OLG Frankfurt vom 31.10.2000 (1 UF 96/00A)

Stichworte: Lebensverhältnisse, eheliche, Erwerbstätigkeit
Normenkette: BGB 1578, 1361
Orientierungssatz: Eine nach der Scheidung aufgenommene Erwerbstätigkeit eines Ehegatten prägt auch dann die ehelichen Lebensverhältnisse nicht, wenn dies einem zuvor gefassten Lebensplan entspricht. Dieser Lebensplan reicht danach nur aus, wenn es sich um Entwicklungen während der Trennungszeit handelt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 31.10.2000 beschlossen:

Beiden Parteien wird für die Berufungsinstanz Prozeßkostenhilfe

bewilligt, und zwar

jeweils zur Verteidigung gegen die gegnerische Berufung,

dem Beklagten für seine Anschlussberufung und

der Klägerin zu 1), soweit sie ab 01.12. monatlichen Unterhalt

in Höhe von 644,-- DM und ab 01.07.1998 einen solchen von

500,-- DM geltend macht.

Im übrigen wird den Klägern für ihre Berufung Prozesskostenhilfe verweigert.

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil vom 03.03.2000 hat das Amtsgericht den Klägern Unterhalt in gestaffelter Höhe zuerkannt, hinsichtlich des Kindesunterhalts teilweise in Abänderung vorausgegangener Titel, jeweils rückwirkend zum 01.06.1997. Die weitergehende, auf höhere Unterhaltsbeträge gerichtete Klage der Kläger hat es abgewiesen.

Gegen letzteres haben die Kläger Berufung eingelegt, mit der sie nach näherer Maßgabe ihres Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 03.05.2000 (Bl. 270 f.) Erhöhung der ausgeurteilten Beträge erstreben. Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und erstrebt im Wege der Anschlussberufung vollständige Abweisung der Klage.

Die von beiden Parteien beantragte Prozesskostenhilfe ist ihnen ohne Erfolgsprüfung zur jeweiligen Verteidigung gegen die gegnerische Berufung zu bewilligen (§ 119 ZPO).

Den Klägern kann für ihre Berufung Prozesskostenhilfe nur in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang bewilligt werden, da ihre Rechtsverfolgung nur in diesem Umfang hinreichend erfolgversprechend ist.

Der vom Gericht zugesprochene Kindesunterhalt auf der Basis eines von ihm beanstandungsfrei festgestellten Nettoeinkommens des Beklagten von 3.384,-- DM monatlich lässt einen Rechtsfehler zum Nachteil der Kläger nicht erkennen.

Den Ehegattenunterhalt hat das Amtsgericht nach der Anrechnungsmethode ermittelt, da die Klägerin zu 1), im folgenden Klägerin, ihre Erwerbstätigkeit erst in einigem zeitlichen Abstand von der Scheidung aufgenommen hat. Damit befindet es sich in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und auch derjenigen des Senats (vgl. Senat, FamRZ 1999, 1080 mit Nachweisen). Danach prägt eine nach der Scheidung aufgenommene Erwerbstätigkeit eines Ehegatten die ehelichen Lebensverhältnisse auch dann nicht, wenn dies einem zuvor gefassten Lebensplan entspricht. Dieser Lebensplan reicht danach nur aus, wenn es sich um Entwicklungen während der Trennungszeit handelt und grenzt diesen Sachverhalt von nicht prägender, trennungsbedingt aufgenommener Erwerbstätigkeit, insbesondere in Erfüllung der mit der Trennung einhergehenden Erwerbsobliegenheit, ab.

Inzwischen hat jedoch das Oberlandesgericht München (mit Urteil vom 05.03.2000, FuR 2000 1974 f. = NJW RR. 2000, 1243 f.) in bewusster Abweichung der BGH-Rechtsprechung entschieden, dass eine nach Scheidung aufgenommene oder erweiterte Erwerbstätigkeit eheprägend ist, wenn dies durch das abnehmende Betreuungsbedürfnis des Kindes möglich ist und einem während der Ehe gefassten Lebensplan entspricht. Bis zur Klärung dieser Streitfrage durch den Bundesgerichtshof kann eine dahingehende Rechtsposition, die im Urteilsfalle die Zulassung der Revision zur Folge hätte, nicht als erfolglos für die Prozesskostenhilfeprüfung angesehen werden. Der Senat geht deshalb zugunsten der Klägerin in seiner Berechnung im summarischen Verfahren von der Differenzmethode aus. Danach ergibt sich auf der Basis der Einkommensfeststellung des Amtsgerichts, die jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin enthält, folgende Unterhaltsberechnung:

Für die Zeit bis einschließlich Juni 1998 (vor Hinzutreten eines weiteren unterhaltsberechtigten Kindes):

Erwerbseinkommen des Beklagten 3.384,-- DM

abzügl. Kindesunterhalt (brutto) 570,-- DM

abzügl. Erwerbseinkommen der Klägerin 1.203,-- DM

verbleiben 1.611,-- DM

hiervon 2/5 = 644,-- DM.

Ab 01.07.1998:

Erwerbseinkommen des Beklagten 3.384,-- DM

abzügl. Kindesunterhalt für den Kläger zu 2) 514,-- DM

abzügl. Kindesunterhalt weiteres Kind 423,-- DM

abzügl. Erwerbseinkommen der Klägerin 1.203,-- DM

verbleiben 1.244,-- DM

hiervon 2/5 (rund) 500,-- DM.

Wegen der Höherforderung hat die Rechtsverfolgung der Klägerin keinen Erfolg. Ihre Berechnung basiert rechtsfehlerhaft darauf, dass sie zwar von dem Erwerbseinkommen der Klägerin den Erwerbstätigenbonus abzieht, nicht aber von demjenigen des Beklagten.

Die im Anschluß hieran durch Änderung der Tabellensätze für die Kinder bewirkten geringfügigen Änderung des Ehegattenunterhalts sollen dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben.

Ehegattenunterhalt kann die Klägerin erst ab Dezember 1997 (Rechtshängigkeit der Stufenklage) beanspruchen. Frühere Mahnungen vor Rechtskraft der Scheidung wirken nicht auf den nachehelichen Unterhalt. Die in der formlos übersandten Klageschrift zum Zwecke der Prozesskostenhilfeprüfung 1. Instanz liegende Zahlungsaufforderung entspricht nicht den Voraussetzungen einer verzugsbegründenden Mahnung. Für eine "Stufenmahnung" fehlt es an einem wesentlichen Element zur Berechnung des geschuldeten Unterhalts durch den Unterhaltsschuldner, nämlich der Mitteilung der eigenen Erwerbseinkünfte. Für die verzugsbegründete Wirkung einer Stufenmahnung ist aber unerlässlich, dass der in Anspruch genommene Unterhaltsschuldner lediglich durch Berücksichtigung der ihm bekannten Einkommensverhältnisse in der Lage ist, den geschuldeten Unterhalt zu berechnen. Dies ist bei Kindesunterhalt ohne weiteres der Fall, wenn für dessen Höhe allein das dem Unterhaltsschuldner bekannte eigene bereinigte Einkommen maßgebend ist, für Ehegattenaufstockungsunterhalt indes nur, wenn das eigene Einkommen der Unterhaltsgläubigerin ebenfalls mitgeteilt ist.

Dr. Eschweiler Carl Juncker