OLG Frankfurt vom 06.11.2003 (1 UF 317/02)

Stichworte: nachehelicher Unterhalt, Befrostung Befristung nachehelicher Unterhalt Zulassung der Revision
Normenkette: BGB 1573 Abs. 5
Orientierungssatz: Zur Befristung des nachehelichen Unterhalts bei mittellanger Ehe, hier: 14 Jahre und 9 Monate

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Juncker als Vorsitzender, die Richterin am Oberlandesgericht Michalik und die Richterin am Oberlandesgericht Diehl im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 10.10.2003 eingereichten Schriftsätze für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main Abteilung Höchst vom 05.12.2002 abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.06.2001 bis einschließlich März 2002 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 779,00 EUR zu zahlen, für die Zeit vom April 2002 bis einschließlich September 2002 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 816,00 EUR, sowie für die Zeit von Oktober 2002 bis einschließlich Dezember 2004 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 953,00 EUR. Der Unterhaltsanspruch ist befristet bis zum 31.12.2004. Beginnend mit dem Januar 2005 entfällt der Unterhaltsanspruch der Klägerin. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Zugunsten der Klägerin wird die Revision zugelassen.

Gründe:

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. In einem nach der Scheidung vor dem Familiengericht geschlossenen Vergleich haben sie am 22.05.1997 eine Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt geschlossen. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob die in diesem Vergleich festgelegte Befristung des Unterhalts bis zum 31.05.2001 gleichzeitig einen Verzicht der Klägerin auf weiteren nachehelichen Unterhalt darstellt. Weiter streiten die Parteien darüber, ob in Hinblick auf die Dauer der im August 1978 und nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags im April 1993 im März 1994 rechtskräftig geschiedenen Ehe eine zeitliche Befristung des nachehelichen Ehegattenunterhalts erfolgen kann. Zu den weiteren Lebensumständen der Parteien und ihrer gegenwärtigen Einkommenssituation wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO).

Mit der Berufung wendet sich der Beklagte vor allen Dingen gegen die Zuerkennung eines unbefristeten Unterhaltsanspruchs. Weiter wiederholt er seine Auffassung, sein Einkommen sei um Ratenzahlungen auf Darlehensverbindlichkeiten zu bereinigen, die noch aus Schulden der Parteien aus der Ehezeit herrührten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main Abteilung Höchst vom 05.12.2002 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.

Für die Zeit vom Juli 2001 bis einschließlich Dezember 2002 war der Unterhaltsanspruch der Klägerin lediglich in geringem Umfang herabzusetzen. Er ist allerdings bis zum 31.12.2004 zu befristen und entfällt danach.

Maßgeblich für die Herabsetzung des Unterhalts waren die vom Beklagten nachgewiesenen Darlehensverbindlichkeiten aus der Ehezeit. Die zur Tilgung dieser Verbindlichkeiten aufgewendeten Mittel haben den Ehegatten auch zur Ehezeit nicht zur Verwendung für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden und somit das für Unterhaltszwecke vorhandene Einkommen als prägende Belastung gemindert (BGH FamRZ 1991, Seite 182).

Der Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass er im Jahre 2001 für eine gemeinsam von den Parteien erworbene Eigentumswohnung in X., die er nach Scheidung unter Freistellung der Klägerin von den Darlehensverbindlichkeiten übernommen hat, an die Deutsche Hypothekenbank monatlich 475,00 DM Tilgung und Zinsen geleistet hat und an die Z- Bank weitere 714,60 DM. Zur Restfinanzierung wurde bei der Y- Versicherung AG eine Lebensversicherung abgeschlossen, für die monatlich Beiträge in Höhe von 456,78 DM geleistet werden. Außerdem hat er für ein Abschreibungsprojekt "Nordseetropenpark" bis einschließlich September 2002 monatliche Ratenverbindlichkeiten in Höhe von 314,86 DM bei der Z- Bank, Zweigstelle M., und weitere 307,80 DM für eine zur Finanzierung dieses Projektes abgeschlossene Lebensversicherung gezahlt. Insgesamt ergeben sich somit Verbindlichkeiten bis einschließlich September 2002 in Höhe von monatlich 2269,04 DM, nach Wegfall der für den "Tropenpark" zu leistenden Verbindlichkeiten verbleiben monatliche Raten in Höhe von 1646,38 DM.

