OLG Frankfurt vom 09.08.2000 (1 UF 8/00)

Stichworte: Realsplitting, Zustimmung, Sicherheitsleistung
Normenkette: ZPO 273 Abs. 2 Nr. 2 EstG 2 Abs. 1

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Carlals Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2000 für Recht erkannt:

Das am 26.11.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main wird abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, der Durchführung des begrenzten Realsplittings für die Veranlagungsjahre 1991 bis einschließlich 1998 zuzustimmen Zug- um-Zug gegen die Erklärung des Klägers, die Beklagte von den durch die Durchführung des begrenzten Realsplittings entstehenden steuerlichen Nachteilen freizustellen und ihr hierfür Sicherheit zu leisten, und zwar für das Veranlagungsjahr 1991 in Höhe von 300,-- DM, für 1992 in Höhe von 3.000,-- DM, für 1993 in Höhe von 3.000,-- DM, für 1994 in Höhe von 1.800,-- DM, für 1995 in Höhe von 1.200,-- DM, für 1996 in Höhe von 400,-- DM, für 1997 in Höhe von 400,-- DM und für 1998 in Höhe von 300,-- DM. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die jeweilige Sicherheit durch eine unbeschränkte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, einer Volks- oder Raiffeisenbank oder eine öffentlichen Sparkasse zu leisten.

Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits haben der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren über die Verpflichtung der Beklagten, der Durchführung des begrenzten Realsplittings für die Veranlagungsjahre 1991 bis einschließlich 1998 zuzustimmen.

Die am 23.07.1965 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Familiengerichts Frankfurt am Main vom 13.03.1990 rechtskräftig geschieden. Mit Teilurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 17.02.1992 (1 F 277/90) wurde die Beklagte zur Unterzeichnung der in ihrem Besitz befindlichen Anlagen "U" für die Veranlagungsjahre 1988 und 1989 verpflichtet. In einem weiteren Verfahren wurde der Kläger durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17.03.1994 (1 UF 182/93) verurteilt, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1.400,-- DM für die Zeit von Mai 1991 bis Juni 1992 und von 1.600,-- DM ab Juli 1992 zu zahlen. Aufgrund dieses Urteils zahlte der Kläger an die Beklagte im Jahr 1994 einen Unterhalt von insgesamt 67.600,-- DM, wobei er hiervon einen Teilbetrag von 40.163,50 DM unmittelbar an das Sozialamt der Stadt Frankfurt am Main zum Ausgleich von in den Jahren 1991 bis 1993 auf Darlehensbasis geleisteter Hilfe zum Lebensunterhalt zahlte. Der Gesamtbetrag von 67.600,-- DM ergab sich aus dem nach dem Urteil der Beklagten geschuldeten Unterhalt für 1991 in Höhe von 11.200,-- DM (8 x 1.400,-- DM), für 1992 in Höhe von 18.000,-- DM (6 x 1.400,-- DM plus 6 x 1.600,-- DM) sowie für 1993 und 1994 in Höhe von jeweils 19.200,-- DM (12 x 1.600,-- DM). Auch in den Folgejahren von 1995 bis einschließlich 1998 zahlte der Kläger den ausgeurteilten Unterhalt in Höhe von jährlich 19.200,-- DM an die Beklagte.

Mit Schreiben vom 30.06.1998 forderte die Beklagte den Kläger auf, die ihr durch die Durchführung des begrenzten Realsplittings entstandenen steuerlichen Nachteile für das Jahr 1990 in Höhe von insgesamt 848,12 DM zu erstatten. Mit Fax vom 24.02.1999 verlangte die Beklagte auch den Ausgleich steuerlicher Nachteile für das Jahr 1989 in Höhe von 1.179,42 DM. Nachdem der Kläger die Ausgleichszahlungen insgesamt abgelehnt hatte, hat die Beklagte im Wege der Widerklage den Gesamtbetrag von 2.027,54 DM begehrt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 22.10.1999 hat der Kläger den Anspruch auf Ausgleich für das Jahr 1989 in Höhe von 1.179,42 DM anerkannt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Beklagte verurteilt, der Durchführung des begrenzten Realsplittings für die Veranlagungsjahre 1991 bis einschließlich 1998 zuzustimmen Zug-um-Zug gegen die Freistellung von den ihr hierdurch entstehenden steuerlichen Nachteilen. Darüber hinaus hat es den Kläger und Widerbeklagten zur Zahlung von 2.027,54 DM nebst 4 % Zinsen ab 26.02.1999 an die Beklagte verurteilt. Der Anspruch auf Unterzeichnung der Anlage "U" sei nicht verwirkt und bestehe auch für die Veranlagungsjahre 1991 bis 1993, und zwar jeweils Zug-um-Zug gegen die Freistellung der sich hieraus ergebenden Steuerlast. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung seitens des Klägers bestehe jedoch keine Veranlassung. Die Widerklage sei ebenfalls begründet. Der Kläger schulde der Beklagten den Ausgleich für das Jahr 1989 aufgrund Anerkenntnisses. Auch für 1990 habe die Beklagte den ihr entstandenen Steuernachteil nachgewiesen. Der Kläger sei nicht berechtigt, gegen ihren Ausgleichsanspruch mit einem Rückforderungsanspruch aus überzahltem Unterhalt aufzurechnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfogt die Beklagte ihren Anspruch auf Klageabweisung uneingeschränkt fort. Sie ist der Auffassung, der Klageanspruch sei verwirkt. Für eine Unterzeichnung der Anlage "U" für die Jahre 1991 bis 1993 bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger in diesen Jahren keinen Unterhalt gezahlt habe, dieser vielmehr erst im Jahr 1994 für die zurückliegenden Jahre geleistet worden sei. Selbst wenn die Beklagte zur Unterzeichnung der Anlage "U" verpflichtet sein sollte, sei der Kläger in jedem Fall zur Sicherheitsleistung verpflichtet.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der seine auf die Widerklage erfolgte Verurteilung zur Zahlung von 2.027,54 DM nicht angefochten hat, beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Weder sei der Klageanspruch verwirkt noch das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterzeichnung der Anlage "U" für die Jahre 1991 bis 1993 entfallen. Die Beklagte könne auch keine Sicherheitsleistung des Klägers für die entstehenden steuerlichen Nachteile verlangen. Ein Ausgleichsanspruch für 1990 bestehe nicht, da der ursprünglich gegen die Beklagte ergangene Steuerbescheid vom 11.03.1994 wieder aufgehoben und der gezahlte Betrag von 848,12 DM wieder zurückgezahlt worden sei.

