OLG Frankfurt vom 13.09.2001 (1 UF 344/99)

Stichworte: Vaterschaft, Anfechtungsfrist, Kenntnis
Normenkette: BGB 1603, 181
Orientierungssatz: Für das genannte Kind war die Anfechtungsfrist jedenfalls noch nicht abgelaufen. Hierfür kam es nämlich auf die Kenntnis seiner gesetzlichen Vertreter an. Da der Kläger als mitsorgeberechtigter Elternteil als gesetzlicher Vertreter ausgeschlossen war, da er zugleich Partei des Anfechtungsverfahrens wäre (§ 181 BGB), konnte das Kind wirksam erst Kenntnis von dem Anfechtungsgrund haben, nachdem ihm ein insoweit alleinvertretungsberechtigter Ergänzungspfleger bestellt worden ist (§ 1909 BGB). Zwischen diesem Zeitpunkt und der Erhebung der Klage liegen weniger als zwei Jahre.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Kindschaftssache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Juncker als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.9.2001 für Recht erkannt:

Das am 9.11.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main - Abteilung Höchst - wird abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der Kläger nicht der Vater des Beklagten ist.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Der Beklagte ist während der am 15.8.1994 geschlossenen Ehe des Klägers mit der Nebenintervenientin geboren. Der Kläger besitzt die marokkanische, die Nebenintervenientin und der Beklagte die deutsche Staatsangehörigkeit.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen des Sachverhalts im übrigen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Vaterschaftsfeststellungsklage abgewiesen, da sie nicht innerhalb der 2-Jahresfrist ab Kenntnis von Zweifeln an seiner Vaterschaft (§ 1600 b Absatz 2 Satz 1 BGB in der Fassung des Kindschaftsreformgesetzes) erhoben worden sei.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

Das beklagte Kind hat sich in der Berufung widerklagend mit dem selben Ziel angeschlossen.

Der Beklagte beantragt,

In Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß der Kläger nicht sein Vater ist.

Der Kläger und die Nebenintervenientin stellen keine Anträge.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Abstammungsgutachtens des Sachverständigen Professor Dr X. in Frankfurt am Main sowie durch Vernehmung von Zeugen.

Die Parteien haben sich mit einer Endentscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 524 Absatz 4 ZPO einverstanden erklärt.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist in rechter Form und Frist eingelegt und damit zulässig. Dem hat sich ebenfalls verfahrensrechtlich unbedenklich das beklagte Kind im Wege der Widerklage angeschlossen.

Die Widerklage hat Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

Mit zutreffenden Erwägungen hat das Amtsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und in diesem Umfang die Anwendung materiellem deutschen Rechts bejaht. Hierauf wird Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Auf die Frage, ob der Kläger die Anfechtungsfrist gemäß § 1600 b Abs. 1 BGB n. F. versäumt hat, deren Bejahung zur Klageabweisung geführt hat, kam es nicht mehr an, nachdem inzwischen das beklagte Kind selbst die Vaterschaftsanfechtung betreibt. Für das genannte Kind war die Anfechtungsfrist jedenfalls noch nicht abgelaufen. Hierfür kam es nämlich auf die Kenntnis seiner gesetzlichen Vertreter an. Da der Kläger als mitsorgeberechtigter Elternteil als gesetzlicher Vertreter ausgeschlossen war, da er zugleich Partei des Anfechtungsverfahrens wäre (§ 181 BGB), konnte das Kind wirksam erst Kenntnis von dem Anfechtungsgrund haben, nachdem ihm ein insoweit alleinvertretungsberechtigter Ergänzungspfleger bestellt worden ist (§ 1909 BGB). Zwischen diesem Zeitpunkt und der Erhebung der Klage liegen weniger als zwei Jahre.

Die Widerklage ist auch begründet.

Der Kläger gilt als Vater des beklagten Kindes, da letzteres während der Ehe mit der Kindesmutter geboren worden ist und der Kläger ihr während der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat (§§ 1591, 1592 BGB in der bis 30.6.1998 geltenden Fassung, Artikel 224 § 1 Abs. 1 EGBGB).

Für die Anfechtung der Ehelichkeit, jetzt Vaterschaft, gelten die ab 1.7.1998 durch das Kindschaftsreformgesetzt geänderten Vorschriften (Artikel 224 § 1 Abs. 2 EGBGB). Danach ist auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts festgestellt, daß der Kläger nicht der Vater des beklagten Kindes ist. Nach den Abstammungsgutachten (HLA und DNA) des Sachverständigen Prof. Dr. X., gegen dessen Richtigkeit Bedenken weder erhoben noch sonst ersichtlich sind, ist der Kläger als Erzeuger des beklagten Kindes auszuschließen. Vater ist vielmehr nach wie statistischen Auswertung mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 99,987 % der Zeuge, dessen Vaterschaft damit erwiesen ist. Für eine Einschränkung dieses Wahrscheinlichkeitswertes, nämlich daß die Kindesmutter in der Empfängniszeit noch mit einem engen Blutsverwandten des Zeugen Verkehr hatte, gibt es keine Anhaltspunkte. Der Zeuge hat auch eingeräumt, mit der Kindesmutter zu einer ihm nicht mehr genau erinnerlichen Zeit, wobei es sich demnach um die Empfängniszeit handeln kann, Verkehr gehabt zu haben, wobei es darauf, ob die von ihm geschilderten Einzelheiten in allen Punkten zutreffen, nicht entscheidend ankommt.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 92 ZPO, da Klage und Widerklage mit dem gleichen Verfahrensziel im Ergebnis in gleicher Weise Erfolg haben.

Juncker