OLG Frankfurt vom 03.04.2009 (1 UF 218/08)

Stichworte: begrenztes Realsplitting, Nachteilsausgleich; Nachteilsausgleich, begrenztes Realsplitting; Verwirkung, Nachteilsausgleich beim Realsplitting;
Normenkette: BGB 242; EStG 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a;
Orientierungssatz:
  • Für den Umfang der Einkommenszurechnung beim Unterhaltsempfänger nach § 22 Nr. 1a EStG ist unabhängig vom Umfang des tatsächlich gewährten Unterhalts die Höhe des Sonderausgabenabzugs beim Unterhaltsgeber nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG maßgeblich.
  • Die Unterhaltsempfängerin haftet dem Unterhaltsgeber nicht für Sorgfaltspflichtverletzungen im Rahmen ihrer eigenen Steuererklärung. Sie ist bei Durchführung des begrenzten Realsplittings auch nicht verpflichtet, ihre steuerliche Gestaltungsfreiheit im Interesse desjenigen auszuüben, der die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting verlangt. Dieser ist in seinem Vertrauen auf einen Bestimmten Nettosteuervorteil nicht geschützt.
  • Ein mutwilliges Hinwegsetzen über schwerwiegende Vermögensinteressen kann jedoch im Rahmen des Nachteilsausgleichs Verwirkungsfolgen auslösen. Der Zeitablauf allein begründet kein schützenswertes Vertrauen darauf, ein Nachteilsausgleich werde nicht geltend gemacht.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    U R T E I L

    In der Familiensache

    hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Grün als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. 3. 2009 für Recht erkannt:

    Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 21. 7. 2008 wird zurückgewiesen.

    Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.545,09 EUR festgesetzt.

    Gründe:

    Die Parteien sind seit 2002 geschiedene Eheleute. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Steuererklärungen für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 jährlich 13.805 EUR im Wege des begrenzten Realsplittings als Sonderabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht. Dem lag zugrunde, dass er auf Grund einer im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung eingegangenen Verpflichtung an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 438 EUR zahlte und weiteren Unterhalt in Form der Wohnungsüberlassung gewährte.

    Mit der Klage macht die Klägerin den Ausgleich der Nachteile geltend, die ihr aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 entstanden sind. Diese Nachteile beziffert sie unter Vorlage der Steuerbescheide 2002 bis 2005 für das Kalenderjahr 2002 auf 2.528,14 EUR, für das Kalenderjahr 2003 auf 3.371,79 EUR, für das Kalenderjahr 2004 auf 3.875,92 EUR und für das Kalenderjahr 2005 auf 3.769,24 EUR.

    Der Beklagte hat in erster Instanz geltend unter anderem gemacht, der tatsächlich gewährte Unterhalt sei geringer gewesen als der im Rahmen der steuerlichen Veranlagung der Klägerin als Einkünfte aus Unterhalt zugerechnete Betrag. Ferner habe die Klägerin im Rahmen ihrer steuerlichen Veranlagung die ihr zur Verfügung stehenden Steuersparmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft, insbesondere habe sie die Möglichkeit ungenutzt gelassen, noch für zwei Jahre von der Abschreibung nach § 10e EStG Gebrauch zu machen. Schließlich hat der Beklagte noch die Aufrechnung hinsichtlich eines für die Kalenderjahre 2000 und 2001 der Klägerin ausgekehrten Erstattungsbetrages erklärt. Das Amtsgericht hat den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß zur Zahlung von 13.545,09 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30. 5. 2007 verurteilt. Der steuerliche Schaden ergebe sich aus der von der Klägerin vorgelegten Berechnung ihres Steuerberaters. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die ihr noch verbleibende Möglichkeit der weiteren Abschreibung nach § 10e EStG gerade in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu nutzen. Eine Aufrechnung gegen den Nachteilsausgleichsanspruch sei nicht eröffnet.