Das Gericht hat gemäß § 273 Abs. 2 Ziffer 2. ZPO eine Auskunft bei dem Finanzamt Frankfurt am Main eingeholt. Auf die erteilten Auskünfte des Finanzamtes Frankfurt am Main IV vom 16.05.2000 und Frankfurt am Main II vom 14.06.2000 wird Bezug genommen.

Von einer weitergehenden Wiedergabe des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung des Einzelrichters einverstanden erklärt (§ 524 Abs. 4 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die alle Form- und Fristerfordernisse wahrende Berufung hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger der Beklagten für die Freistellung von den durch die Durchführung des begrenzten Realsplittings entstehenden steuerlichen Nachteilen der Beklagten Sicherheit zu leisten hat. Im übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Im Rahmen des zwischen den geschiedenen Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses besteht eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Nebenpflicht des unterhaltsberechtigten Ehegatten, dem sogenannten begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzustimmen, wenn der Unterhaltspflichtige die finanziellen Nachteile ausgleicht, die dem Berechtigten daraus erwachsen (vgl. BGH, FamRZ 1983, S. 576 ff.; stRspr.). Danach ist die Beklagte zur Erteilung der Zustimmung Zug-um-Zug gegen die bindende Erklärung des Klägers verpflichtet, sie von den ihr entstehenden steuerlichen Nachteilen freizustellen. Der Anspruch des Klägers auf Zustimmung der Beklagten ist auch nicht verwirkt. Auf die Gefahr einer Mitwirkung an, -nach ihrer Behauptung wahrheitswidrigen- Steuererklärungen des Klägers kann sich die Beklagte nicht berufen, da sie nicht dessen Steuererklärung, sondern die dieser beizufügende Anlage "U" unterzeichnen muß. Damit entfällt auch der Einwand der Beklagten, der Kläger könne, wie dies angeblich früher nach ihrer Mitwirkung an gemeinsamen Steuererklärungen der Parteien geschehen sei, Daten aus dem Leben der Beklagten zu deren Nachteil und zur Täuschung der Behörden nutzen. Auch die Tatsache, dass der Kläger die Zustimmung der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 16.09.1998 verlangt habe, rechtfertigt nicht die Annahme, das sein Anspruch verwirkt sei. Abgesehen davon, dass die entsprechende Zustimmung für die Veranlagungsjahre 1995 und 1996 unstreitig bereits mit Schreiben des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 05.08.1997 verlangt worden ist, konnte die Beklagte nach ihrer vorangehenden Verurteilung zur Unterzeichnung der Anlage "U" für die Jahre 1988 und 1989 durch das Teilurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 17.02.1992 nicht darauf vertrauen, dass sie nicht auch für die Folgejahre auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting in Anspruch genommen würde.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Unterzeichnung der Anlage "U" für die Veranlagungsjahre 1991, 1992 und 1993 nicht entfallen, weil der Kläger den Unterhalt für diese Jahre unstreitig erst nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17.03.1994 rückwirkend bezahlt hat. Derartige Unterhaltszahlungen, die ein steuerpflichtiger zwangsläufig für zurückliegende Jahre entrichten muß, sind nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (NJW 1967, S. 1632) nach § 33 EStG zu berücksichtigen, und zwar für jedes Jahr in der nach § 33 a Abs. 1 EStG in Betracht kommenden Höhe. Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf ein Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 18.12.1996 (EFG 1997, S. 657 f.) beruft, steht jedenfalls fest, daß die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit der im Jahr 1994 für die zurückliegenden Jahre geleisteten Unterhaltszahlungen nicht von den Familiengerichten, sondern von dem zuständigen Finanzamt bzw. von den Finanzgerichten zu entscheiden ist. Um dem steuerpflichtigen Ehegatten eine Klärung dieser Frage zu ermöglichen und ihm die Aussicht auf Verminderung seiner Steuerlast zu erhalten, ist es dem anderen Ehegatten auch in solchen Fällen zuzumuten, an der Durchführung des begrenzten Realsplittings mitzuwirken (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, S. 1049 f.). Der Gefahr, die Anlage "U" unrichtig auszufüllen, kann die Beklagte dadurch begegnen, dass sie die jeweiligen Anlagen für die betreffenden Veranlagungsjahre mit dem Zusatz unterschreibt, dass die betreffenden Beträge erst im Jahr 1994 an sie bzw. das Sozialamt bezahlt worden seien.