Den Verbindlichkeiten für die Eigentumswohnung des Beklagten sind die aus dieser Wohnung gezogenen Erträge und die auf den Verlusten an dieser Wohnung beruhenden Steuerersparnisse entgegen zu setzen. Aufgrund der von dem Beklagten vorgelegten Unterlagen über Mieteinnahmen und mit diesen zu verrechnenden Betriebskosten ergibt sich für das Jahr 2001 ein Nettoertrag in Höhe von 6390,97 DM (Betriebskosten aufgrund des Wirtschaftsplans für 2001 2073,03 DM, Mieteinnahmen 8464,00 DM). Diesem Nettoertrag der Eigentumswohnung ist noch der von dem Beklagten vorgerechnete und von der Klägerin nicht bestrittene Steuervorteil von jährlich 3576,00 DM hinzuzurechnen, so dass sich insgesamt ein monatlicher Ertrag in Höhe von 830,58 DM ergibt, der den Leistungen auf die Verbindlichkeiten von monatlich 2269,04 DM gegenüber zu stellen ist. Es verbleibt somit für das Jahr 2001 ein Abzugsbetrag in Höhe von 1438,46 DM mtl. Dieser Betrag ist auch für die ersten drei Monate des Jahres 2002 fortzuschreiben. Beginnend mit dem März 2002 erhöht sich die monatliche Miete auf 447,00 EUR; bei gleichbleibenden Betriebskosten in Höhe von 1060,00 EUR (2073,03 DM) im Jahr ergibt sich ein Nettoertrag in Höhe von rund 4304,00 EUR. Unter Hinzurechnung des Steuervorteils, der für das Jahr 2002 in gleicher Höhe fortgeschrieben wird, in Euro nunmehr 1828,00 EUR (3576,00 DM) ergibt sich ein Nettoertrag in Höhe von rund monatlich 511,00 EUR (6132,00 EUR geteilt durch 12). Die Darlehensraten in Höhe von 2269,04 DM (in Euro umgerechnet 1160,14 EUR) minus 511,00 EUR Erträgnisse aus der Vermietung der Eigentumswohnung ergeben eine Abzugsposition in Höhe von 649,14 EUR monatlich. Nach Wegfall der Darlehensverbindlichkeiten für den "Nordseetropenpark" verbleibt nur noch ein Darlehensbetrag in Höhe von 1646,38 DM, dem 841,78 EUR entsprechen. Nach Verrechnung mit dem Nettoertrag der Wohnung von 511,00 EUR verbleibt noch eine Abzugsposition von rund 331,00 EUR monatlich vom Nettoeinkommen des Beklagten.

Es ergibt sich somit die folgende Unterhaltsberechnung:

Das Nettoeinkommen des Beklagten ist in dem angefochtenen Urteil für das Jahr 2001 und fortlaufend zutreffend mit 7333,26 DM festgestellt worden. Diesem war ein Wert für mietfreies Wohnen nicht zuzurechnen. Wie der Beklagte auf eine entsprechende Auflage des Gerichts unwidersprochen vorgetragen hat, wohnt er gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau in dem von dieser in die Ehe eingebrachten Haus. Unabhängig davon, ob der damit verbundene Wohnvorteil durch besondere Belastungen wieder aufgezehrt wird, kann er dem Beklagten nicht einkommenserhöhend zugerechnet werden, weil es sich dabei um die Zuwendung eines Dritten handelt, die dem Beklagten erkennbar nicht in der Absicht zugewendet wurde, seine Leistungsfähigkeit für den nachehelichen Unterhalt zu erhöhen.

Diesem Nettoeinkommen entsprechen umgerechnet 3749,44 EUR. Unter Berücksichtigung der für 2001 bis März 2002 dargestellten Nettoabzugsposition von 735,47 EUR (1438,46 DM) ergibt sich ein bereinigtes Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 3013,97 EUR. Dem steht das unstreitige Einkommen der Klägerin aus einer ihr zurechenbaren vollschichtigen Erwerbstätigkeit in Höhe von 1195,85 EUR (= 2338,88 DM) gegenüber, so dass eine Differenz von 1818,12EUR besteht. Unter Berücksichtigung des beiderseitigen Erwerbstätigenbonus in Höhe von 1/7 ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Differenzunterhalt in Höhe von 779,19 EUR, gerundet 779,00 EUR.

Beginnend mit dem April 2002 verändert sich die Berechnung aufgrund der nur noch in Höhe von netto monatlich 649,14 zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten des Beklagten, so dass sein bereinigtes Nettoeinkommen nunmehr 3100,30 EUR (3749,44 - 649,14 EUR) beträgt. Die Differenz zum Einkommen der Klägerin von 1195,85 EUR beträgt somit 1904,45 EUR, 3/7 hiervon sind 816,19 EUR gerundet 816,00 EUR.