    Der Beklagte beanstandet mit seiner Berufung, dass das Amtsgericht hinsichtlich der Höhe des steuerlichen Nachteils trotz des Bestreitens des Beklagten kein Sachverständigengutachten eingeholt und es auch unterlassen habe, hinsichtlich des streitigen Vortrags zur tatsächlichen Höhe des gewährten Unterhalts Beweis zu erheben. Unterhalt sei nur in Höhe von 11.040 EUR jährlich gewährt worden und daher auch nur in dieser Höhe der Klägerin als Einkommen zuzurechnen gewesen. Auch sei der Frage nachzugehen, in welchem Umfang sich der steuerliche Nachteil reduziert hätte bei Inanspruchnahme der der Beklagten noch für eine Übergangszeit eröffnet gewesenen Möglichkeit der Abschreibung nach § 10e EStG. Der Beklagte bestreitet, dass die Klägerin die Möglichkeiten zur Steuerersparnis voll genutzt habe und dass die Steuerbescheide der Klägerin auf zutreffenden Steuererklärungen beruhten. Im Übrigen erachtet er den Nachteilsausgleichsanspruch im Hinblick auf den Zeitablauf bis zu seiner Geltendmachung als verwirkt und erklärt zudem weiterhin die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Rückzahlung der von ihm der Klägerin gewährten anteiligen Auszahlung der Steuererstattung für die Kalenderjahre 2000 und 2001.

    Der Beklagte beantragt,

    das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin, die das angefochtene Urteil verteidigt, beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Auf die von den Parteien vorgelegten jeweiligen Einkommenssteuerbescheide für die Kalenderjahre 2000 - 2005 wird Bezug genommen.

    Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestands wird abgesehen.

    Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch zu. Sie kann von dem Beklagten den Ausgleich der infolge der Durchführung des begrenzten Realsplittings entstandenen finanziellen Nachteile verlangen.

    Ein solcher Erstattungsanspruch folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. FamRZ 2005, 1162; FamRZ 1985, 1232, 1233; FamRZ 1992, 534; FamRZ 1992, 1050, 1051; FamRZ 1997, 544, 546) aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses. Die Verpflichtung zur Freistellung von finanziellen Nachteilen aus dem Realsplitting besteht unabhängig davon, ob eine ausdrückliche Freistellungserklärung erfolgt ist (BGH FamRZ 1992, 534; FamRZ 1985, 1232, 1233). Der Nachteilsausgleichsanspruch korrespondiert jeweils mit der Verpflichtung der Klägerin, auf Verlangen des Unterhaltspflichtigen der Durchführung des begrenzten Realsplittings zuzustimmen. Wer die Mitwirkung des Unterhaltsberechtigten einfordert, um für sich steuerliche Vorteile zu verwirklichen, ist aus Treu und Glauben regelmäßig verpflichtet, dem Berechtigten die hieraus entstehenden finanziellen Nachteile zu erstatten. Hier beschränkt sich die Klägerin darauf, die steuerlichen Nachteile erstattet zu verlangen.

    Diese steuerlichen Nachteile resultieren daraus, dass die Klägerin gemäß § 22 Nr. 1a EStG Einkünfte aus Unterhaltsleistungen in der Höhe versteuern muss, wie sie vom Beklagten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Wege des begrenzten Realsplittings als Sonderausgaben abgezogen wurden. Die steuerliche Einkommenszurechnung auf Seiten der Klägerin korrespondiert zwingend mit den vom Beklagten geltend gemachten Sonderausgaben im Wege des begrenzten Realsplittings. Unterhaltsleistungen werden beim Empfänger nur dann und nur in der Höhe als steuerpflichtige Einkünfte erfasst, wie sie vom Unterhaltsleistenden als Sonderausgaben beantragt wurden. Dies gilt unabhängig von der Höhe des tatsächlich geleisteten Unterhalts, sondern maßgeblich für die Höhe der Einkommenszurechnung bei dem Unterhaltsempfänger ist die Höhe des Sonderausgabenabzugs beim Unterhaltsgeber.

    Hier ergibt sich aus den von dem Beklagten vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden für die Kalenderjahre 2002 - 2005, dass vom ihm in jedem Kalenderjahr nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein Sonderabzug für Unterhaltsleistungen in Höhe von 13.805 EUR - mithin in Höhe des Höchstbetrages - geltend gemacht wurde. Dies löst zwingend aus, dass auf Seiten der Klägerin 13.805 EUR abzüglich 102 EUR Werbungskostenpauschale als zu versteuerndes Einkommen angesetzt wurden. Da dies unabhängig von der Höhe des tatsächlich geleisteten Unterhalts gilt, mag der Vortrag des Beklagten, tatsächlich sei von ihm geringerer Unterhalt gewährt worden, zwar für die Frage von Bedeutung sein, ob der Beklagte in Höhe eines Teilbetrages zu Unrecht Sonderausgaben geltend gemacht hat. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist dieser Vortrag jedoch unerheblich, da nach § 22 Nr. 1a EStG der Klägerin zwingend als Einkommen aus Unterhalt der Betrag zugerechnet wird, den der Beklagte durch Vorlage der Anlage " U" als Sonderausgaben geltend gemacht hat.

