OLG Frankfurt vom 30.10.2000 (1 UF 241/00)

Stichworte: Betriebsrente, Satzungsänderung, Betriebsvereinbarung Betriebsrente, Kapitalabfindung
Normenkette: BGB 1587 a Abs.2 Ziff.3
Orientierungssatz: Durch Betriebsvereinbarung können auch bestehende Versorgungsordnungen inhaltlich abgeändert werden. Wird die Betriebsrente satzungsgemäß durch eine Kapitalleistung abgefunden, unterfällt sie nicht dem Versorgungsausgleich, sondern dem Zugewinnausgleich. Dies gilt auch, wenn die Abfindung in Raten gezahlt wird. Zulassung der Revision

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Famailiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Langen vom 26. Juli 2000 am 30. Oktober 2000 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückge-wiesen.

Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 DM festgesetzt.

Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluß wird zugelassen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Beide Parteien haben während der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung Anwartschaften erworben. Zum Ausgleich dieser Anwartschaften hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 116,01 DM zugunsten der Antragsgegnerin übertragen. Beide Parteien waren während der gesamten Ehezeit i. S. des § 1587 Abs. 2 BGB, das ist die Zeit vom 1.10.1980 bis 30.6.1999, bei der Firmengruppe Bosch, zuletzt Bosch Telekom GmbH, als Arbeitnehmer beschäftigt. Beide haben dort Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung erworben. Aufgrund einer Betriesvereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat der Bosch Telekom GmbH vom 18.11.1998 ist das System der betrieblichen Altersversorgung bei der Arbeitgeberin der Parteien mit Wirkung ab 1.1.1999 für die nach dem 31.12.1998 eintretenden Versorgungsfälle umgestellt worden. Aufgrund dieser Vereinbarung erfolgt die Auszahlung der Versorgungsguthaben, wenn dieses nicht mehr als 90.000,00 DM beträgt, als einmalige Kapitalzahlung. Übersteigt das Versorgungsguthaben den Betrag von 90.000,00 DM erfolgt die Auszahlung in Raten, die jeweils am 28. Februar des auf den Versorgungsfall folgenden Jahres fällig sind. Die Teilbeträge werden so festgelegt, daß sie dem Wert von 30.000,00 DM möglichst nahe kommen, wobei das Unternehmen nicht verpflichtet ist, das Versorgungsguthaben in mehr als 8 Raten auszuzahlen. Übersteigt das Guthaben den Betrag von 240.000,00 DM behält sich das Unternehmen vor, es ganz oder teilweise zu verrenten. Diese Rente wird dann lebenslang gezahlt.

Das Amtsgericht hat die beiderseitigen Anwartschaften der Parteien auf betriebliche Altersversorgung nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen, da es sich nicht um eine Rentenleistung, sondern um eine Kapitalleistung handele. Mit ihrer Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, daß die beiderseitigen Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung in den Versorgungsausgleich einzubeziehen seien, wobei sie davon ausgeht, daß der Antragsgegner während der Ehezeit auch insoweit die höheren Anwartschaften erworben habe.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Recht die Anwartschaften der Parteien auf betriebliche Altersversorgung nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen, da es sich nicht um Anwartschaften auf laufende Renten, sondern auf Kapitalleistungen handelt, welche nicht dem Versorgungsausgleich, sondern dem Zugewinnausgleich unterliegen. Maßgebend für die Bewertung der Anwartschaften ist die Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1998, die am 1. Januar 1999 und damit vor Zustellung des Scheidungsantrags in Kraft getreten ist. Durch Betriebsvereinbarung können auch bestehende Versorgungsordnungen inhaltlich abgeändert werden (Höfer/Abt, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl., Kapitel arbeitsrechtliche Grundriß Randnummer 208; Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, § 7 Rdnr. 187). Die ab 1. Januar 1999 geltende Regelung bedeutet, daß die betriebliche Altersversorgung nicht als Rente, sondern als Kapitalleistung gezahlt wird. An dem Charakter als Kapitalleistung ändert sich auch nichts dadurch, daß bei Beträgen über 90.000,00 DM die Auszahlung in Jahresraten erfolgt. Insoweit handelt es sich um eine Regelung, wonach das Kapital auf mehrere Raten verteilt ausgezahlt wird. Der wesentliche Unterschied zu einer zeitlich befristeten Rente liegt darin, daß nicht von vorne herein auf eine bestimmte Laufzeit einer Versorgungsrente abgestellt ist, sondern daß ein bestimmtes Kapital nach der Betriebsvereinbarung festgestellt wird, welches in Raten auszuzahlen ist. Die Regelung ist auf eine Auszahlung von max. 8 Jahresraten angelegt und steht damit einer einmaligen Kapitalabfindung näher als einer Rente, die den Charakter einer auf Dauer gesicherten Altersversorgung hat.

