OLG Frankfurt vom 15.02.2000 (1 UF 45/98)

Stichworte: Prozeßvergleich, Versorgungsausgleich, Anfechtung, Fortsetzung des Verfahrens, Prozeßbeendigung
Normenkette: BGB 1587o
Orientierungssatz: Besteht zwischen den Parteien eines Rechtsstreits Streit darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Prozeßvergleich beendet worden ist, ist hierüber in dem Verfahren in dem der Vergleich geschlossen worden ist, zu entscheiden. Diese für den Bereich des Verfahrens nach der Zivilprozeßordnung allgemein anerkannte Grundsatz (vgl. BGHZ 86, S. 184, 187) gilt auch in echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BayObLG FGPrax 1999, S. 98, 99 für Wohnungseigentumssachen), zu denen das Versorgungsausgleichsverfahren gehört (BGH NJW 1984, S. 173, 175).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

weitere Beteiligte:

1. Landesärztekammer Hessen, Am Leonhardsbrunn 7, 60487 Frankfurt am Main (Mitgl.Nr. 10630.5.),

2. Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Postfach 11 06 40, 35351 Gießen,

3. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin, zu VSNR. 52 100562 L 500

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag des Antragsgegners vom 30. August 1999 am 15. Februar 2000 beschlossen:

Es wird festgestellt, daß das Beschwerdeverfahren durch den Senatsbeschluß vom 07. Juni 1999 beendet worden ist.

Weitere Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluß wird zugelassen.

G r ü n d e :

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder geregelt und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Es hat dabei die im Anwartschaftsstadium nichtdynamische Anwartschaft des Antragsgegners bei der Landesärztekammer von monatlich 1.813,10 DM, bezogen auf die Ehezeit, in ein volldynamisches Altersruhegeld von 490,85 DM umgerechnet. Weiter ist es gemäß der Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen von einer ehezeitbezogenen Anwartschaft des Antragsgegners in Höhe von 2.180,92 DM ausgegangen. Schließlich hat es eine Rentenanwartschaft der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung von 227,58 DM gemäß einer damals vorliegenden Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zugrundegelegt.

Ausgehend von diesen Werten hat es zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der Landesärztekammer Hessen Rentenanwartschaften für die Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 131,64 DM begründet und die Anwartschaften des Antragsgegners bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der Weise real geteilt, daß der Antragstellerin aus eigenem Recht monatliche Anwartschaften in Höhe von 1.090,46 DM zustehen.

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, einen Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Grundlage hierfür ist, daß die Parteien zwei Monate vor der Eheschließung durch notariellen Vertrag des Notars V. in Kiel vom 22. Dezember 1980 - Nr. 882 der Urkunden-Rolle für 1980 - den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben.

Die Antragstellerin hat demgegenüber geltend gemacht, daß der Ausschluß des Versorgungsausgleichs unter den damals gegebenen Umständen sittenwidrig sei, insbesondere im Hinblick auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Schwangerschaft der Antragstellerin.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Bundesversicherungsanstalt für angestellte eine neue Auskunft erteilt, wonach die Antragstellerin während der Ehezeit Rentenanwartschaften in Höhe von 202,88 DM erworben hat.

Die Parteien haben durch gerichtlich protokollierten Vergleich im Beschwerdeverfahren vereinbart, daß der Versorgungsausgleich insoweit durchgeführt werden soll, daß Anwartschaften von monatlich 226,-- DM zu Lasten der Anwartschaften des Antragsgegners bei der Landesärztekammer übertragen werden und daß die Anwartschaften gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der Weise real geteilt werden sollen, daß der Antragstellerin Anwartschaften aus eigenem Recht in Höhe von monatlich 374,-- DM zustehen sollen. Durch Beschluß vom 07. Juni 1999 hat der Senat diesen Vergleich genehmigt und den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, daß zu Lasten der Anwartschaften des Antragsgegners bei der Landesärztekammer Hessen für die Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 226,-- DM bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte begründet werden und daß die vom Antragsgegner bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erworbenen Versorgungsanwartschaften in der Weise real geteilt werden, daß der Antragstellerin aus eigenem Recht monatliche Anwartschaften in Höhe von 374,-- DM zustehen.

Dieser Beschluß ist seit 15. Juli 1999 rechtskräftig.

Mit am 01. September 1999 bei Gericht eingegangenen Antrag vom 30. August 1999 hat der Antragsgegner die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt und zugleich die Anfechtung des am 31. 5. 1999 geschlossenen Vergleichs erklärt. Zur Begründung führt er aus: Die Kassenärztliche Vereinigung habe seinen Antrag auf Feststellung der Berufsunfähigkeit zurückgewiesen. Dagegen habe die Landesärztekammer seinem Antrag stattgegeben und die an ihn zu zahlende Rente auf 1.666,10 DM monatlich festgesetzt. Dieser Betrag beruhe auf einer Kürzung in Höhe von monatlich 834,80 DM aufgrund der Entscheidung zum Versorgungsausgleich, da die Landesärztekammer den zu Lasten der bei ihr bestehenden Versorgungsanwartschaften begründeten Monatsbetrag von 226,-- DM in eine volldynamische Anwartschaft zurückgerechnet habe. Diese Rückrechnung sei von den Parteien nicht gewollt gewesen.