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann die Beklagte ihre Zustimmung allerdings von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Zwar ist eine verbindliche Verpflichtungserklärung des Unterhaltsschuldners zur Freistellung des Unterhaltsgläubigers im Regelfall angemessen und ausreichend. Soweit allerdings konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Unterhaltsschuldner nicht bereit oder in der Lage sein wird, eine Verpflichtung zur Freistellung des Unterhaltsberechtigten von den ihm entstehenden steuerlichen Nachteilen - unverzüglich nach Festsetzung der Steuer des Berechtigten - einzubehalten, kommt eine Verurteilung des Unterhaltsempfängers zur Abgabe der Zustimmungserklärung Zug-um-Zug gegen Sicherheitsleistung durch Hinterlegung eines Betrages in Höhe der zu erwartenden steuerlichen (Mehr-) Belastung des Unterhaltsempfängers in Betracht (BGH, FamRZ 1983, 576,578; stRspr). Insoweit war zu berücksichtigen, dass der Kläger die von der Beklagten geltend gemachten Steuernachteile in Höhe von 848,12 DM für deren Zustimmung zum begrenzten Realsplitting für das Veranlagungsjahr 1990 erst nach der im Ausgangsverfahren erfolgten rechtskräftigen Verurteilung im März 2000 ausgeglichen hat. Der mit außergerichtlichem Schreiben vom 30.06.1998 geltend gemachten Ausgleichsforderung war der Kläger zunächst mit der - unzulässigen (vgl. hierzu: BGH, FamRZ 1997, S. 544 ff.) - Erklärung entgegen getreten, dass er gegen den Erstattungsanspruch mit angeblichen Ansprüchen aus überzahlten Unterhalt aufrechne. Sodann hatte der Kläger die Zahlung des Erstattungsbetrags mit der Behauptung verweigert, der der Ausgleichsforderung zugrundeliegende Steuerbescheid vom 11.03.1994 sei nachträglich aufgehoben und der von der Beklagten bezahlte Betrag an diese zurückgezahlt worden. Diese Behauptung hat sich jedoch aufgrund der im Berufungsverfahren eingeholten Auskünfte des Finanzamts Frankfurt am Main IV vom 16.05.2000 und des Finanzamts Frankfurt am Main II vom 14.06.2000 als falsch herausgestellt. Bei diesem Ablauf ist zu besorgen, dass der Kläger seine Verpflichtung zum Ausgleich der finanziellen Nachteile auch für die folgenden Veranlagungsjahre nicht oder nicht rechtzeitig erfüllen wird. Die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung erscheint auch nicht etwa deshalb unbillig, weil nicht sichergestellt sei, dass die Beklagte die auszugleichenden steuerlichen Nachteile dem Kläger zeitnah bekannt geben werde. Der Kläger ist nämlich befugt, die zu leistenden Sicherheit durch eine unbeschränkte und selbstschuldnerische Bürgschaft zu erbringen, wobei das Gericht die Höhe der jeweils zu erbringenden Sicherheitsleistung unter Zugrundelegung der für die einzelnen Veranlagungsjahre geltenden Einkommensteuertabellen aufgrund der zu erwartenden steuerlichen Belastung der Beklagten festgelegt hat. Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass die Höhe der für die einzelnen Jahre zu leistenden Sicherheit im wesentlichen mit den zu erwartenden steuerlichen Belastungen der Beklagten übereinstimmt, zu deren Erstattung der Kläger verpflichtet ist.

Die Verteilung der Kosten für beide Rechtszüge entspricht den beiderseitigen Unterliegensquoten (§§ 92, 97 ZPO), wobei das Gericht die Verpflichtung des Klägers zur Erbringung einer Sicherheitsleistung mit 1/5 des vom Amtsgericht zutreffend mit 8.000,-- DM geschätzten wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Erteilung der Zustimmung der Beklagten zum begrenzten Realsplitting (§ 3 ZPO) bemessen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 711, 713 ZPO.

Carl