OLG Frankfurt vom 20.05.1998 (1 UF 92/98)

Stichworte: Kindesentführung, Rückführung, Kindeswohl
Normenkette: EGBGB Art. 19 Abs. 2 S. 1 i.V. mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 SorgeRÜEinkAusfG 8 Abs. 2 des Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetzes (vom 05.04.1990, BGBl. I S. 701)
Orientierungssatz: Gegenüber den auf Beseitigung der Folgen eigenmächtigen Vorgehens gerichteten Zielen des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1990 (BGBl. II 1990, S. 207 - Abkommen) können das Kindeswohl betreffende Einwände nur dann geltend gemacht werden, wenn der Rückführung ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls im Einzelfall entgegenstehen, die über die mit einer Rücküberstellung gewöhnlich verbundenen Schwierigkeiten hinausgehen (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 1996, 405.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend die Rückgabe (nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980) des gemeinsamen ehelichen Kindes

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Langen vom 23.03.1998 am 20.05.1998 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.000,00 DM.

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht -nach mündlicher Verhandlung und Anhörung des Kindes- antragsgemäß die Herausgabe des Kindes an die Antragstellerin zum Zweck der sofortigen Rückführung nach Frankreich angeordnet und zur Durchführung weitere Maßnahmen getroffen.

Gegen die ihm am 27.03.1998 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner am 31.03.1997 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er die Aufhebung der Entscheidung erstrebt.

Das Rechtsmittel ist nach § 8 Abs. 2 des Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetzes (vom 05.04.1990, BGBl. I S. 701) i.V. mit § 22 FGG statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache hat es aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg.

Da die Eltern unterschiedlicher Staatsangehörigkeit sind, richtet sich das Sorgerecht nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten (Art. 19 Abs. 2 S. 1 i.V. mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB). Insoweit kommt hier nach dem Akteninhalt nur Deutschland oder Frankreich in Betracht, was keiner weiteren Feststellung bedarf, da sowohl nach dem damit maßgeblichen deutschen wie französischem Recht beide Eltern vor einer abweichenden gerichtlichen Entscheidung das Sorgerecht inne haben. Die Verbringung des Kindes gegen den ausdrücklichen Willen der Mutter stellt damit eine widerrechtliche Verbringung im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1990 (BGBl. II 1990, S. 207 - Abkommen) dar. Auf die vom Antragsgegner im Rahmen des Verfahrens in den Vordergrund seiner Erwägung gestellte Frage, inwieweit der Aufenthalt des Kindes an seinen jetzigen Verbringungsort seinem Wohl entspreche, sowie auf den ausländerrechtlichen Status der Antragstellerin, kam es in diesem Verfahren nicht an. Damit wird er im -wohl bereits anhängigen- Sorgerechtsverfahren, sei es in Deutschland, sei es in Frankreich, Gehör beanspruchen können.

Gegenüber den auf Beseitigung der Folgen eigenmächtigen Vorgehens gerichteten Zielen des genannten Abkommens können das Kindeswohl betreffende Einwände nur dann geltend gemacht werden, wenn der Rückführung ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls im Einzelfall entgegenstehen, die über die mit einer Rücküberstellung gewöhnlich verbundenen Schwierigkeiten hinausgehen (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 1996, 405). Solche schwerwiegenden Gründe sind hier nicht ersichtlich. Gegen die Möglichkeit schwerwiegender Beeinträchtigung spricht bereits das Alter des Kindes von fast 14 Jahren, das zudem nach den getroffenen Feststellungen mit dem bisherigen Aufenthaltsort näher verwurzelt ist als mit seinem jetzigen Aufenthalt in Deutschland, dessen Sprache es nur unvollständig beherrscht. Das Kind selbst hat sich bei seiner Anhörung durch das Familiengericht wegen eines etwaigen Wechsels eines Aufenthaltsortes wenig bestimmt, aber jedenfalls frei von jeglicher Angst oder Panik geäußert. Selbst wenn, wie mit der Beschwerde vorgetragen, hier Mißverständnisse vorgelegen haben mögen, vielleicht auch bedingt durch Sprachprobleme, weist auch das Beschwerdevorbringen keine Gesichtspunkte auf, die im Sinne der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinreichendes Gewicht haben. Daß, wie vorgetragen, das Kind den Verbleib im Haushalt des Vaters in Deutschland vorziehen würde, reicht hier keinesfalls aus.

Auch die mit der Beschwerde vorgebrachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Das Amtsgericht hat -ihm freigestellt- mündliche Anhörung angeordnet, die -dem Verfahrensweg entsprechend (Art. 2 S. 2 des Abkommens)- kurzfristig anberaumt worden ist. In diesem Termin waren beide Eltern durch ihre bevollmächtigten Rechtsanwälte vertreten, die Antragstellerin zusätzlich persönlich anwesend. Das Amtsgericht war damit nicht gehindert, das Ergebnis dieser Anhörung bei seiner Enscheidung zu verwerten. Auch die anschließend durchgeführte Anhörung des Kindes stellt eine ordnungsgemäße Entscheidungsgrundlage dar. Daß die Eltern bei dieser Anhörung nicht zugegen waren, entspricht dem üblichen Verfahren in Sorgerechtsangelegenheiten und ist nicht zu beanstanden. Soweit der Antragsgegner rügt, daß ihm keine Gelegenheit eingeräumt worden sei, zu dem Ergebnis der Anhörung Stellung zu nehmen, ist dies gegenstandslos, da er diese Stellungnahme zusammen mit der Beschwerdebegründung nachholen konnte. Diese nunmehr vom Senat berücksichtigte Stellungnahme führt, wie ausgeführt, nicht zu einer anderweitigen Beurteilung.

Die Angabe des Antragsgegners, die Antragstellerin sei nunmehr mit dem weiteren Aufenthalt des Kindes bei ihm einverstanden, ist von dieser nicht bestätigt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 6 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes in Verbindung mit § 13 a FGG; Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 131 Abs. 3 KostO).

Dr. Eschweiler Juncker Noll