:

Das Familiengericht beim Amtsgericht Wetzlar ist zuständig.

G r ü n d e :

Die Parteien sind türkische Staatsangehörige. Die Antragstellerin hat während der Anhängigkeit eines beim Amtsgericht - Familiengericht - Wetzlar anhängigen Ehescheidungsverfahrens einen Antrag auf Teilung des Hausrats eingereicht. Während der Anhängigkeit dieses Verfahrens wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Mit Beschluß vom 13.01.2000 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Wetzlar das Verfahren über den Antrag auf Hausratsteilung an die allgemeine Zivilprozessabteilung abgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Hausratsverordnung keine Anwendung finde, da türkisches Recht anzuwenden sei, welches eine entsprechende Regelung nicht kenne. Die allgemeine Zivilprozeßabteilung des Amtsgerichts Wetzlar hat mit Verfügung vom 16.02.2000 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt mit der Begründung, dass wegen des starken Inlandsbezugs auf deutsches Recht zurückzugreifen sei.

Sowohl der Abgabebeschluß des Familiengerichts als auch die Verfügung der Zivilprozessabteilung sind den Parteien mitgeteilt worden.

Der Senat hat die Sache mit Beschluß vom 21. März 2000 dem Bundesgerichtshof gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt, weil er von der Entscheidung anderer Oberlandesgerichte abweichen wollte und die Auffassung vertreten hat, die Vorlagepflicht nach § 36 Abs. 3 ZPO bestehe auch dann, wenn das Oberlandesgericht nicht nach § 36 Abs. 2 ZPO sondern nach § 36 Abs. 1 ZPO als gemeinsames höheres Gericht im Verhältnis zu den mit der Sache befassten Gerichten gehöre. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluß vom 21. Juni 2000 die Sache an das Oberlandesgericht zur Entscheidung zurückgegeben mit der Begründung, dass die Divergenzvorlage nach § 36 Abs. 3 nur Anwendung finde, wenn das Oberlandesgericht nicht das gemeinsame höhere Gericht im Verhältnis zu den befassten Gerichten sei, sondern sich seine Zuständigkeit aus § 36 Abs. 2 ZPO ableite.

Der Senat ist aufgrund des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 2000 zur eigenen Entscheidung berufen.

Das Familiengericht beim Amtsgericht Wetzlar war als zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Bestimmung steht der Abgabebeschluß des Familiengerichts nicht entgegen, da er nicht bindend ist.

Eine Bindungswirkung folgt nicht aus § 281 ZPO, da diese Vorschrift nur bei Verweisung an ein anderes Gericht, nicht bei einer Abgabe an eine andere Abteilung des selben Gerichts Anwendung findet. Eine Bindungswirkung nach § 18 Abs. 1 S. 2 Hausratsverordnung besteht nur bei einer Abgabe durch das Prozessgericht an das nach der Hausratsverordnung zuständige Familiengericht. Diese Vorschrift greift nach der Rechtsprechung des Senats zwar auch dann ein, wenn das Prozessgericht an die Familiengerichtsabteilung des gleichen Gerichts abgibt (Beschluß vom 27. Juli 1993 - 1UFH 8/93 -), gilt jedoch nicht analog für den Fall der Abgabe durch das Familiengericht an die Zivilprozessabteilung (Beschluß vom 12.11.1997 - 1 UFH 14/97 -). Soweit die Prozessgesetze eine Bindungswirkung von Abgabe- bzw. Verweisungsbeschlüssen anordnen, folgt daraus kein allgemeiner Grundsatz, dass dies auch in gesetzlich nicht geregelten Fällen so sein müsse.

Die Zuständigkeit des Familiengerichts folgt daraus, dass über einen Antrag auf Hausratsteilung zu entscheiden ist. Die Zuständigkeit des Familiengerichts nach §§ 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 GVG 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO gilt unabhängig davon, ob deutsches oder ausländisches Recht anzuwenden ist (OLG Düsseldorf FamRZ 1995, S. 1280; Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 621 Rn. 48 b). Allerdings halten die Oberlandesgerichte Köln (FamRZ 1994, S 1476), Karlsruhe (FamRZ 1997, S. 33) und Stuttgart (FamRZ 1997, S. 1085) die Zuständigkeit des Familiengerichts nur dann für gegeben, wenn das anzuwendene ausländische Recht eine entsprechende Regelung über die Verteilung von Hausratsgegeständen bei Trennung oder Scheidung nicht kennt. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Die Frage ob deutsches oder ausländisches Recht anzuwenden ist, ist nicht eine Frage der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, sondern eine Frage des vom zuständigen Gericht anzuwendenen materiellen Rechts. Der vorliegende Fall zeigt, dass die eigentliche Rechtsfrage, um die es geht, darauf hinausläuft, ob mangels einer entsprechenden Regelung im türkischen Recht auf deutsches Recht zurückzugreifen ist oder nicht. Diese Frage muß das zuständige Familiengericht prüfen. Kommt es zu der Auffassung, dass ausländisches Recht anzuwenden ist, muß es den Antrag zurückweisen (so OLG Celle, FamRZ 1999, S. 443, welches die Zuständigkeit des Familiengerichts - ausweislich des Aktenzeichens hat ein Familiensenat entschieden - nicht in Frage stellt).

Etwas anderes kann hier schließlich auch nicht deshalb gelten, weil die Antragstellerin sich in ihrem Schriftsatz vom 06.01.2000 ausdrücklich darauf beruft, dass sie die herausverlangten Gegenstände selbst aus eigenen Mitteln angeschafft habe. Hiermit hat die Antragstellerin lediglich Hilfserwägungen in das Verfahren eingeführt. In erster Linie argumentiert sie damit, dass wegen des starken Inlandsbezuges deutsches Recht anwendbar sei, womit sie offensichtlich den Hinweisen des Familiengerichts, dass die Hausratsverordnung nicht anwendbar sei, entgegentreten will.

Dr. Eschweiler Carl Noll