OLG Frankfurt vom 05.07.2000 (1 UF 21/00)

Stichworte: BartwertVO, Verfassungswidrigkeit
Normenkette: BGB 1587a Abs. 3 Nr. 2 , VAHRG 10a
Orientierungssatz: Ob die Faktoren der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen noch der Realität entsprechen und damit verfassungskonform noch angewandt werden können, wird zwar inzwischen in der Literatur (z.B. Glockner/Gutdeutsch, FamRZ 1999, 896; Bergner, FamRZ 1999, 1487) und Rechtsprechung (OLG München FamRZ 1999, 1432) in Zweifel gezogen. Die geäußerten Bedenken führen jedoch nach Ansicht des Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit der auf § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB beruhenden Barwertermittlung anhand der zu dieser Vorschrift ergangenen Barwertverordnung. (Siehe auch 1 UF 18/99 v. 05.07.2000)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs im Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 09.12.1999 am 5. Juli 2000 beschlossen:

Die Regelung des Versorgungsausgleichs in dem angefochtenen Urteil wird abgeändert.

Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesversicherunganstalt für Angestellte in Berlin, Kto.-Nr. 52 310754 S 007, werden auf das Versicherungskonto für die Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, Kto.-Nr. 52 071054 S 561, Rentenanwartschaften aus der Ehezeit, die am 31.12.1997 abgelaufen ist, in Höhe von monatlich 378,08 DM übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Zu Lasten der für den Antragsgegner bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt Frankfurt am Main, Versicherungs-Nr. 11 E 1.181, bestehenden Versorgungsanrechte werden auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, Kto.-Nr. 52 071054 S 561, Rentenanwartschaften aus der Ehezeit in Höhe von monatlich 24,21 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.12.1997 begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaft ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Hinsichtlich der Kosten des 1. Rechtszuges verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.

Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.000,-- DM.

G r ü n d e:

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, dass es zu Lasten des Antragsgegners Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 365,60 DM übertragen, sowie zu Lasten der von den Antragsgegner bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt Frankfurt am Main bestehenden Versorgungsanrechte Rentenanwartschaften von monatlich 24,21 DM auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin begründet hat.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde rügt die Beteiligte zu 1), dass die von ihr erteilte und vom Amtsgericht der Entscheidung zugrunde gelegte Auskunft vom 29.07.1999 für den Antragsgegner nachträglich sich als unzutreffend herausgestellt habe und davon auszugehen sei, dass der Antragsgegner während der Ehezeit höhere Rentenanwartschaften erworben habe, die sich aus der, der Beschwerdeschrift beigefügten berichtigten Auskunft vom 18.01.2000 ergeben.

Die gemäß §§ 629 e, 629 a ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Der Antragsgegner hat während der Ehezeit monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 1.357,33 DM erworben, während die Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von 601,17 DM erworben hat. Im Wege des Splittings sind gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB Rentenanwartschaften in Höhe des hälftigen Wertunterschieds von 378,08 DM auf das Versicherungskonto der Antragstellerin zu übertragen.

Darüber hinaus haben beide Parteien während der Ehezeit unverfallbare Anwartschaften aus der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung bei der ZVK Frankfurt am Main erworben. Die Ermittlungen der Höhe dieser Anwartschaften sowie deren jeweilige Umrechnung in eine dynamische Versorgung in Anwendung der Barwertverordnung werden nicht beanstandet und begegnen im Ergebnis auch keinen Bedenken. Ob die Faktoren der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen noch der Realität entsprechen und damit verfassungskonform noch angewandt werden können, wird zwar inzwischen in der Literatur (z.B. Glockner/Gutdeutsch, FamRZ 1999, 896; Bergner, FamRZ 1999, 1487) und Rechtsprechung (OLG München FamRZ 1999, 1432) in Zweifel gezogen. Die geäußerten Bedenken führen jedoch nach Ansicht des Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit der auf § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB beruhenden Barwertermittlung anhand der zu dieser Vorschrift ergangenen Barwertverordnung. Gründe der Rechtseinheit und Rechtssicherheit sprechen vielmehr weiterhin entscheidend für ihre Anwendung. Zu dem können durch den Eintritt einer Volldynamik des einzubeziehenden Anrechts sowie eine veränderte Bewertung - auch durch eine Änderung der Barwertverordnung - eintretende Veränderungen später in einem Verfahren gemäß § 10 a VAHRG berücksichtigt werden (vgl. Hahne, FamRZ 1987, 217,225; ebenso: Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluß vom 15.03.2000 - 17 UF 474/99 - Umdruck Seite 8). Mit dem Oberlandesgericht Nürnberg (FamRZ 2000, 538,539) und dem Oberlandesgericht Stuttgart sieht sich der Senat daher weiterhin an § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB und die Barwertverordnung in der seit 1984 geltenden Fassung gebunden.

Die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung beruhen auf §§ 93 a, 17 a GKG.

Im Hinblick auf die aufgezeigte Kontroverse in der Rechtsprechung zu der Frage, ob die Faktoren der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen noch verfassungskonform angewandt werden können, kommt der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu, sodaß der Senat die weitere Beschwerde zugelassen hat (§§ 621 d Abs. 1, 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO).

Dr. Eschweiler Michalik Carl