OLG Frankfurt vom 13.01.2003 (1 UF 87/02)

Stichworte: Anschlußberufung, Kosten
Normenkette: ZPO 515 a.F., 521 a.F. ZPO 516 a.F., 524 n.F.
Orientierungssatz: Wird eine unzulässige Hauptberufung als unselbständige Anschlußberufung weitergeführt und nimmt sodann die Gegenseite ihre Hauptberufung zurück, sind die Kosten des Berufungsverfahrens nach dem Wert der wechselseitigen Berufungen zu quoteln

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - Einzelrichter - auf den Antrag der Beklagten vom 20. September 2002 am 13. Januar 2003 beschlossen:

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte zu 4/7, der Kläger zu 3/7 zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluß wird zugelassen.

Gründe:

Gegen ein am 19. Dezember 2001 verkündetes Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Langen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten ging erst nach Ablauf der Berufungsfrist ein. Der Senat hat einen Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten mit Beschluß vom 5. August 2002 zurückgewiesen. Die Beklagte hat erklärt, dass ihre Berufung als unselbständige Anschlussberufung fortgeführt werden soll. Der Kläger hat seine Berufung vor der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren zurückgenommen.

Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat wie folgt festgesetzt:

a) Berufung des Klägers 8.316,67 EUR

b) Anschlussberufung der Beklagten 11.295,46 EUR

c) Gesamtwert des Berufungsverfahrens 11.295,46 EUR.

Die Beklagte beantragt, den Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

Auf den Antrag der Beklagten war über die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens durch den Einzelrichter dem die Sache zur Vorbereitung der Entscheidung zugewiesen war, zu entscheiden (§§ 515 Abs. 3, 524 Abs. 3 Nr.6 ZPO in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung i.V.m. Art. 26 Nr. 5 EGZPO).

Die Kosten waren entsprechend § 92 ZPO entsprechend dem Wert der beiderseitigen Berufungen verhältnismäßig zu teilen, wobei auf die Einzelwerte der beiden Berufungen, die in der Summe den Gesamtwert der Berufung übersteigen, abzustellen war. Nach nahezu einhelliger Meinung sind zwar die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens dem Hauptberufungskläger aufzuerlegen, wenn unselbständige Anschlussberufung der Gegenseite eingelegt war und der Hauptberufungskläger seine Berufung zu einem Zeitpunkt zurückgenommen hat, zu dem eine Zustimmung des Gegners zur Rücknahme der Hauptberufung nicht erforderlich war (Zöller/Gummer ZPO, 22. Aufl., § 524 Rdnr. 43 m.w.N.; a.a. Senat FamRZ 1989, Seite 993 sowie OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen FamRZ 1995, Seite 945). Im vorliegenden Fall liegt jedoch die Besonderheit vor, dass die Klägerin nicht eine zunächst zulässige unselbständige Anschlussberufung eingelegt hatte. Vielmehr hatte sie eine eigene Hauptberufung eingelegt, die jedoch wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig war und nur deshalb als unselbständige Anschlussberufung fortgeführt worden ist. Welche Kostenfolge die Rücknahme der zulässigen Hauptberufung in dieser Fallkonstellation hat, wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgericht unterschiedlich beantwortet. Während das OLG München (NJW RR 1996, Seite 1280) und das OLG Odenburg (MDR 2002, Seite 1208) auch in diesem Fall dem Hauptberufungskläger, der seine Berufung zurückgenommen hat, die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt, verteilen der 5. Familiensenat des OLG Frankfurt am Main (NJW RR. 1987, Seite 1087) und das OLG Stuttgart (OLG Report Karlsruhe-Stuttgart 2000, Seite 58) die Kosten anteilig nach dem Verhältnis der Werte von Berufung und Anschlussberufung.

Der Senat tritt der letztgenannten Auffassung bei. Die verspätete selbständig eingelegte Berufung war ein selbständiges - allerdings unzulässiges - Rechtsmittel. Es war anders als eine von Anfang an eingelegte unselbständige Anschlussberufung, nicht nur ein angriffsweise wirkender Antrag innerhalb des vom Rechtsmittelkläger eingelegten Rechtsmittels (BGHZ 4, Seite 229, 235). Die Partei, die von vorneherein nur unselbständige Anschlussberufung eingelegt hat, greift das erstinstanzliche Urteil in zulässiger Weise an. Dieser Angriff wird ihr durch die Entscheidung der Gegenseite, die eigene Hauptberufung zurückzunehmen, aus der Hand genommen. Hierin liegt der rechtfertigende Grund dafür, diese Partei ganz von einer Kostenbelastung freizustellen. Der Berufungskläger, der zunächst eine unzulässige Hauptberufung einlegt, verdient diesen Schutz nicht. Die Umdeutung seiner Berufung in eine unselbständige Anschlussberufung bzw. deren entsprechende Weiterführung auf ausdrückliche Erklärung schützt ihn vor der Verwerfung als unzulässig. Es besteht jedoch kein Anlaß, ihn im nachhinein so zu stellen, als hätte er von vornherein nur einen zulässigen Rechtsbehelf ergriffen.

Da die Frage, welche Kostenentscheidung in dieser Fallkonstellation zu treffen ist, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte unterschiedlich beantwortet ist, war die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Noll