OLG Frankfurt vom 21.06.2001 (1 UF 272/99)

Stichworte: marokkanische Ehescheidung, Voraussetzungen, Unterhaltspflichtverletzung
Normenkette: EGBGB 17, 14 CSPS 35 Nr. 1
Orientierungssatz: Zu den Scheidungsvoraussetzungen für die Ehefrau bei Unterhaltspflichtverlertzung des Ehemannes nach marokkanischem Recht

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschweiler, die Richterin am Oberlandesgericht Michalik und den Richter am Oberlandesgericht Carl auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.4.2001 für Recht erkannt:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 17.9.1999 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien haben am 21.9.1978 die Ehe geschlossen, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, von denen das jüngste, F., geboren am 22.8.1994, noch minderjährig ist.

Die Parteien hatten bei Eheschließung beide die marokkanische Staatsangehörigkeit, im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind F. auf die Mutter übertragen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Antragsgegner weiter seinen Antrag auf Abweisung des Scheidungsantrags.

Der Antragsgegner beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Scheidungsantrag der Antragstellerin abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Antragsgegners ist zulässig, in der Sache hat sie keinen Erfolg.

Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist begründet. Die Scheidung der Ehe unterliegt nach Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB i.V.m. Art. 17 Abs. 1 EGBGB dem marokkanischen Recht. Daß die Antragstellerin zwischenzeitlich deutsche Staatsangehörige geworden ist, hat darauf keinen Einfluß, weil auf die letzte gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien abzustellen ist (Art 17 Abs. 1 i.V.m. Art 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB).

Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist nach Art. 53 des marokkanischen Code du Statut Personnel et des Successions (CSPS) auch begründet. Die Ehefrau kann danach die Scheidung von ihrem Mann verlangen, wenn er nicht für ihren Unterhalt sorgt.

Vorliegend besteht zwischen den Parteien Streit, ob der Antragsgegner seiner Unterhaltsverpflichtung während des Zusammenlebens zunächst noch nachgekommen ist, unstreitig ist aber, daß er wegen des Bezugs von Sozialhilfe seit geraumer Zeit nicht mehr dazu in Lage ist, für den Unterhalt zu sorgen. Die Antragstellerin ist seit der Trennung von ihrem Mann wieder voll erwerbstätig. Bei Anwendung deutschen Rechts hätte die Antragstellerin einen Unterhaltsanspruch nur im Fall ihrer Bedürftigkeit und könnte Unterhalt nicht verlangen, wenn ihr Mann leistungsunfähig wäre. Vorliegend wäre demnach bereits die Bedürftigkeit zweifelhaft - unter Umständen wäre die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wegen Betreuung des noch kleinen Kindes F. aber als unzumutbar anzusehen - , jedenfalls fehlt es aber an der Leistungsfähigkeit des Mannes.

Diese Beurteilung der Unterhaltsverpflichtung wird dem marokkanisch-islamischen Scheidungsstatut aber nicht gerecht. Den Mann trifft danach eine Unterhaltseinstandspflicht unabhängig davon, ob die Frau reich oder arm ist. Er allein hat die Kosten des ehelichen Haushalts zu tragen, für Nahrung, Kleidung, ärztliche Behandlung und Wohnung zu sorgen (Art. 35 Nr. 1 CSPS). Dies gilt auch dann, wenn die Ehefrau erwerbstätig ist. Bei einer Verletzung dieser Verpflichtung kann die Ehefrau die Scheidung verlangen (vgl. zu den Voraussetzungen auch Henrich, Scheidung wegen Unterhaltsverweigerung nach islamischen Recht in IPRax 1995, Seite 166 f).

Die Unterhaltsverpflichtung des Mannes entfällt aber, wenn die Ehefrau sich nicht in der ehelichen Wohnung aufhält, sondern diese gegen den Willen des Mannes verläßt. Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau richtet sich nämlich gem. Art. 53 Ziff. 1 CSPS nur gegen den anwesenden Ehemann. Diese Voraussetzung liegt nach ihrem Wortlaut hier nicht vor. Der Senat gelangt jedoch in Auslegung des marokkanischen Rechts zu der Auffassung, daß eine Frau auch vom abwesenden Ehemann Unterhalt verlangen kann, wenn ihr ein Verbleiben in der Ehewohnung nicht zugemutet werden kann. Eine solche Situation kann eintreten, wenn der Ehemann gegen seine Rechte und Pflichten aus der Ehe verstößt. Dazu gehört nach Art. 34 Ziff. 2 CSPS, daß er seiner Frau Achtung und Zuneigung entgegenbringt. Daran hat es der Antragsgegner vorliegend fehlen lassen. Aufgrund der gerichtlichen Vernehmung der volljährigen Tochter der Parteien als Zeugen steht fest, daß es zwischen den Eheleuten zu Streitigkeiten gekommen ist, in deren Verlauf der Antragsgegner seine Ehefrau beschimpft hat. Die Tochter erinnerte sich daran, daß er sie als Schlampe und Hure beschimpft und sie auch mit anderen Schimpfwörtern tituliert hat. Die Zeugin konnte sich auch noch daran erinnern, daß ihr Vater bei solchen Streitigkeiten die Mutter bedroht hat. Dieses Verhalten des Antragsgegners stellt eine Mißachtung der Person der Ehefrau dar, die es ihr unzumutbar machte, länger die Wohnung mit dem Ehemann zu teilen. Ihre Abwesenheit steht somit ihrem Unterhaltsanspruch nicht entgegen. Da der Antragsgegner Unterhalt nicht leistet, war die Ehe daher auf Antrag der Antragstellerin zu scheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.

Dr. Eschweiler Carl Michalik