Beginnend mit dem Oktober 2002 ist das Einkommen des Beklagten lediglich noch um 331,00 EUR zu bereinigen, so dass sich bei einem Nettoeinkommen in Höhe von 3418,44 EUR nunmehr ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 953,00 EUR ergibt (3418,53 - 1195,85 = 2.222,59, davon 3/7).

Der Klägerin war ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt aber nicht von unbefristeter Dauer zu zuerkennen. Der ihr zustehende Unterhaltsanspruch war vielmehr gemäß § 1573 Abs. 5 BGB bis zum 31.12.2004 zu begrenzen. Eine Begrenzung des Aufstockungsunterhalts kommt insbesondere in Betracht, wenn unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Dies ist vorliegend der Fall. Die Ehe der Parteien dauerte bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsanspruchs 14 Jahre und 9 Monate. Dieser relativen langen Dauer der Ehe kommt bei der Billigkeitsabwägung zwar ein bedeutendes Gewicht zu, sie steht einer zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs im konkreten Fall aber nicht entgegen. Von besonderer Bedeutung für die Befristung des Unterhalts ist neben der Dauer der Ehe auch, ob zwischen den Eheleuten ein hoher Grad beiderseitiger wirtschaftlicher Verflechtung eingetreten ist und besondere Abhängigkeiten oder ehebedingten Nachteile entstanden sind, die von solch durchschlagendem Gewicht sind, dass eine dauerhafte Unterhaltsleistung quasi garantiert sein muss (vgl. hierzu BGH NJW 1990 Seite 2810 f.).

Vorliegend sind derartige schwerwiegenden Gründe auf Seiten der Klägerin nicht festzustellen. Die Ehefrau war zum Zeitpunkt der Scheidung gerade 40 Jahre alt geworden. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Zwar hat die Klägerin behauptet, aufgrund krankheitsbedingter Einschränkungen nicht voll erwerbsfähig gewesen zu sein. Nach Vorliegen des in erster Instanz eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens, das derartige Beschränkungen nicht festgestellt hat, hat die Klägerin an diesem Vortrag aber nicht weiter festgehalten. Die Klägerin war auch bereits zum Zeitpunkt der Scheidung wieder in den Arbeitsmarkt integriert. Sie hatte schon vor der Trennung eine Halbtagsbeschäftigung aufgenommen. Es bedurfte daher keiner besonderen Anstrengung ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst ausgeführt hat, hatte sie bei ihrer jetzigen Arbeitsstelle auch Gelegenheit, ihre halbschichtig ausgeübte Erwerbstätigkeit auszuweiten, sie hat dies aber nicht nachdrücklich verfolgt. Ihrer vollen Integration in den Arbeitsmarkt schon zu einem früheren Zeitpunkt standen somit nicht aus der Ehezeit herrührende Einschränkungen entgegen, sondern ausschließlich das subjektive Befinden der Klägerin, die sich zu einer vollschichtigen Arbeitstätigkeit nicht in der Lage sah. Soweit die Klägerin in den Jahren 1980 bis 1985 wegen des Kinderwunsches der Parteien einer Erwerbstätigkeit gar nicht und in der Zeit bis 1987 nur eingeschränkt nachging, hat dies keine negativen Folgewirkungen auf ihre spätere berufliche Integration gehabt, im Gegenteil hat sie während dieser Zeit noch an einem Sekretärinnenkurs bei der XYZ in Duisburg über einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren teilgenommen und ihre berufliche Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt somit erhöht. Auch das Einkommensgefälle zwischen den Parteien ist nicht ehebedingt, sondern beruht darauf, dass der Beklagte vor der Ehe eine besonders qualifizierte Berufsausbildung gemacht hat, welche das Qualifikationsniveau der Klägerin deutlich übertrifft.

Allerdings hält der Senat im Hinblick auf die relativ lange Dauer der Ehe eine zeitliche Begrenzung erst ab 01.01.2005 für gerechtfertigt. Der Klägerin soll auf diese Weise auch Gelegenheit gegeben werden, sich längerfristig auf den Wegfall ihres Unterhaltsanspruchs einzurichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO war die Revision gegen dieses Urteil zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Befristung des nachehelichen

Juncker Diehl Michalik