OLG Frankfurt vom 14.12.2000 (1 UF 89/00)

Stichworte: Berufungsbegründung, PKH-Gesuch
Normenkette: ZPO 519 Abs. 2, Abs. 3
Orientierungssatz: Der innerhalb der Begründungsfrist (§519 Abs.2 ZPO) eingegangene Schriftsatz mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt zugleich die erforderlichen Voraussetzungen für eine Berufungsbegründung gemäß §519 Abs.3 ZPO.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschweiler, die Richterin am Oberlandesgericht Michalik und den Richter am Oberlandesgericht Juncker im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung aufgrund der bis 21.11.2000 gewechselten Schriftsätze für Recht erkannt:

Das am 17.02.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Groß-Gerau wird abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von September 1999 bis einschließlich September 2000 -insoweit in Abänderung des Vergleichs vor dem Amtsgericht Langen vom 24.03.1993 (6 F 161/92)- Unterhalt in Höhe von monatlich 551 DM zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 7/8, die Klägerin 1/8.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungswert wird auf 2.814 DM festgesetzt.

Tatbestand

Mit dem im Urteilstenor näher bezeichneten Vergleich hat sich der jetzige Beklagte verpflichtet, an die Klägerin, seine am 31.7.1992 rechtskräftig geschiedene Ehefrau, monatlich 350 DM nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Die Klägerin war damals wie auch schon vorher zur Zeit der Scheidung teilschichtig erwerbstätig und betreute im übrigen das am 18.5.1989 geborene gemeinsame Kind Aykan Akin.

Mit ihrer Abänderungsklage hat die Klägerin Erhöhung des Unterhalts auf monatlich 551 DM begehrt, und zwar (nach dahingehender Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Amtsgericht) ab 8.5.1999.

Der Unterhalt des erstinstanzlich aus dem Rechtstreit ausgeschiedenen Kindes ist -in Abänderung einer Jugendamtsurkunde-durch Teil-Anerkenntnisurteil (vom 1.9.99) auf 445 DM monatlich festgestellt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Auf der Basis der von der Klägerin vorgetragenen aktuellen Einkommensverhältnisse ergebe sich kein höherer als durch den Vergleich titulierter Unterhalt, da die von ihr zur Bereinigung ihres Einkommens eingewendeten Kosten für Nachhilfe und Musikunterricht für das Kind zum Bedarf des Kindes gehörten und nur von diesem -als Teil des Kindesunterhalts- geltend gemacht werden könnten.

Gegen dieses ihr am 1.3.2000 zugestelle Urteil hat die Klägerin am 3.4.2000, einem Montag, Berufung eingelegt und am 20.4.2000 um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Diese ist ihr mit Senatsbeschluss vom 24.7.2000 bewilligt worden. Im Laufe des Berufungsverfahrens haben die Parteien am 22.9.2000 einen Teilvergleich über Erhöhung des Kindesunterhalts um Mehrbedarf für Nachhilfe, Musikschule und Schwimmunterricht, beginnend ab 1.10.2000 geschlossen und im Hinblick hierauf den Rechtsstreit für die Zeit von da an für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung, soweit nicht erledigt, zurückzuweisen.

Er rügt die Berufung als verfristet, da der Schriftsatz mit Prozesskostenhilfeantrag nicht den Erfordernissen einer Berufungsbegründung entspreche und nach Prozesskostenhilfebewilligung nicht rechtzeitig Wiedereinsetzung unter Nachholung der Prozesshandlung beantragt worden sei.

In der Sache verteidigt er das angefochtene Urteil.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Der innerhalb der Begründungsfrist (§519 Abs.2 ZPO) eingegangene Schriftsatz mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt zugleich die erforderlichen Voraussetzungen für eine Berufungsbegründung gemäß §519 Abs.3 ZPO. Er ist von einer bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwältin unterzeichnet und lässt den Umfang der Anfechtung des Urteils sowie die Gründe hierfür, nämlich die Aufwendungen der Klägerin für Nachhilfe und Musikschule als Abzugspositionen von ihrem im übrigen unstreitigen Erwerbseinkommen, erkennen. Im Zweifel ist anzunehmen, dass ein wie hier den formalen Voraussetzungen einer Berufungsbegründung entsprechendes Prozesskostenhilfe-Gesuch zugleich als Berufungsbegründung dienen soll, wenn nicht ein anderer Wille des Rechtsmittelführers erkennbar ist (BGH FamRZ 89,269).

Die Berufung ist, soweit nicht durch den Teilvergleich der Parteien in der Hauptsache erledigt, auch begründet. Wie der Senat in seinem Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss bereits aufgeführt hat, sind die an sich dem Bedarf des Kindes zuzurechnenden Aufwendungen für Nachhilfe etc. als Abzugspositionen von dem Erwerbseinkommen der Klägerin berücksichtigungsfähig, nachdem klargestellt ist, dass diese Aufwendungen von ihr mit Erfüllungswirkung dem Kind zugutegekommen sind und der Beklagte damit von einer Inanspruchnahme durch das Kind freigestellt worden ist. Der Senat hält nach nochmaliger Überprüfung unter Prüfung der Ausführungen des Beklagten hierzu an dieser Rechtsauffassung fest.

Die Höhe der Aufwendungen ist für den (verbleibenden) Beurteilungszeitraum hinreichend nachgewiesen.

Damit ergibt sich für den hier interessierenden Zeitraum folgende Unterhaltsberechnung:

Erwerbseinkommen des Beklagten 3.675,00 DM

abzüglich Gewerkschaftsbeitrag 29,00 DM

abzüglich Fahrtkosten (Beitrag Job-Ticket) 22,50 DM

abzüglich Kindesunterhalt (brutto) 570,00 DM

3.053,50 DM

hiervon 2/5 als Bedarf der Klägerin 1.221,40 DM

hierauf anzurechnen

Erwerbseinkommen der Klägerin 1.137,49

abzüglich Gewerkschaftsbeitrag 12,74

abzüglich Fahrtkosten 53,00

abzüglich Nachhilfe pp. mindestens 235,00

836,75

hiervon 4/5 (Erwerbstätigenbonus) = 669,40 DM

restlicher Bedarf 552,00 DM

Damit ist das mit der Klage verfolgte Erhöhungsbegehren jedenfalls gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 91a ZPO, letzteres aus der Erwägung, dass die Klageforderung ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich erfolgreich grewesen wäre. Die Kostenbelastung der Klägerin resultiert aus der Zuvielforderung für den Zeitraum vor September 1999.

Die angeregte Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Berufungswert: 551 - 350 = 201 x (12 + 2 =) 14 = 2.814 (§§ 17 Abs.1 und 4 GKG)

Dr. Eschweiler Michalik Juncker