OLG Frankfurt vom 29.07.1999 (1 UF 50/99)

Stichworte: Abweisung der Klage durch ein ausländisches Gericht Recht zur erneuten Erstklage im Inland
Normenkette: ZPO 323
Orientierungssatz: Urteile, mit denen ein Anspruch auf künftigen Unterhalt abgewiesen wird, haben nur eine begrenzte Bindungswirkung. Ist etwa der Anspruch wegen fehlender Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers oder fehlender Leistungsfähigkeit des Schuldners abgewiesen worden, liegt darin keine in die Zukunft reichende Prognose, deren Unrichtigkeit nur unter den besonderen Voraussetzungen der Abänderungsklage angegriffen werden kann (BGH FamRZ 1985,376 m.Nachw.).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 1.Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr.Eschweiler und die Richter am Oberlandesgericht Juncker und Noll aufgrund der müdlichen Verhandlung am 24.6.1999 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14.1.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Rüsselsheim im Kostenpunkt dahin abgeändert, daß die Kosten des ersten Rechtszuges gegeneinander aufgehoben werden. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte 4/5 und die Klägerin 1/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungswert (Gebührenstreitwert) wird auf 2.493 DM festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt in Höhe von, jeweils monatlich und über durch Jugendamtsurkunde titulierte 250 DM monatlich hinaus:

210 DM vom 01.8.1997 bis zum 30.6.1998
BR 183 DM vom 01.07. bis 31.12.1998 und
BR 168 DM ab 01.01.1999,

unter Abweisung der weitergehenden auf laufend 220 DM ab 1.3.1997 und 3.080 DM Rückstand für die Zeit von Januar 1996 bis Februar 1997 gerichteten Klage.

Mit seiner Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil erstrebt der Beklagte deren völlige Abweisung. Er beantragt,

unter Abänderung des angefochten Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat -mit Zustimmung des Beklagten- die Klage insoweit zurückgenommen, als sie die Zeit bis einschließlich Januar 1998 betrifft. Im übrigen beantragt sie,

die Berufung zurückzuweisen.

Von der weitergehenden Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat, soweit sie nach teilweiser Rücknahme der Klage noch zur Beurteilung ansteht, keinen Erfolg.

Die vom Beklagten gegen seine Verurteilung erhobene Verfahrensrüge anderweitiger Rechtskraft greift nicht durch. Danach sei die Klägerin durch das formell rechtskräftige Urteil des Berufungsgerichts Fes in Marokko vom 29.1.1998, mit dem (auch) die Klage auf Kindesunterhalt abgewiesen worden sei, daran gehindert, ihren Unterhaltsanspruch nochmals klageweise geltend zu machen. Dies trifft nach dem vorgetragenen Inhalt dieser Entscheidung, deren Anerkennungsfähigkeit und damit Wirksamkeit im Inland gegen die angedeuteten Zweifel der Klägerin zu Gunsten des Beklagten als richtig unterstellt, nicht zu.

Urteile, mit denen ein Anspruch auf künftigen Unterhalt abgewiesen wird, haben nur eine begrenzte Bindungswirkung. Ist etwa der Anspruch wegen fehlender Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers oder fehlender Leistungsfähigkeit des Schuldners abgewiesen worden, liegt darin keine in die Zukunft reichende Prognose, deren Unrichtigkeit nur unter den besonderen Voraussetzungen der Abänderungsklage angegriffen werden kann (BGH FamRZ 1985,376 m.Nachw.). In einem solchen Fall kann jederzeit mit dem Vortrag, Bedarf sei nunmehr gegeben, neue (Erst-)Klage erhoben werden (vgl. Zöller/Vollkommer, 21. Aufl., § 323 ZPO Rdnr. 22 m.N.). In den vorgelegten marokkanischen Urteilen ist, soweit die Qualität der Übersetzung überhaupt eine Interpretation zuläßt, der Unterhaltsanspruch deshalb abgelehnt worden, da der Beklagte den Nachweis geführt hat, bisher laufend den geschuldeten Unterhalt zu erbringen. Dies steht möglicherweise in Zusammenhang damit, daß nach der Wiedergabe des Unterhaltsbegehrens erster Instanz in dem Berufungsurteil (Bl.114 unten) die Ehefrau Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt ab 1989 "bis zur Scheidung" verlangt. Dann wäre die hier zu beurteilende Zeit nach der Scheidung hiervon ohnehin nicht umfaßt. Jedenfalls stellt dies keine rechtskraftfähige und damit Bindungswirkung entfaltende Prognose künftiger Verhältnisse, die einer erneuten Klage entgegenstehen könnte, dar.

Dabei ist allerdings in Betracht zu ziehen, daß dies erst für die Zeit nach der Entscheidung gelten könnte, da bis dahin die Begründung der Abweisung des geltend gemachten Anspruchs auf Unterhalt, dieser werde laufend bezahlt, rechtskraftsfähig ist. Dabei ist, da ein dem Schluß der mündlichen Verhandlung entsprechender Zeitpunkt nicht feststellbar ist, hierfür der Zeitpunkt der Entscheidung (29.1.1998) heranzuziehen. Einer Vertiefung bedarf dies jedoch nicht, nachdem die Klägerin die diesen Zeitraum betreffende Klage zurückgenommen hat.

