OLG Frankfurt vom 24.06.1999 (1 UFH 12/99)

Stichworte: Bindungswirkung der Verweisung
Normenkette: ZPO 36, FGG 5
Orientierungssatz: Die damit zu beachtende Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO entfällt nur dann, wenn die Entscheidung verfahrensrechtlich grob fehlerhaft ist, insbesondere ohne rechtliches Gehör ergangen ist, oder wenn sie inhaltlich auf Willkür beruht, also nicht mehr auf einer nachvollziehbaren Gesetzesauslegung.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In dem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Vorlage des Amtsgerichts -Familiengericht- Frankfurt am Main vom 08.06.1999 am 24.06.1999 beschlossen

Das Amtsgericht Frankfurt am Main ist örtlich zuständig.

G r ü n d e :

Die Vorlage ist gemäß § 36 Nr. 6 ZPO (der in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Verfahren nach § 5 FGG ersetzt) zulässig. Beide beteiligte Gerichte haben sich jeweils durch nach außen bekanntgegebene Entscheidung für örtlich unzuständig erklärt.

Zuständig ist das Amtsgericht Frankfurt am Main, und zwar bereits durch die Bindungswirkung gemäß §281 Abs. 2 S. 3 ZPO in entsprechender Anwendung. Zwar ist die genannte Bestimmung in dem hier gegebenen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht direkt anwendbar. Grundsätzlich sind nämlich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Abgaben und Verweisungen nicht bindend, soweit dies nicht im Einzelfall ausdrücklich anders geregelt ist (vgl. Keidel-Kahl, 13. Aufl., § 5 FGG Rdnr. 29). In Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit schließt jedoch die Ersetzung des Verfahrens nach § 5 FGG durch die Regelung des 36 ZPO auch die damit korrespondierende Verweisungsregelung nach § 281 ZPO mit ein, da nur dadurch ein sinnvolles, dem Gesetzeszweck entsprechendes, Ergebnis erzielt wird (BGHZ 71, 15, 18).

Die damit zu beachtende Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO entfällt nur dann, wenn die Entscheidung verfahrensrechtlich grob fehlerhaft ist, insbesondere ohne rechtliches Gehör ergangen ist, oder wenn sie inhaltlich auf Willkür beruht, also nicht mehr auf einer nachvollziehbaren Gesetzesauslegung. Beides trifft hier nicht zu. Der Antragsgegner hat zwar zunächst seinen Verweisungsantrag im Termin am 27.04.1999 vor dem Amtsgericht in Abwesenheit der Antragsgegnerin, deren Aufenthalt bekannt ist und die deshalb gehört werden kann, und auch ohne schriftsätzliche Vorankündigung gestellt. Ausweislich des Protokolls ist die Antragsgegnerin jedoch später zum Termin erschienen, woraus geschlossen werden kann, daß sie zu der Frage der Verweisung Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen hat.

Auch inhaltlich beruht die Entscheidung auf einer nachvollziehbaren Gesetzesauslegung. Zwar bezieht sich das Amtsgericht Frankfurt für seine Auffassung auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12.05.1992 (Rechtspfleger 1992, 435 = NJW-RR 1993, 460), in der das Gericht unter Aufgabe seiner früheren dazu vertretenen Rechtsauffassung (Rechtspfleger 1990, 647) entschieden hat, daß ein Betreuer, dessen Wirkungskreis lediglich die Aufenthaltsbestimmung umfaßt, gleichwohl wirksam einen Wohnsitz des Betreuten begründen und verändern kann. Diese Auffassung ist jedoch keinesfalls so selbstverständlich, daß sie jede andere Rechtsauffassung ausschlösse. Gegenteilig hat der Bundesgerichtshof etwa zeitgleich mit der vorgenannten zitierten Entscheidung am 27.05.1992 (NJW-RR 1992, 1154) entschieden, daß das Jugendamt als Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des im übrigen sorgeberechtigen Elternteils einen Wohnsitz zu bestimmen. Möglicherweise kann hier auch inhaltlich differenziert werden, als dem mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht betrauten Betreuer kein vorrangiger Wille eines im übrigen Sorgeberechtigten entgegensteht, wie dies im Fall eines geschäftsunfähigen Minderjährigen, der einen sorgeberechtigten Elternteil hat, der Fall ist. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Jedenfalls ergibt sich bereits aus der Übereinstimmung der Rechtsauffassung des verweisenden Amtsgerichts Seligenstadt mit einer dazu ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung, daß diese nicht auf Willkür (im objektiven Sinn) beruhen kann.

Dr. Eschweiler Noll Juncker