Die bisherige Rechtsprechung hat sich mit der Problematik der Einbeziehung von Kapitalleistungen in den Versorgungsausgleich im Wesentlichen mit Anwartschaften aus Lebensversicherungsverträgen beschäftigt, auch wenn diese im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung bestanden. Der Bundesgerichtshof hat in dem grundsätzlichen Beschluß vom 9.11.1983 (FamRZ 1984, S. 156) solche Lebensversicherungen nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen. Die Instanzgerichte und der überwiegende Teil der Literatur (Münchener Kommentar - Rühmann, BGB, 3. Aufl., § 1587 a, Rdnr. 301; Johannsen/Henrich Eherecht, 3. Aufl., § 1587 a BGB, Rdnr. 131) sind dem gefolgt. Ein Teil der Literatur spricht sich demgegenüber für die Einbeziehung auch von Kapitalleistungen aus (Borth, Versorgungsausgleich in der anwaltlichen und familiengerichtlichen Praxis, 3. Aufl., Rdnr. 51).

Der Senat hat sich grundsätzlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Nichteinbeziehung von Kapitallebensversicherungen in den Versorgungsausgleich angeschlossen. An dieser Rechtsprechung hält er auch für den hier vorliegenden Fall, bei dem die Kapitalleistung ohne Einschaltung eines Lebensversicherungsunternehmens unmittelbar vom Arbeitgeber erbracht wird, fest (ebenso OLG Ffm. -2. Familiensenat, Beschluß vom 8.10.1999 - 2 UF 226/99). Die vom Bundesgerichtshof für die Nichteinbeziehung von Kapitallebensversicherungen in den Versorgungsausgleich angeführten Argumente gelten in gleicher Weise für Kapitalleistungen, die nicht aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages erfolgen. Auch insoweit gilt der Gedanke, daß das Versorgungsausgleichssystem auf den Ausgleich wiederkehrender Versorgungsleistungen und nicht auf den Ausgleich von Kapitalbeträgen zugeschnitten ist. Hinzu kommt, daß bei derartigen Anrechten nach Auszahlung des Kapitals an den ausgleichsverpflichteten Ehegatten der verlängerte schuldrechtliche Versorgungsausgleich nicht mehr greifen kann, welcher zeitlich nach der erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs durch das Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8.12.1986 eingeführt wurde.

Der Auffassung der Antragsgegnerin, Kapitalleistungen aufgrund einer Direktzusage des Arbeitgebers könnten anders als solche aufgrund eines Lebensversicherungsvertrags nicht im Zugewinnausgleich berücksichtigt werden, kann nicht zugestimmt werden. Der bis zum Stichtag für die Berechnung des Endvermögens unverfallbare Teil der Versorgungsanwartschaft kann errechnet werden und - unter Berücksichtigung einer Abzinsung (BGH FamRZ 1992, S. 411, 413) - für den Zugewinnausgleich bewertet werden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob auch Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung in Form einer Kapitalleistung, die nicht auf einem vom Arbeitgeber abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag beruhen, nicht beim Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind, hat der Senat die weitere Beschwerde zugelassen (§§ 621 d Abs. 1, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 und 3 ZPO.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 17 a GKG. Sie beruht auf der Erwägung, daß nur ein verhältnismäßig geringer Wertunterschied zwischen den beiderseits erworbenen Anwartschaften gegenüber der Arbeitgeberin zu erwarten ist. Dies folgt daraus, daß die Betriebszugehörigkeit beider Parteien die gesamte Ehezeit umfaßt und der Ausgleichsbetrag in der gesetzlichen Rentenversicherung nur geringfügig über 100,00 DM monatlich liegt.

Dr. Eschweiler Juncker Noll