OLG Frankfurt vom 05.07.1999 (1 UF 345/98)

Stichworte:
Normenkette: BGB 1671 in der Fassung des KindRG
Orientierungssatz: Der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge steht... nicht entgegen, daß die Eltern aus Anlaß des regelmäßig ausgeübten Umgangs des Vaters mit seinem Kind Meinungsverschiedenheiten austragen. Diese Auseinandersetzungen können nicht dadurch ausgeschlossen werden, daß der Mutter die Alleinsorge für den Sohn B. übertragen wird. Im Rahmen des von den Eltern grundsätzlich einverständlich praktizierten Umgangs des Vaters werden notwendigerweise weiterhin Kontakte bestehen und damit verbunden die Möglichkeit weiteren Streits über die Art und Weise der Ausübung des Umgangsrechts mit dem Kind. Dem kann durch die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil allein nicht begegnet werden.... Von entscheidender Bedeutung ist es....., ob die Eltern in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind (§ 1628 BGB) über ein ausreichendes Maß an Kooperationsfähigkeit und Kooperationswilligkeit verfügen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Alsfeld vom 22.10.1998 am 05.07.1999 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners aus dem Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Beschwerdewert: 5.000,00 DM.

G r ü n d e :

Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichts, daß dem Antrag der Mutter, ihr die Alleinsorge für den gemeinsamen Sohn B. zu übertragen, vorliegend nicht entsprochen werden kann, weil nicht zu erwarten ist, daß die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Mutter dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 i.V.m. Absatz 2 Ziffer 2 BGB). Der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge steht insbesondere nicht entgegen, daß die Eltern aus Anlaß des regelmäßig ausgeübten Umgangs des Vaters mit seinem Kind Meinungsverschiedenheiten austragen. Diese Auseinandersetzungen können nicht dadurch ausgeschlossen werden, daß der Mutter die Alleinsorge für den Sohn B. übertragen wird. Im Rahmen des von den Eltern grundsätzlich einverständlich praktizierten Umgangs des Vaters werden notwendigerweise weiterhin Kontakte bestehen und damit verbunden die Möglichkeit weiteren Streits über die Art und Weise der Ausübung des Umgangsrechts mit dem Kind. Dem kann durch die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil allein nicht begegnet werden.

Soweit es sich um das Kind betreffend Alltagsfragen handelt, sind grundlegende Konflikte zwischen den Eltern kaum zu erwarten, weil gemäß § 1687 Abs. 1 BGB der Elternteil, bei dem das Kind lebt in diesen Angelegenheiten des täglichen Lebens allein entscheidet. Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsgegner dieses Entscheidungsrecht der Antragstellerin in Frage stellt.

Von entscheidender Bedeutung ist es deswegen, ob die Eltern in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind (§ 1628 BGB) über ein ausreichendes Maß an Kooperationsfähigkeit und Kooperationswilligkeit verfügen. Dies ist vorliegend unzweifelhaft der Fall. Der Vater hat zu keinem Zeitpunkt den Aufenthalt des Kindes bei der Mutter in Frage gestellt. Es bestehen auch keine grundsätzlich unterschiedlichen Auffassungen über zentrale Erziehungsfragen. Soweit die Mutter vorgetragen hat, der Vater habe sich schon jetzt gegen eine weiterführende Schulbildung des Kindes ausgesprochen, hat der Vater diesem Vortrag widersprochen und ausdrücklich erklärt, daß er jederzeit bereit sei, B. in seiner Berufsausbildung entsprechend seiner Begabung zu fördern und zu unterstützen. Das bei der Mutter generell vorhandene Mißtrauen in die Verantwortungsfähigkeit des Vaters hat seinen Grund ausschließlich in Vorkommnissen bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts. Über Häufigkeit und Dauer der Kontakte des Kindes mit seinem Vater haben die Eltern dagegen ebenfalls Einvernehmen erzielt. Allein die Ablehnung des gemeinsamen Sorgerechts durch die Mutter kann deswegen nicht ausschlaggebend dafür sein, den Vater von der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts auszuschließen. Dies gilt um so mehr, als der Vater in der mündlichen Anhörung vor der beauftragten Richterin des Senats eingeräumt hat, daß er in der Vergangenheit bei der Ausübung des Umgangsrechts Fehler gemacht habe und bereit sei, daraus zu lernen. Beiden Eltern wird es künftig obliegen, im Interesse des gemeinsamen Sohnes diese Lernfähigkeit unter Beweis zu stellen und ihre Fähigkeit zur Kooperation weiter zu verbessern.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG, 131 Abs. 3 KostO.

Dr. Eschweiler
Nol Michalik