OLG Frankfurt vom 10.05.2000 (1 UF 66/00)

Stichworte: PKH, Berufungsfrist, Wiedereinsetzung Unterhaltsverzicht, sittenwidriger Gläubigeranfechtungsgesetz
Normenkette: BGB 138 Abs. 1, 134
Orientierungssatz: Zur Wirksamkeit eines Unterhaltsverzichts bei Absicht der Gläubigerbenachteiligung; Rechtzeitigkeit eines PKH-Antrags für eine Berufung

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag des Klägers vom 24.02.2000 am 10.05.2000 beschlossen:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Bad Schwalbach vom 13.01.2000 - 1 F 715/98 - wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 13.01.2000, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 25.01.2000, eine Klage des Klägers auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 24.02.2000, beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingegangen am 28.02.2000, hat der Kläger Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer Berufung gegen das Urteil vom 13.01.2000 beantragt. Auf die am 08. März 2000 abgesandte Mitteilung, dass der Prozesskostenhilfeantrag am 28.02.2000 beim Oberlandesgericht eingegangen war, hat der Kläger mit einem am 21. März 2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung beantragt, dass der Schriftsatz vom 24.02.2000 noch am gleichen Tag so rechtzeitig zur Post gegeben worden sei, dass sein Eingang am 25.02.2000 beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu erwarten gewesen wäre.

Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist kein Raum, da der Kläger keine der in § 233 ZPO genannten Fristen versäumt hat. Ist eine Partei wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage, auf eigene Kosten ein Berufungsverfahren durchzuführen, so kann ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn sie innerhalb der Berufungsfrist einen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrag für die Durchführung einer Berufung einreicht. Die Berufungsfrist ist hier am 25.02.2000 abgelaufen, einem Freitag. Der Prozesskostenhilfeantrag ging erst am Montag, den 28.02.2000 bei Gericht ein, und damit erst nach Ablauf der Berufungsfrist. Hierin liegt keine Versäumung einer Notfrist, da es sich nicht um die eigentliche Berufungsfrist handelt, sondern um die rechtzeitige Anbringung eines Prozesskostenhilfegesuches. Reicht es dem Antragsteller nicht zum Verschulden, dass sein Prozesskostenhilfeantrag erst nach Ablauf der Berufungsfrist bei Gericht eingeht, so steht die Fristversäumung einer Prozesskostenhilfebewilligung und einer ihr nachfolgenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist nicht entgegen, wenn das Prozesskostenhilfegesuch innerhalb der Frist des § 234 ZPO unter Darlegung der Gründe, weshalb die Fristversäumung unverschuldet war, nachgeholt wird (Zöller, ZPO 21. Auflage § 233, Rn. 23, Stichwort Prozesskostenhilfe). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es in diesem Fall nicht.

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Frist unverschuldet versäumt hat. Prozesskostenhilfe kann ihm schon deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils keine Aussicht auf Erfolg bietet. Das Vorbringen im Prozesskostenhilfeantrag vom 24.02.2000 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Mit dem Amtsgericht ist nach wie vor davon auszugehen, dass der vereinbarte Unterhaltsverzicht wirksam ist. Die Unwirksamkeit des Verzichts auf Trennungsunterhalt und die Formunwirksamkeit der Vereinbarung über den Versorgungsausgleich steht der Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts für die Zeit nach der Scheidung nicht entgegen, da die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass die vertraglichen Vereinbarungen voneinander unabhängig sind und die Unwirksamkeit einer der Vereinbarungen die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen nicht berührt. Die Klägerin behauptet auch nicht, dass die Parteien diese Rechtsfolge entgegen dem klaren Wortlaut des Vertrages nicht gewollt hätten. Wenn die Parteien eine solche Vertragsklausel aufgenommen haben, ohne sich etwas dabei zu denken, müssen sie sich daran festhalten lassen.

Zu Recht hat das Amtsgericht auch festgestellt, dass der vereinbarte Unterhaltsverzicht nicht deshalb unwirksam ist, weil er mit Blick auf künftigen Sozialhilfebezug des Klägers vereinbart worden wäre. Ein Unterhaltsverzicht ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Verzicht zwangsläufig mit der Folge verbunden ist, dass der Verzichtende der Sozialhilfe anheim fällt (BGH FamRZ 1983 Seite 137, 139). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH FamRZ 1991 Seite 306, 307). Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon hätten ausgehen müssen, dass der Kläger Sozialhilfe würde in Anspruch nehmen müssen. Er hatte zwar einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt. Gleichwohl hat er unmittelbar nach dem Vertragsschluss einen erneuten Versuch gestartet, sich in Mallorca eine selbständige Existenz aufzubauen, wie er selbst im Trennungsunterhaltsverfahren 1 F 555/96 beim Amtsgericht Bad Schwalbach am 30.03.1998 zu Protokoll erklärt hat. Sozialhilfe hat er dann erst im Jahr 1996 zunächst vorübergehend bezogen und danach in der Dominikanischen Republik versucht als Selbständiger Fuß zu fassen. Vor diesem Hintergrund konnte gerade nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zwangsläufig aufgrund des Unterhaltsverzichtes Sozialhilfe beziehen würde.

Wenn wesentliches Motiv für den Abschluss des Unterhaltsverzichtes war, zu verhindern, dass Gläubiger des Klägers auf seine Unterhaltsforderungen bzw. auf geleisteten Unterhalt zugreifen könnten, so begründet dies nicht die Annahme einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Bei Rechtshandlungen, deren Zweck im wesentlichen darin besteht, Gläubiger zu benachteiligen, regeln die Sondervorschriften des Anfechtungsgesetzes grundsätzlich abschließend, unter welcher Voraussetzung die Gläubiger geschützt werden. Die allgemeinen Bestimmungen der §§ 134, 138 Abs. 1 BGB kommen daneben nicht zur Anwendung, sofern das Rechtsgeschäft nicht besondere über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist (BGH NJW 1993 Seite 2041). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Wenn die Parteien mit einem Unterhaltsverzicht verhindern wollten, dass Unterhaltsleistungen der Beklagten im wesentlichen nicht der Sicherung des Lebensbedarfs des Klägers zugute kommen würden, sondern durch den Zugriff von Gläubigern zur Tilgung von dessen Schulden Verwendung finden würden, so verstößt dies nicht gegen die guten Sitten. Zweck des Unterhalts ist gerade nicht die Tilgung von Schulden des Bedürftigen, sondern die Sicherung seines Lebensunterhalts.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung entfallen wäre. Die Vereinbarung ist während der Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens beim Amtsgericht Hohenstein - Ernstthal - getroffen worden. Selbst wenn dieses Scheidungsverfahren zeitweise nicht betrieben wurde und die Parteien zwischenzeitlich zeitweise wieder zusammen gelebt haben, ist nicht ersichtlich, dass allein deshalb die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung weggefallen sei. Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen der Parteien der Vertrag nur gelten sollte, wenn es alsbald aufgrund des eingeleiteten Scheidungsverfahrens zu einer Scheidung kommen würde, bestehen nicht.

Dr. Eschweiler Carl Noll