OLG Frankfurt vom 16.06.2011 (1 UF 371/10)

Stichworte: Pflegemutter; Pflegeeltern; Beschwerdebefugnis; Beschwerdeberechtigung;
Normenkette: FamFG 59
Orientierungssatz:
  • Keine Beschwerdeberechtigung der Pflegemutter für eine Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ihr Antrag, das Jugendamt als Pfleger ihres Pflegekindes zu entlassen und sie selbst als Pflegerin zu bestellen, zurückgewiesen wird.
  • Hinweis: Der BGH hat im Verfahren XII ZA 72/11 mit Beschluss vom 29.02.2012 den Antrag der Pflegemutter, ihr für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, mit der Begründung zurückgewiesen, für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde bestehe keine Erfolgsaussicht.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 16. Juni 2011 beschlossen:

    Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 06.10.2010 wird als unzulässig verworfen.

    Die Beteiligte zu 1) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 E festgesetzt.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    A lebt seit 00.00.2001 als Pflegekind bei der Beteiligten zu 1). Der Beteiligten zu 2) - Mutter des Kindes A - wurde vom Amtsgericht - Familiengericht - Offenbach im Verfahren ... die elterliche Sorge für A mit Ausnahme der Vermögenssorge entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen. Schon damals gab es erhebliche Konflikte zwischen der Kindesmutter und den Großeltern des Kindes einerseits und der Pflegemutter andererseits.

    Die Kindesmutter betreibt beim Amtsgericht - Familiengericht - Weilburg unter Geschäftsnummer ... ein Verfahren zur Regelung ihres Umgangs mit dem Kind. Die Pflegemutter hält den Umgang der Kindesmutter mit A für kindeswohlschädlich und lässt diesen nicht zu.

    Die Beteiligte zu 1) hat mit Antragsschrift vom 07.12.2009 beim Amtsgericht - Familiengericht - Weilburg beantragt, das Kreisjugendamt als Pfleger zu entlassen und sie selbst als Pflegerin zu bestellen. Sowohl die Kindesmutter als auch das Jugendamt haben sich dagegen ausgesprochen, die Pflegemutter als Pflegerin zu bestellen. Wegen der seit Jahren bestehenden Konflikte zwischen der Pflegemutter einerseits und der Kindesmutter sowie der Großeltern des Kindes andererseits und der Haltung der Pflegemutter zu dem Umgangsbegehren der Kindesmutter sei es geboten, die Pflegschaft beim Jugendamt zu belassen. Die Pflegemutter sei wegen ihrer Haltung zur Herkunftsfamilie des Kindes nicht in der Lage, die Pflegschaft auszuüben. Schon der bloße Informationsaustausch zwischen der Pflegemutter und der Kindesmutter hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Kindes sei nur über das Jugendamt möglich.

    Die Rechtspflegerin des Familiengerichts hat mit Beschluss vom 06.10.2010 die Anträge der Beteiligten zu 1) mit der Begründung zurückgewiesen, es entspreche nicht dem Kindeswohl, die Pflegschaft auf die Pflegemutter zu übertragen, da dies eine weitere Verschärfung der Konflikte befürchten lasse. Es sei erforderlich, die Pflegschaft beim Jugendamt zu belassen, auch um zu gewährleisten, dass die Spannungen und Konflikte zwischen der Pflegemutter und der Kindesmutter durch eine neutrale Stelle abgefedert werden und nicht in vollem Umfang beim Kind ankommen.

    Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 19.10.2010 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 08.11.2010, der per Fax am 09.11.2010 beim Amtsgericht einging, Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, der Vorrang einer Einzelpflegschaft vor einer Amtspflegschaft gebiete es, sie an Stelle des Jugendamtes als Pflegerin zu bestellen.

    Ein unterdessen im Umgangsverfahren eingeholtes schriftliches Gutachten der Sachverständigen Dipl. Psych. ... gelangt zu der Feststellung, dass zwischen dem Kind und der Pflegemutter eine symbiotische Beziehung bestehe und das Kind darin gestärkt werden müsse, sich aus dieser symbiotischen Beziehung zu befreien. Die Sachverständige empfiehlt, dass die Verantwortung für A beim Jugendamt bleiben solle, wobei das Jugendamt intensiv auf A achten müsse.

    II.

    Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Der Beteiligten zu 1) fehlt die Beschwerdeberechtigung i.S.v. § 59 FamFG.

    Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beteiligte zu 1) ist durch den angefochtenen Beschluss jedoch nicht in eigenen Rechten verletzt. Eigene Rechte der Pflegeperson sind nur im Rahmen von Entscheidungen nach §§ 1630 Abs. 3, 1632 Abs. 4 oder 1688 BGB betroffen, so dass die Pflegeperson nur gegen Beschlüsse, die derartige Entscheidungen zum Gegenstand haben, zur Beschwerde berechtigt ist. Von diesen Fällen abgesehen hat die Pflegeperson keine eigene Beschwerdebefugnis - etwa gegen Entscheidungen über das Umgangsrecht ( BGH FamRZ 2005, 975) oder gegen die Regelung der elterlichen Sorge (BGH FamRZ 2004, 102; Althammer in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 59 FamFG Rdn. 5a, Feskorn in Zöller, 28. Aufl. 2010, § 59 FamFG Rdn. 5; Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 59 Rdn. 70; Unger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl. 2010, § 59 Rdn. 8; Staudinger-Coester, § 1666 BGB Rdn. 301).

    Eine Beschwerdebefugnis folgt nicht schon daraus, dass die Pflegeperson - wie jede andere Person auch - die Auswechslung eines Vormunds anregen kann. Hierbei handelt es sich nicht um ein Antragsverfahren i.S.v. § 59 Abs. 2 FamFG, da dies nur solche Verfahren sind, die ausschließlich auf Antrag eingeleitet werden können. Über die Person des Vormunds oder Pflegers hat das Gericht jedoch von Amts wegen zu entscheiden, diese zu überwachen und erforderlichenfalls auszuwechseln. Ein Antrag ist hierzu nicht erforderlich und hat daher nur die Funktion einer Anregung. Für die Beschwerdeberechtigung i.S.v. § 59 FamFG ist es unerheblich, dass die Einleitung des Verfahrens als Antrag bezeichnet wurde (Meyer-Holz in Keidel a.a.O., § 59 Rdn. 38). Im Übrigen begründet § 59 Abs. 2 FamFG keine Ausweitung der Beschwerdebefugnis, sondern schränkt diese dahingehend ein, dass in Antragsverfahren gegen einen den Antrag zurückweisenden Beschluss die Beschwerdebefugnis nur dem Antragsteller und nicht sonstigen Beteiligten zusteht, wobei jedoch hinzukommen muss, dass der Antragsteller in eigenen subjektiven Rechten betroffen ist (vgl. Meyer-Holz in Keidel a.a.O., § 59 Rdn. 39).

    Hier ist die Beschwerdeführerin durch die Entscheidung des Familiengerichts nicht in eigenen subjektiven Rechten betroffen. Denn es besteht kein eigenes Recht der Beschwerdeführerin, vom Gericht als Vormund oder Pfleger bestellt zu werden. Nur ein von den Eltern des Kindes nach § 1776 BGB benannte Person hat ein Recht auf Bestellung und darf nur unter den Voraussetzungen des § 1778 BGB übergangen werden. Hier ist die Beschwerdeführerin jedoch gerade nicht nach § 1776 BGB benannt, vielmehr spricht sich die Kindesmutter gerade gegen deren Bestellung aus.

    Auch der von der Beschwerdeführerin angeführte Vorrang der Einzelvormundschaft bzw. Einzelpflegschaft vor einer Bestellung des Jugendamtes (§ 1791b BGB) begründet keine Beschwerdebefugnis desjenigen, der sich als Einzelperson um die Pflegschaft bewirbt. Die mit dem NEhelG eingeführte Regelung dient einerseits dem Schutz der Kindeseltern davor, dass ihnen trotz Vorhandensein einer geeigneten Einzelperson eine Behörde als zur Vertretung des Kindes Berufenem vorgegeben wird, andererseits dient sie dem Schutz des Jugendamtes davor, dass die Gerichte vorschnell auf das Jugendamt zurückgreifen. Beschwerdeberechtigt gegen die Bestellung des Jugendamtes sind daher die Eltern, das Kind und das Jugendamt, nicht hingegen ein Pflegschaftsbewerber.

    Der Senat verkennt nicht, dass auch das Pflegeelternverhältnis den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießen kann, soweit die familiäre Gemeinschaft und die Aufrechterhaltung der sozialen Familie betroffen ist. Deren Aufrechterhaltung wird durch die hier erfolgte Ablehnung der Bestellung der Beschwerdeführerin als rechtliche Pflegerin aber nicht in Frage gestellt. Insoweit stehen der Pflegemutter mit § 1632 Abs. 4 BGB Schutzrechte zur Seite, die davon unabhängig sind, wer zur gesetzlichen Vertretung des Kindes berufen ist.

    Mangels Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin ist deren Beschwerde daher als unzulässig zu verwerfen, wobei ihr gem. § 84 FamFG die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen sind.

    Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, weil der Umfang der Beschwerdebefugnis von Pflegeeltern von grundsätzlicher Bedeutung ist und hierzu unter der Geltung des FamFG noch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist.

    Michalik Dr. Heilmann Grün