OLG Frankfurt vom 09.03.2000 (1 UF 337/99)

Stichworte: Einkommen, Gewinn, Entnahmen, Privatentnahmen, Hilfsmethode, Anwaltsverschulden
Normenkette: BGB 1361
Orientierungssatz: Zur Bemessung des unterhaltsrelevanten Einkommens anhand der Privatentnahmen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 09.03.2000 beschlossen

Der Klägerin wird die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe für ihre Berufung gegen das am 22.10.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main - Abteilung Höchst - verweigert.

G r ü n d e :

Die Beklagte hat die Klägerin im Jahr 1995 in einem Eilverfahren wegen Unterhalts und in einem Scheidungsverfahren vertreten. Sie hat für ihre Tätigkeit Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 21.11.1996 über 2.592,75 DM und vom 4.6.1996 über 1.495,27 DM, jeweils nebst Zinsen, erwirkt.

Mit ihrer im Dezember 1998 eingereichten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß die genannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse durch von ihr erklärte Aufrechnung erloschen sind und die Herausgabe der Beschlüsse. Sie begründet die erklärte Aufrechnung auf Gegenforderungen wegen schlechter Mandatserfüllung.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

Ihrem Antrag, hierfür Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, kann mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) nicht entsprochen werden.

Die Klägerin sieht ein Beratungsverschulden der Beklagten darin, daß sie fehlerhaft von dem von ihr geschilderten Nettoeinkommen des Beklagten nicht Vorsorgeaufwendungen und Einkommensteuer in Abzug gebracht habe. Hätte sie dies getan, hätte sie erkennen müssen, daß der Klägerin der von der Beklagten auftragsgemäß geltend gemachte Prozeßkostenvorschuß nicht zugestanden habe, sondern sie hätte statt dessen darauf hinwirken müssen, daß ihr ratenfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt worden wäre.

Dem hält die Beklagte mit Recht entgegen, daß nach den ihr gemachten Angaben der Klägerin diese keine Prozeßkostenhilfe hätte erlangen können. Nach der aktenkundigen eidesstattlichen Versicherung der Klägerin selbst vom 8.6.1995, wiedergegeben in ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 1.2.1999 (Blatt 28 d.A.) war der Beklagte selbständiger Unternehmer, der für sich und seine Familie zuletzt monatlich 5.000,-- DM für die private Lebensführung entnommen habe. Die Gewinnsituation habe eine solche Entnahme gerechtfertigt. Dies wisse sie deshalb so genau, da sie bis Mai 1995 in der Buchhaltung des Unternehmens tätig gewesen sei.

Die Klägerin irrt, wenn sie meint, von dem auf der Basis privater Entnahmen ermittelten Einkommen seien vorab noch Vorsorgeaufwendungen und Steuern abzuziehen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn in dem Entnahmebetrag diese Aufwendungen enthalten wären. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da, wie sie ausdrücklich ausführt, der Betrag für die private Lebensführung entnommen worden ist.

Die Bemessung des unterhaltsrelevanten Einkommens anhand der Privatentnahmen ist eine Hilfsmethode, die dann Anwendung findet, wenn die Gewinnsituation nicht oder auf absehbare Zeit nicht ermittelt werden kann oder wenn die vorgelegten Unterlagen über die Höhe des Gewinnes offensichtlich für die Bestimmung des unterhaltsrelevanten Einkommens untauglich sind, etwa wenn sie mit anderen Faktoren, eben einer auf längere Sicht getätigte Privatentnahme, in unaufgelöstem Widerspruch stehen. Vorliegend standen offenbar brauchbare Unterlagen über die Höhe des Gewinnes des Beklagten nicht zur Verfügung und konnten in einer dem Eilverfahren entsprechenden Zeit nicht im Wege eines Auskunftsverfahrens beschafft werden. Wenn demnach die Klägerin die Beklagte dahin informierte, daß der Beklagte zuletzt für den privaten Lebensverbrauch 5.000,-- DM entnommen habe und die Gewinnsituation des Unternehmens eine solche Entnahme auch zulasse, entsprach das Vorgehen der Beklagten im Eilverfahren der Rechtslage und begründet nicht den Vorwurf eines Anwaltsverschuldens. Mit diesem an Eides statt versicherten Vortrag hätte die Klägerin gar keine Prozeßkostenhilfe erlangen können. Prozeßkostenhilfe ist subsidiär und wird nur bewilligt, wenn nicht die Möglichkeit besteht, einen Prozeßkostenvorschuß zu erlangen. Vorliegend hatte die Klägerin sogar einen vollstreckbaren Titel über Prozeßkostenvorschuß in Händen, dessen Vollstreckung sie allerdings nicht zu Ende geführt hatte, da sie sich vor dem Beklagten gefürchtet habe. Bei dieser Sachlage hätte sie schwerlich Prozeßkostenhilfe erlangt, da das angerufene Familiengericht vorher den Nachweis einer fruchtlosen Vollstreckung verlangt hätte.

Daß in der Folgezeit ein Vergleich auf niedrigerer Basis geschlossen wurde und der Klägerin auch Prozeßkosten bewilligt worden ist, dürfte darin begründet sein, daß sich dann aufgrund des Gegenvorbringens des (dortigen) Beklagten herausstellte, daß tatsächlich die Gewinnsituation weniger günstig war als von der Klägerin geschildert. Dies kann die Klägerin aber nicht der Beklagten anlasten, die aufgrund der ihr erteilten Information tätig wurde.

Auch im Zusammenhang mit der Wertfestsetzung für das Scheidungsverfahren läßt sich ein Anwaltsverschulden der Beklagten nicht feststellen. Diese hat das Einkommen des Beklagten anhand der ihr gemachten Angaben mitgeteilt. Hier ist davon auszugehen, daß das Amtsgericht den Wert erst nach Anhörung auch der Gegenseite festgesetzt hat. Die gerichtliche Wertfestsetzung bildete sodann die Grundlage für die Kostenfestsetzung.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker