OLG Frankfurt vom 01.02.2000 (1 UF 202/99)

Stichworte: Elterliche Sorge, gemeinsame Vermögenspflegschaft
Normenkette: BGB 1671 Abs. 2 Nr. 2
Orientierungssatz: Zur Notwendigkeit der Kooperationsfähigkeit der Eltern für die Beibehaltung der "gemeinsamen elterlichen Sorge"; Bestellung eines Vermögenspflegers

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 10. Juni 1999 am 01. Februar 2000 beschlossen

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Der Antragstellerin wird die elterliche Sorge für die beiden minder- jährigen Kinder der Parteien B., geb. am 07.10.1983 und D., geb. am 18.12.1992 mit Ausnahme der Vermögenssorge übertragen.

Es wird ein Vermögenspfleger für die beiden minderjährigen Kinder der Parteien bestimmt. Zum Vermögenspfleger bestellt wird Rechtsanwalt X., Offenbach am Main.

Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurück- gewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 5.000,-- DM.

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Familiengericht den Antrag der Mutter zurückgewiesen, ihr die elterliche Sorge für die beiden minderjährigen Kinder der Parteien B. und D. allein zu übertragen. In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt, der seit der Neuregelung des Sorgerechts durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz die gemeinsame Sorge als Regelfall für die Zeit nach Trennung der Eltern vorgesehen sei, seien besondere Gründe dafür erforderlich, wenn die elterliche Sorge nur einem Elternteil allein übertragen werden solle. Ein solcher Grund könne nicht darin gesehen werden, wenn ein Elternteil die Kooperation verweigere und aus diesem negativen Verhalten unverdientermaßen eine Rechtsposition erlange, welche die des anderen Elternteils, der zur Kooperation bereit sei, einschränke. So sei es vorliegend. Der Vater akzeptiere zum einen, daß die Kinder bei der Mutter wohnen und dort ihren Lebensmittelpunkt haben, zum anderen zeige auch die von den Parteien erreichte Einigung über eine Umgangsregelung für beide Kinder, daß sie in wesentlichen Bereichen zu Absprachen fähig seien. Daß es über die Vermögenssorge für die Kinder unterschiedliche Auffassungen gebe, sei jedenfalls nicht dem Antragsgegner vorzuwerfen. Dieser habe in der Vergangenheit allein die finanziellen Angelegenheiten der Kinder geregelt. Wenn die Antragstellerin nunmehr die Mitwirkung bei finanziellen Entscheidungen verweigere, könne diese Haltung nicht dazu führen, ihn vom gemeinsamen Sorgerecht auszuschließen.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter gegen die zur Kooperationsfähigkeit der Eltern getroffenen Feststellungen in dem Beschluß des Amtsgerichts. Sie führt dazu aus, mit dem Beschwerdegegner sei eine Kooperation nicht möglich, weil Gespräche zu Problemen und Fragen jeglicher Art ergebnislos blieben und nicht zu konkreten Entscheidungen führten. Am Ende zeitintensiver und persönlich schwieriger Gespräche ziehe sich der Antragsgegner immer wieder auf seine Eingangsposition zurück. Aufgrund dieser Schwierigkeiten habe sowohl die volljährige Tochter Sigrid entschieden, keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater haben zu wollen, als auch die minderjährige Tochter B.. Eine Kooperation sei aber nicht nur in Alltagsfragen unmöglich. Schwerwiegende Gegensätze beständen auch bei der Frage der Vermögenssorge für die Kinder. Das auf die Kinder übertragene Vermögen gehöre nicht zur Verfügungsmasse der Parteien und stehe ausschließlich den Kindern zu. Da der Antragsgegner diese Eigentumsrechte der Kindern nicht respektiere, sei es notwendig, daß der Mutter die alleinige Entscheidungsbefugnis auch insoweit übertragen werde.

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er teilt die Auffassung des Amtsgerichts, daß zwischen den Eltern stets eine Kooperation möglich gewesen sei; während des langjährigen Zusammenlebens der Parteien seien sämtliche Entscheidungen zur Diskussion gestellt und im Einvernehmen der Eltern getroffen worden. Er sei auch nach wie vor dazu bereit, im respektvollen Miteinander vernünftige Lösungen für die Kinder zu finden. Hinsichtlich der auf Konten der Kinder angelegten Geldbeträge ist er der Auffassung, daß es sich dabei im wesentlichen um sein Vermögen handele, das lediglich auf Konten der Kinder "geparkt" worden sei. Es habe niemals der Wille bestanden, dieses Geld den Kindern endgültig zuzuwenden. Eine Einigung mit der Mutter habe bislang nicht stattfinden können, weil sie wider besseres Wissen auf der Behauptung beharre, das Barvermögen gehöre den Kindern. Behalte sie diese Position bei, seien auf Dauer rechtliche Schritte wohl unvermeidbar.

Die gem. § 19 FGG zulässige Beschwerde der Mutter hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg. Der Senat ist nach der Anhörung der Eltern durch die Berichterstatterin des Senats davon überzeugt, daß die Ausübung der Personensorge für die gemeinsamen minderjährigen Kinder der Parteien durch die Mutter allein ihrem Wohl am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB). Bei der persönlichen Anhörung der Parteien wurde deutlich, daß zwischen ihnen eine sinnvolle und dem Kindeswohl dienliche Kommunikation und Kooperation nicht möglich ist. Die von ihm immer wieder ausgespielte sprachliche Überlegenheit des Vaters macht es der Mutter sehr schwer, ihre Position zu behaupten und ihre Argumentation zu verfolgen. Das dadurch entstehende Ungleichgewicht der Eltern läßt befürchten, daß eine Kooperation zum Wohl der Kinder in wichtigen Belangen sehr erschwert wird, weil die Mutter in der Annahme, mit ihren Argumenten ohnehin nicht gehört zu werden, dazu neigt, sich Gesprächen mit dem Vater zu entziehen. Wie der Antragsgegner in seiner persönlichen Anhörung vor dem Familiengericht am 20.05.1999 selbst ausgeführt hat, verliefen die von ihm gewünschten Kontakte in der Vergangenheit bereits in dieser Weise. Er hat selbst erklärt, daß seine Versuche Kontakt, zu der Antragstellerin zu finden, dadurch scheiterten, daß sie immer gleich wieder weglaufe. Ähnlich hat sich auch die Beziehung zu der Tochter B. entwickelt, die ebenfalls einem Gespräch mit dem Vater ausweicht.

Der Ausübung der gemeinsamen Sorge beider Eltern steht auch entgegen, daß der Vater nicht zuverlässig zu der einmal getroffenen Entscheidung steht, den Aufenthalt der Kinder - insbesondere den von D. - bei der Mutter zu belassen. In der persönlichen Anhörung vor der beauftragten Richterin des Senats hat er dazu ausgeführt, er sei lediglich vorläufig mit einer solchen Entscheidung einverstanden. Das Einverständnis erklärt er ausdrücklich nur, so lange ein problemloser Umgang möglich sei. In seinem Schreiben vom 10.01.2000 hat der Antragsgegner weitergehend noch erklärt, daß er das Sorgerecht für D. beanspruche, wenn eine gemeinsame Sorge völlig ausgeschlossen werde. Eine verläßliche Basis für die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts besteht aufgrund dieser wechselnden Einstellung des Vaters zum Aufenthalt insbesondere des gemeinsamen Sohnes D. nicht.

Eine Übertragung des Sorgerechts für D. auf den Vater allein ist vorliegend nicht in Betracht zu ziehen. D. lebt seit der Trennung der Eltern im September 1998 zusammen mit seinen beiden älteren Schwestern bei der Mutter. Der Vater hat diesen Aufenthalt von D. in der Vergangenheit niemals in Frage gestellt. Erstmals in der Anhörung vor der Berichterstatterin des Senats veränderte er diese Position, ohne daß dafür nachvollziehbare Gründe erkennbar sind. Insbesondere ist nicht deutlich geworden, aus welchem Grund es für D.s Entwicklung besser sein sollte, wenn er seinen Lebensmittelpunkt zum Vater hin verändert. Die Eltern haben bislang beide das Zusammenleben von D. mit seinen Schwestern als für sein Wohlbefinden bedeutsam erachtet. Ein Anlaß, diese Beurteilung in Frage zu stellen, ist nicht ersichtlich. Auch an den weiteren Voraussetzungen für die bislang übereinstimmende Auffassung, D. solle bei der Mutter leben, hat sich nichts geändert. Das Umgangsrecht des Vaters wird nach wie vor entsprechend der getroffenen Abrede der Eltern praktiziert, so daß nicht zu befürchten ist, daß der weitere Aufenthalt von D. bei seiner Mutter die Beziehungen des Kindes zu seinem Vater in einer seinem Wohl abträglichen Weise einschränken könnte. Auch für D. ist daher die Alleinsorge seiner Mutter die seinem Wohl am besten gerecht werdende Lösung.

Die Alleinsorge für die minderjährigen Kinder konnte der Mutter allerdings nicht belassen werden, soweit es um die Sorge für das Vermögen der beiden minderjährigen Kinder geht. Die Eltern haben grundlegend unterschiedliche Meinungen über die Zuordnung des auf den Konten der Kinder angelegten Geldes und über dessen weitere Verwaltung. Zwar hat der Vater in der Vergangenheit die Vermögensangelegenheiten auch der Kinder überwiegend - wenn auch nach Rücksprache mit der Antragstellerin - erledigt, doch kann ihm nach Aufbrechen des Konfliktes der Eltern über die dauerhafte Zuordnung der den Kindern zugewendeten Gelder die Vermögenssorge nicht allein übertragen werden. Er hat eindeutig erklärt, daß er für diesen Fall das gesamte für die Kinder angelegte Geld für die Eltern beanspruchen wolle und als Verteilungsmenge auch für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten benutzen wolle. Seine Position steht somit in einem Interessengegensatz zu derjenigen seiner Kinder. Die Antragstellerin will die Kindesinteressen zwar insoweit wahren, als sie die betroffenen Gelder ausschließlich den Kindern zuordnen will, insoweit ist aber ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen, weil aufgrund der unvereinbaren Positionen der Eltern eine rechtliche Auseinandersetzung unumgänglich zu werden droht. In einer derartigen Auseinandersetzung ist eine ausschließlich an sachlichen rechtlichen Überlegungen gebotene Interessenvertretung der Kinder geboten, die auch die Einschätzung der rechtlichen Zuordnung des auf die Kinder angelegten Vermögens durch Gerichte in Betracht zieht und im Vorfeld einer Auseinandersetzung über die endgültige Zuordnung des Kindesvermögens nach einem Ausgleich sucht. Hierfür erscheint die Mutter aufgrund des virulenten Konfliktes mit dem Vater nicht geeignet. Die Übertragung der Vermögenssorge auf einen Ver- mögenspfleger war somit geboten, um eine sachgerechte Verwaltung des Kindesvermögens sicherzustellen (§§ 1666 Abs. 1, 1909 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13a FGG, 131 Abs. 3 KostO.

Dr. Eschweiler Juncker Michalik