Die Antragstellerin tritt dem Fortsetzungsantrag entgegen. Sie macht geltend, daß der Vergleich und der diesen umsetzende Senatsbeschluß vom 07. Juni 1999 dem Willen beider Parteien entsprochen hätten.

Auf den Fortsetzungsantrag des Antragsgegners war festzustellen, daß das Verfahren beendet ist, da für eine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens nach dem Senatsbeschluß vom 07. Juni 1999 ungeachtet der Frage der Wirksamkeit des Vergleichs vom 31. Mai 1999 kein Raum ist.

Besteht zwischen den Parteien eines Rechtsstreits Streit darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Prozeßvergleich beendet worden ist, ist hierüber in dem Verfahren in dem der Vergleich geschlossen worden ist, zu entscheiden. Diese für den Bereich des Verfahrens nach der Zivilprozeßordnung allgemein anerkannte Grundsatz (vgl. BGHZ 86, S. 184, 187) gilt auch in echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BayObLG FGPrax 1999, S. 98, 99 für Wohnungseigentumssachen), zu denen das Versorgungsausgleichsverfahren gehört (BGH NJW 1984, S. 173, 175). Eine Fortsetzung des Verfahrens ist jedoch deshalb nicht möglich, weil das Verfahren nicht durch den Vergleich, dessen Wirksamkeit vom Antragsgegner in Frage gestellt wird, beendet worden ist, sondern erst danach durch den Senatsbeschluß vom 07. Juni 1999. Allerdings kommt nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1991, S. 1743, 1744 sowie FamRZ 1991, S. 681) ein in einem Versorgungsausgleichsverfahren protokollierten Vergleich verfahrensbeendende Wirkung zu, wenn durch diesen Vergleich der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wird. Ist ein solcher Vergleich unwirksam, so ist das Versorgungsausgleichsverfahren auch dann fortzusetzen, wenn das Gericht inzwischen den Vergleich genehmigt und festgestellt hat, daß ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird. Diese Feststellung hat nur deklaratorischen Charakter und stellt keine rechtskraftfähige Entscheidung über den Versorgungsausgleich dar.

Darüber hinaus hat das Oberlandesgerichts Köln die Fortsetzung eines Versorgungsausgleichsverfahrens zugelassen, in dem durch einen unwirksamen Vergleich ein Teilausschluß des Versorgungsausgleichs vereinbart wurde und in dem das Gericht diese Vereinbarung genehmigt und im übrigen den Versorgungsausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt hat (FamRZ 1998, S. 373). Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln ist in einem solchen Fall das Verfahren insgesamt fortzusetzen und auch die Entscheidung des Familiengerichts, durch die der Versorgungsausgleich teilweise durchgeführt wurde, zu überprüfen.

Der letztgenannten Rechtsprechung schließt sich der Senat nicht an. Soweit nach Genehmigung einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich dieser teilweise durchzuführen ist, erwächst die Entscheidung des Familiengerichts hierüber in materielle Rechtskraft. Eine solche Entscheidung hat rechtsgestaltende Wirkung und greift auch in die Rechte der beteiligten Versorgungsträger ein. Die Prozeßbeendigung ist, ebenso wie im vorliegenden Fall, nicht durch den genehmigten Vergleich eingetreten, sondern durch die Entscheidung des Familiengerichts. Eine solche rechtskraftfähige Entscheidung läßt keine Fortsetzung des Verfahrens mehr zu. Sie kann in einem neuen Verfahren abgeändert werden, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht. Für das Versorgungsausgleichsverfahren kommen das Wiederaufnahmeverfahren nach den in Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbaren §§ 578 ff. ZPO sowie das Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG in Frage. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach §§ 579, 580 ZPO liegen ersichtlich nicht vor, so daß für eine entsprechende Umdeutung des Antrags des Antragsgegners vom 30. 08. 1999 kein Raum ist. Für ein Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG ist das Berufungsgericht nicht zuständig. Über diese gesetzlichen Regelungen hinaus kann eine solche rechtskräftige Entscheidung nicht geändert werden. Dies gilt auch dann, wenn der Entscheidung durch die Anfechtung eines Vergleichs, auf der sie beruht, die Grundlage entzogen werden soll. Auch in solchen Fällen hat die Rechtskraftwirkung der ergangenen Entscheidung Vorrang. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit einer Vollstreckungsgegenklage verneint, welche auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützt war, wobei der Anfechtungsgrund bereits zur Zeit der nach § 767 Abs. 2 ZPO maßgebenden mündlichen Verhandlung gegeben war, unabhängig davon, ob der Schuldner damals den Anfechtungsgrund schon kannte oder nicht (BGHZ Band 42 S. 37 ff.).

Es besteht daher keine Möglichkeit, das Verfahren mit dem Ziel einer Abänderung des Beschlusses vom 07. 06. 1999 fortzusetzen, so daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens festzustellen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 97 ZPO.

Der Senat hat die weitere Beschwerde gegen diese Entscheidung zugelassen, da der Frage, ob in einer derartigen Fallkonstellation aufgrund einer Anfechtung des nach § 1587 o BGB genehmigten und der Entscheidung zugrundegelegten Vergleichs das Verfahren fortgesetzt werden kann oder nicht, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 2, 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO).

Dr. Eschweiler zugleich für den in Urlaub befindlichen Richter am OLG Carl
Dr. Eschweiler Carl Noll