Zutreffend hat das Amtsgericht den Unterhaltsanspruch auch nach deutschem materiellen Recht beurteilt, da sich die Klägerin als Unterhaltsgläubigerin dauernd hier aufhält. Auf die -nicht zweifelsfrei geklärte- Staatsangehörigkeit der Klägerin kam es damit nicht an.

Die Höhe des Kindesunterhalts hat das Amtsgericht der Einkommensgruppe 5, 2. Alterstufe der Düsseldorfer Tabelle in der jeweiligen Fassung entnommen unter Berücksichtigung des titulierten Betrages und nach Abzug des hälftigen staatlichen Kindergeldes in jeweiliger Höhe. Dabei ist es von einem bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten von 3.291 DM monatlich ausgegangen und hat den Beklagten aus der an sich bei diesem Einkommen anzuwendenden Einkommensgruppe 4 wegen Unterzahl von Unterhaltsberechtigten um eine Stufe hochgestuft. Soweit der Beklagte von dem im übrigen beanstandungsfrei festgestellten Nettoeinkommen statt der vom Amtsgericht mit 30 DM angenommenen Aufwand für Fahrtkosten solche in Höhe von 52 DM monatlich geltend macht, ändert sich dadurch (Nettoeinkommen 3.291 abz. weitere 22 DM = 3.269 DM) an der Eingruppierung nichts.

Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte auch gegen die vorgenommene Aufstufung mit dem Vorbringen, er leiste außer der Klägerin noch zwei weiteren Personen gesetzlichen Unterhalt, nämlich an seine in Marokko lebende bedürftige Mutter in Höhe von 500 DM monatlich und seiner weiteren jetzt volljährigen Tochter X. ergänzenden Unterhalt. Ersteres kann zu Gunsten des Beklagten als richtig unterstellt werden. Dagegen ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt, daß der Beklagte an die volljährige Tochter in nennenswertem Umfang Unterhaltsleistungen erbringt. Obwohl die Frage einer etwaigen Unterhaltslast bereits erstinstanzlich verhandelt und in dem angefochtenen Urteil negativ beschieden worden ist, hat der Beklagte auch im 2. Rechtszug keinen konkreten Vortrag in dieser Richtung unterbreitet, ob die volljährige Tochter Unterhaltsansprüche an ihn gerichtet und er Zahlungen und in welcher Höhe er hierauf geleistet hat. Die von ihm in Bezug genommene Bescheinigung dieser Tochter vom 24.11.1998 (Bl.120 d.A.), wonach er in seiner Waschmaschine deren Wäsche mitwäscht und gelegentlich Lebensmittel einkauft, ergeben, sofern diese unbestimmte Leistungsbeschreibung überhaupt eine Aussage zuläßt, eine Unterstützung von ganz geringem Volumen. Es kommt hinzu, daß die Tochter jedenfalls ab 1.8.1998, dem Beginn ihres Ausbildungsverhältnisses, den überwiegenden Teil ihres Unterhaltsbedarfs aus ihrer Ausbildungsvergütung von (anfänglich, brutto) 1.030 DM monatlich selbst zu decken vermag. Sofern man die vorgetragenen Handreichungen des Beklagten zu seinen Gunsten überhaupt als Erfüllungsleistungen auf eine etwa verbleibende "Spitze" werten mag, erreicht das Leistungsvolumen des Beklagten insgesamt bei weitem nicht die von der Düsseldorfer Tabelle als Regelfall vorgesehene Last an Unterhalt für 3 Personen. Neben dem Kindesunterhalt für die Klägerin kommt die nur um geringe Beträge für die Tochter zu erhöhende Zahlung von 500 DM an die Mutter hinzu. Das entspricht größenordnumgsmäßig dem (vollen) Unterhalt für ein weiteres volljähriges Kind und bleibt hinter dem zurück, was als Ehegattenunterhalt an einen einkommenslos bedürftigen Ehegatten zu zahlen wäre.

Ein solcher ist nach der Klarstellung im Termin derzeit nicht geschuldet. Soweit sich hieran in der Zukunft etwas ändern sollte, bleibt dem Beklagten die Abänderungsklage ( § 323 ZPO) vorbehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO in Verbindung mit § 269 ZPO wegen der teilweisen Rücknahme der Klage. Dabei ist das für die Kostenverteilung maßgebende Unterliegen und Obsiegen nicht auf den streitwertbestimmenden Jahresbetrag ( 17 GKG) zu beziehen, sondern auf den wirklichen wirtschaftlichen Wert des zugesprochenen und abgewiesenen (zurückgenommenen) Unterhalts, wobei als Richtschnur die Bestimmung des 9 ZPO herangezogen werden kann.

Dr. Eschweiler Juncker Noll