OLG Frankfurt vom 13.02.2014 (1 UF 33/14)

Stichworte: örtliche Zuständigkeit; Verweisung; gewöhnlicher Aufenthalt; Hauptsacheverfahren, EA-Verfahren;
Normenkette: FamFG 3; FamFG 50 Abs. 1 S. 2; FamFG 152 Abs. 2;
Orientierungssatz: Erachtet sich das in einer Kindschaftssache angerufene Familiengericht für örtlich unzuständig, darf es den Antrag auch dann nicht als unzulässig zurückweisen, wenn der Antragsteller keinen Verweisungsantrag stellt, sondern es hat sich durch Beschluss für unzuständig zu erklären und das Verfahren von Amts wegen an das zuständige Gericht zu verweisen.

23 F 61/14
AG Weilburg

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 22.01.2014 am 13.02.2014 beschlossen:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 22.01.2014 wird aufgehoben.

Das Verfahren wird an das Amtsgericht - Familiengericht - Wetzlar verwiesen.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben; eine Erstattung von Kosten des Beschwerdeverfahrens wird unter den Beteiligten nicht angeordnet.

Der Gebührenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kindeseltern sind miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe ist die am ... geborene Tochter L. hervorgegangen. Kurz vor Weihnachten 2013 kam es zur Trennung der Kindeseltern, die bis dahin gemeinsam mit dem Kind in B. gelebt hatten. Der Kindesvater zog zu seinen Eltern nach W. Dort hält sich seit 26.12.2013 auch das Kind L. auf. Bereits kurz danach kam es zum Streit der Kindeseltern darüber, wo das Kind seinen Aufenthalt haben soll. Der Kindesvater behauptet, die Kindeseltern hätten sich am 27.12.2013 darüber verständigt, dass er L. zumindest so lange bei sich behalten solle, bis die Kindesmutter eine Therapie durchgeführt habe.

Der Antragsteller hat am 15.01.2014 beim Amtsgericht - Familiengericht - Weilburg ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für seine Tochter L. eingeleitet.

Die Kindesmutter rügte durch ihren Verfahrensbevollmächtigten die fehlende örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Weilburg und beantragte, den EA-Antrag des Kindesvaters wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen. Der Kindesvater beharrte darauf, dass das Kind wegen der Absprache der Kindeseltern vom 27.12.2013 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in W. habe. Der Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters wies unter Beifügung einer Ladungsverfügung des Amtsgerichts Wetzlar vom 14.01.2014 darauf hin, dass von der Kindesmutter dort ein Sorgerechts-Hauptsacheverfahren eingeleitet wurde, in welchem auf den 06.02.2014 Anhörungstermin bestimmt wurde.

Zu dem vom Amtsgericht Weilburg angesetzten Anhörungstermin am 22.01.2014 erschienen der Kindesvater und sein Verfahrensbevollmächtigter. Für die Kindesmutter erschien niemand. Diese hatte bereits durch ihren Verfahrensbevollmächtigten angekündigt, dass sie dem Anhörungstermin wegen der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Weilburg fernbleiben werde.

Nachdem der Familienrichter in dem Anhörungstermin auf seine Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Weilburg hingewiesen und der Antragstellervertreter den EA-Antrag aus dem Schriftsatz vom 15.01.2014 gestellt hatte, wies das Amtsgericht Weilburg den Antrag als unzulässig zurück und begründete die Entscheidung mit der fehlenden Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 23.01.2014.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. § 57 S. 2 i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Allerdings hat das Amtsgericht Weilburg seine Zuständigkeit zu Recht verneint. Tatsächlich spricht nichts dafür, dass der ca. drei Wochen vor Einleitung des Verfahrens durch den Vater begründete Aufenthalt des Kindes in W. bereits zu einem dortigen "gewöhnlichen Aufenthalt" i.S.v. § 152 Abs. 2 FamFG geführt hat. Dies kann aber im Rahmen dieser Entscheidung offen bleiben, da die fehlende Zuständigkeit des Amtsgerichts Weilburg jedenfalls aus § 50 Abs. 1 S. 2 FamFG folgt. Bereits aus dem Vorbringen des Antragstellervertreters und der dem Schriftsatz vom 21.01.2014 beigefügten Ladungsverfügung des Amtsgerichts Wetzlar vom 14.01.2014 ergibt sich, dass bei Einleitung des EA-Verfahrens bereits beim Amtsgericht Wetzlar ein Hauptsacheverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge anhängig war. Ist aber bereits ein Hauptsacheverfahren anhängig, so ist das Gericht des Hauptsacheverfahrens gem. § 50 Abs. 1 S. 2 FamFG auch für das EA-Verfahren zuständig.

Die Beschwerde hat jedoch insoweit Erfolg, als das Amtsgericht Weilburg den Antrag nicht hätte zurückweisen dürfen. Vielmehr hätte es das Verfahren von Amts wegen an das Amtsgericht Wetzlar verweisen müssen. Wenn ein Familiengericht sich in einer Kindschaftssache für örtlich unzuständig erachtet, hat es sich für unzuständig zu erklären und die Sache an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen (§ 3 Abs. 1 S. 1 FamFG). Hierfür bedarf es in einer Kindschaftssache keines Verweisungsantrags (Prütting/Helms, Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2013, § 3 Rdn. 14; Pabst in Münchner Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2013, § 3 Rdn. 10).

Damit ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat verweist die Sache an das örtlich zuständige Amtsgericht - Familiengericht - Wetzlar. Hierzu wurde den Beteiligten im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör gewährt.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Es entspricht der Billigkeit, eine Erstattung von Kosten unter den Beteiligten nicht anzuordnen (§ 81 FamFG). Dem Antragsteller ist die Erstattung von Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, da die Beschwerde nicht ohne Erfolg blieb. Der Antragsgegnerin ist eine Erstattung von Kosten nicht aufzuerlegen, da das vom Antragsteller angerufene Gericht tatsächlich unzuständig war.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 41, 45 Abs. 1 FamGKG.

Michalik Cromm Grün