OLG Frankfurt vom 15.03.2000 (1 UF 285/99)

Stichworte: Postzustellungsurkunde, Privatisierung, Post, Beweiskraft, öffentliche Urkunde.
Normenkette: ZPO 415, 195 Abs. 2
Orientierungssatz: Zur Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde von Bediensteten der privatisierten Deutschen Post AG

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 15.03.2000 beschlossen:

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Prozeßkostenhilfe für eine von ihr einzulegende Berufung gegen das am 09. 09. 1999 verkündete Scheidungsurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main Abt. Höchst wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

Mit dem in dem Beschlußtenor näher bezeichneten Urteil hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden. Folgensachen standen nicht zur Regelung an, da dahingehende Anträge nicht gestellt worden sind und der Versorgungsausgleich durch notarielle Urkunde ausgeschlossen worden war.

Die Antragsgegnerin möchte hiergegen Berufung einlegen und bittet hierfür um Prozeßkostenhilfe. Sie rügt Verletzung rechtlichen Gehörs, da sie, wohl durch entsprechende Manipulationen des mit ihr in Haushaltsgemeinschaft zusammenlebenden Ehemannes, von dem Scheidungsverfahren nicht und von dem Scheidungsurteil erst spät und durch Zufall Kenntnis erlangt habe.

Die beantragte Prozeßkostenhilfe kann der Antragsgegnerin mangels hinreichender Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) nicht bewilligt werden. Nach der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde (Bl. 21 d.A.) ist ihr das Scheidungsurteil am 28. 09. 1999 zum Zwecke der Zustellung persönlich ausgehändigt worden. Ihr Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Berufung hiergegen ist erst (per Fax) am 02. 11. 1999, einem Dienstag, beim Oberlandesgericht eingegangen. Die auch für einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe der kostenarmen Partei zu beachtende Berufungsfrist ist damit versäumt.

Ohne Erfolg wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde. Soweit sie sich auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 11. 09. 1997 (NJW 1997, 3329) beruft, wonach seit Privatisierung der Deutschen Post die von deren Mitarbeitern aufgenommenen Zustellungsurkunden keine öffentlichen Urkunden im Sinne des § 415 ZPO seien, betrifft dies einen früheren Rechtszustand. Mit Gesetz vom 18. 02. 1998, BGBl. 866, in Kraft seit 14. 05. 1998, ist § 195 Abs. 2 ZPO um einen neuen Satz 3 ergänzt worden, wonach für Zustellungsurkunden der Bediensteten der Deutschen Post AG § 418 ZPO entsprechend gilt. Die Zustellungsurkunde ist damit eine öffentliche Urkunde, die Beweis für den darin beurkundeten Vorgang, nämlich Zustellung des Urteils an sie persönlich, erbringt.

Im übrigen ist es auch nicht zutreffend, daß sie von dem Verfahren keine Kenntnis erlangt habe. Nach einer vom Senat eingeholten Postabholanfrage vom 07. 02. 2000 (Bl. 58 d.A.) ist die Scheidungsschrift, niedergelegt am 12. 08. 1999, persönlich am 16. 08. 1999 abgeholt worden. Da, wie amtsbekannt, bei Abholung niedergelegter Schriftstücke eine Identitätsprüfung stattfindet und die Zustellungsurkunde den Zusatz "keine Zustellung an Ehemann" enthält, ist davon auszugehen, daß die Aushändigung der Scheidungsantragsschrift an sie persönlich erfolgt ist. Zugleich mit der Scheidungsantragsschrift ist ihr auch die Ladung zum Termin am 09. 09. 1999 zugestellt worden.

Unter diesen Umständen hatte sie allen Anlaß und damit auch die Obliegenheit, das ihr zugestellte Scheidungsurteil, selbst wenn sie es mangels hinreichender Sprachkenntnisse nicht vollständig erfaßt haben sollte, alsbald auf seine Bedeutung und Tragweite überprüfen zu lassen und sich über etwaige einzulegende fristgebundene Rechtsmittel zu informieren.

Wegen Versäumung der Berufungsfrist kann die Antragsgegnerin nicht damit rechnen, daß ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden wird. Ihrem Gesuch um Prozeßkostenhilfe fehlt es damit an der erforderlichen Erfolgsaussicht.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt. Das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden gemäß § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO nicht erstattet.

Juncker Michalik Carl