    Der Klägerin sind hier aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings in den Kalenderjahren 2002 bis 2005 Steuernachteile in Höhe von insgesamt 13.545,09 EUR entstanden. Dies lässt sich ohne weiteres aus den von der Klägerin vorgelegten Steuerbescheiden unter Zuhilfenahme der Steuertabellen für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 feststellen. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es hierzu nicht.

    Nach dem Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2002 hat die Klägerin bei einem zu versteuernden Einkommen von 17.193 EUR Einkommensteuer von 2.443 EUR und Kirchensteuer von 85,14 EUR zahlen müssen. Ohne die der Klägerin wegen des Realsplittings als Einkünfte aus Unterhaltsleistungen zugerechneten 13.804 EUR abzüglich Werbungskostenpauschbetrag von 102 EUR - mithin 13.702 EUR - hätte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin nur 3.491 EUR betragen und es wären hierauf keine Steuern angefallen, so dass die gesamte Steuerlast für 2002 auf der Durchführung des begrenzten Realsplittings beruht.

    Nach dem Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2003 hat die Klägerin bei einem zu versteuernden Einkommen von 19.604 EUR Einkommensteuer von 3.144 EUR, Kirchensteuer von 141,39 EUR und Solidaritätszuschlag von 86,40 EUR zahlen müssen. Ohne die der Klägerin wegen des Realsplittings als Einkünfte aus Unterhaltsleistungen zugerechneten 13.702 EUR hätte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin nur 5.902 EUR betragen und es wären hierauf keine Steuern angefallen, so dass auch die gesamte Steuerlast für 2003 auf der Durchführung des begrenzten Realsplittings beruht.

    Für das Kalenderjahr 2004 ergibt sich aus dem Steuerbescheid der Klägerin, dass sie bei einem zu versteuernden Einkommen von 23.591 EUR Einkommensteuer von 3.938 EUR, Kirchensteuer von 206,64 EUR und Solidaritätszuschlag von 126,28 EUR hat zahlen müssen. Ohne die der Klägerin wegen des Realsplittings als Einkünfte aus Unterhaltsleistungen zugerechneten 13.702 EUR hätte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin nur 9.889 EUR betragen und es wären hierauf ausweislich der Einkommensteuer-Grundtabelle lediglich Einkommensteuern von 395 EUR, im Hinblick auf den Kinderfreibetrag jedoch keine Kirchensteuer und kein Solidaritätszuschlag angefallen, so dass von der Steuerlast für 2004 ein Betrag von 3.875,92 EUR auf der Durchführung des begrenzten Realsplittings beruht.

    Für das Kalenderjahr 2005 ergibt sich aus dem Steuerbescheid der Klägerin, dass sie bei einem zu versteuernden Einkommen von 23.306 EUR Einkommensteuer von 3.777 EUR, Kirchensteuer von 196,29 EUR und Solidaritätszuschlag von 119,95 EUR hat zahlen müssen. Ohne die der Klägerin wegen des Realsplittings als Einkünfte aus Unterhaltsleistungen zugerechneten 13.702 EUR hätte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin nur 9.604 EUR betragen und es wären hierauf lediglich Einkommensteuern von 324 EUR und im Hinblick auf den Kinderfreibetrag keine Kirchensteuer und kein Solidaritätszuschlag angefallen, so dass von der Steuerlast für 2005 ein Betrag von 3.769,24 EUR auf der Durchführung des begrenzten Realsplittings beruht.

    Damit addieren sich für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 steuerliche Nachteile in Höhe der vom Amtsgericht zugesprochenen Klageforderung.

    Soweit der Beklagte pauschal bestreitet, dass die Angaben der Klägerin in ihren jeweiligen Steuererklärungen zutreffend seien, ist dieses Bestreiten unsubstantiiert und unerheblich. Hinsichtlich der der Klägerin zugerechneten Einkünfte aus Unterhalt kommt es im Hinblick auf § 22 Nr. 1a EStG auf die Angeben der Klägerin selbst gar nicht an, sondern auf den jeweils vom Beklagten geltend gemachten Sonderausgabenabzug, wie er sich jeweils aus seinen Einkommenssteuerbescheiden ergibt. Als weitere Einkünfte hat die Klägerin nur solche aus nichtselbständiger Arbeit. Diese ergeben sich aus entsprechenden Lohnsteuerbescheinigungen des Arbeitgebers und können nicht von der Klägerin in einer frei erfundenen Höhe angegeben werden.

    Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Beklagten, die Klägerin habe nicht alle steuerlichen Abzugs- und Abschreibungsmöglichkeiten ausgeschöpft, zutrifft, da er selbst dann hieraus keine Minderung des Nachteilsausgleichsanspruchs herleiten könnte. Der Nachteilsausgleichsanspruch ist kein Schadensersatzanspruch mit einer entsprechend korrespondierenden Schadensminderungspflicht der Klägerin. Die Klägerin haftet dem Beklagten gegenüber nicht für Sorgfaltspflichtverletzungen im Rahmen ihrer eigenen Steuererklärung, sondern dem Nachteilsausgleichsanspruch können allenfalls im Wege des Verwirkungseinwands unterhaltsbezogene Obliegenheitsverletzungen - insbesondere in Form des mutwilligen Hinwegsetzens über schwerwiegende Vermögensinteressen des Ausgleichspflichtigen - entgegengehalten werden. Für derartige Verwirkungstatsachen ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Ein solchermaßen mutwilliges schädigendes Verhalten kann dem Vortrag des Beklagten nicht entnommen werden. Die Klägerin hat ihre Steuererklärungen mit Hilfe eines Lohnsteuerhilfevereins abgegeben und somit fachkundige Hilfe in Anspruch genommen. Soweit hierbei zu ihrem Nachteil - und als Folgewirkung auch zum Nachteil des Ausgleichspflichtigen - Fehler unterlaufen sein sollten, stellt dies keine unterhaltsbezogene Obliegenheitsverletzung der Klägerin dar.

    Der Senat folgt der Beurteilung des Amtsgerichts, dass auch keine den Anspruch mindernden Rechtsfolgen daraus herzuleiten sind, dass die Klägerin die Möglichkeit, die Abschreibung nach § 10e EStG noch für zwei weitere Jahre in Anspruch zu nehmen, aufgespart hat für den Fall, dass sie selbst einmal künftig Wohneigentum erwerben will. Die Klägerin ist in ihrer steuerlichen Gestaltungsfreiheit nur insoweit eingeschränkt, als sie die Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings nicht verweigern darf. Sie ist jedoch bei Durchführung des begrenzten Realsplittings nicht verpflichtet, ihre steuerliche Gestaltungsfreiheit im Interesse desjenigen auszuüben, der die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting verlangt. Dieser ist nämlich in seinem Vertrauen auf einen bestimmten Nettosteuervorteil nicht geschützt. Der Nachteilsausgleichsanspruch steht selbst dann zu, wenn dem Unterhaltspflichtigen entgegen seiner Erwartung im Ergebnis gar kein Nettosteuervorteil verbliebe (OLG Frankfurt - Urteil vom 8. 2. 2008 - 1 UF 103/06; OLG Hamm OLGR Hamm 1993, 123). Hier ist dem Beklagten im Übrigen auch nach Abzug des Nachteilsausgleichs ein erheblicher Nettosteuervorteil verblieben. So lässt sich aus den von ihm vorgelegten Steuerbescheiden unter Anwendung der jeweiligen Steuergrundtabellen errechnen, dass er aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings einen Steuervorteil allein aus der Einkommensteuer von jährlich rund 6.700 EUR hatte. Noch nicht berücksichtigt sind dabei die Auswirkungen des Realsplittings auf den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer. Vor diesem Hintergrund kann der Klägerin aus ihrer steuerlichen Gestaltung der Vorwurf eines mutwilligen Hinwegsetzens über schwerwiegende Vermögensinteressen des Beklagten nicht gemacht werden.

    Der Nachteilsausgleichsanspruch kann - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - ohne die Einschränkung des § 1585b Abs. 3 BGB rückwirkend geltend gemacht werden (BGH FamRZ 2005, 1162). Wer das begrenzte Realsplitting für sich in Anspruch nimmt, muss sich darauf einstellen, dass es zu einem Ausgleich steuerlicher Nachteile kommen kann.

    Der Anspruch ist hier auch nicht wegen des Zeitablaufs bis zu seiner Geltendmachung verwirkt. Eine solche Verwirkung kommt bei Unterhaltsansprüchen hinsichtlich zurückliegender Zeiträume zwar in Betracht, wenn diese über längere Zeit nicht geltend gemacht werden. Dies hat seine Grundlage jedoch in den unterhaltsrechtlichen Besonderheiten, dass durch §§ 1613, 1585b BGB der Schuldnerschutz bei länger zurückliegenden Unterhaltszeiträumen besondere Beachtung verdient, weil Unterhaltsansprüche zur Deckung von Unterhaltsbedürfnissen bestimmt sind und deshalb der Zeitablauf Anlass zu der Annahme gibt, dass der Bedarf anderweitig gedeckt wurde, was zu einem nach Treu und Glauben schützenswerten Vertrauen des Unterhaltspflichtigen führen kann, dass Unterhalt für zurückliegende Zeiträume nach langem Zeitablauf nicht mehr geltend gemacht wird. Von einem Unterhaltsgläubiger kann mit Blick auf den Unterhaltszweck eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Diese Grundsätze gelten jedoch nicht in gleicher Weise für den Nachteilsausgleichsanspruch. Dieser ist nicht bedürftigkeitsabhängig und unterliegt nicht den Schranken des § 1585b BGB. Hinsichtlich eines Verwirkungseintritts wegen Zeitablaufs gelten für den Nachteilsausgleichsanspruch nicht die unterhaltsrechtlichen Besonderheiten, sondern insoweit gelten für einen Verwirkungseintritt die Voraussetzungen wie für sonstige vermögensrechtliche Ansprüche. Diese können - zumal wenn sie wie hier der kurzen Regelverjährung unterliegen - nicht allein aus dem hier vorliegenden Zeitablauf als verwirkt erachtet werden. Da der Nachteil erst mit der Festsetzung der Steuern im Jahressteuerbescheid der Klägerin der Höhe nach feststeht, entsteht der Nachteilsausgleichsanspruch erst mit Bestandskraft des Jahressteuerbescheids (BGH FamRZ 1983, 576). Es liegt daher in der Natur der Sache, dass zwischen dem Veranlagungsjahr, für welches das begrenzte Realsplitting in Anspruch genommen wurde, und der Geltendmachung des Nachteilsausgleichsanspruchs ein nicht von vornherein absehbarer Zeitraum liegt. Ein schützenswertes Vertrauen darauf, dass ein Nachteilsausgleichsanspruch nicht geltend gemacht wird, kann sich bei dieser Sachlage nur bilden, wenn zu dem Zeitablauf weitere Umstände hinzutreten, die berechtigten Anlass zu der Annahme hätten geben können, ein Nachteilsausgleich werde von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht. Solche Umstände sind jedoch mit der Berufung nicht dargelegt.

    Es kann dahinstehen, ob der vom Beklagten gegen den Ausgleichsanspruch zur Aufrechnung gestellte Rückzahlungsanspruch hier überhaupt schlüssig dargelegt ist. Die Berufungsbegründung verhält sich hierzu unzureichend. Soweit die Auskehrung des Steuererstattungsanteils für die Kalenderjahre der gemeinsamen Veranlagung auf einer entsprechenden Abrede der Parteien beruhte, erfolgte sie nicht rechtsgrundlos. Denn selbst wenn der Beklagte zur Zahlung dieses Erstattungsbetrages nicht verpflichtet gewesen wäre, würde dies den Rechtsgrund der Zahlung - die entsprechende Abrede der Parteien - nicht beseitigen. Dies bedarf jedoch keiner Klärung, da sich das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB auch auf den Nachteilsausgleichsanspruch erstreckt (BGH FamRZ 1997, 544).

    Die Verjährungseinrede des Beklagten greift nicht durch. Der Nachteilsausgleichsanspruch entsteht erst mit Bestandskraft des Steuerbescheids, so dass der Ausgleichsanspruch - bezüglich des Veranlagungsjahres 2002 - hier frühestens im Laufe des Kalenderjahres 2004 entstanden ist und die Regelverjährungsfrist von drei Jahren bei Erhebung der Klage noch nicht abgelaufen war. Für die Kalenderjahre 2003 - 2005 sind die Steuerbescheide noch später ergangen.

    Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich als Anspruch auf Verzugszinsen aus § 288 BGB.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

    Grün