OLG Frankfurt vom 05.07.2000 (1 UF 18/99)

Stichworte: BarwertVO, Verfassungswidrigkeit BarwertVO, Anwendung, weitere.
Normenkette: BGB 1587a Abs. 3 Nr. 2 BarwertVO
Orientierungssatz: Mit dem OLG Nürnberg (FamRZ 2000, 538,539) und dem Oberlandesgericht Stuttgart sieht sich der Senat weiterhin an § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB und die Barwertverordnung in der seit 1984 geltenden Fassung gebunden.(Entgegen (Glockner/Gutdeutsch, FamRZ 1999, 896; Bergner, FamRZ 1999, 1487) und Rechtsprechung (OLG München, FamRZ 1999, 1432); Zulassung der weiteren Beschwerde.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich im Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Bad Schwalbach vom 07.12.1998 am 05. Juli 2000 beschlossen:

Die in dem angefochtenen Urteil getroffene Regelung des Versorgungsausgleichs wird abgeändert.

Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt in Kassel, Versicherungsnummer: 38 040442 M 016, werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Hessen, Versicherungsnummer 12 120743 H 515, Rentenanwartschaften aus der Ehezeit, die am 30.06.1997 abgelaufen ist, in Höhe von monatlich 557,41 DM übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt in Kassel, Abteilung B, Aktenzeichen: R 102-38 040442 M 016 werden auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Hessen, Versicherungsnummer 12 120743 H 515, Rentenanwartschaften aus der Ehezeit, die am 30.06.1997 abgelaufen ist, in Höhe von monatlich 123,83 DM begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter den Parteien gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei dem angefochtenen Urteil.

Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluß wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.442,40 DM.

G r ü n d e :

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, daß es zu Lasten des für den Antragsgegner bei der weiteren Beteiligten zu 1. bestehenden Versicherungskontos auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt in Hessen Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 561,04 DM übertragen hat.

Mit ihrer Beschwerde rügt die weitere Beteiligte zu 1., daß das Amtsgericht seiner Entscheidung nicht den Wert aus der tatsächlich gezahlten Rente des Ausgleichspflichtigen zugrundegelegt habe, obwohl die Gesamtentgeltpunkte dieser Rente die der fiktiv berechneten Altersrente übersteigen. Desweiteren habe das Amtsgericht die Anwartschaft des Antragsgegners aus der Zusatzversorgung der Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B, nicht mit in den Versorgungsausgleich einbezogen. Nach der von der weiteren Beteiligten zu 1. erteilten Auskunft vom 18.01.1999 beträgt der auf die Ehezeit entfallende Wert dieser Versorgung, der in vergleichbarer Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung steigt, monatlich 291,42 DM. Darüber hinaus hat die weitere Beteiligte zu 2. aufgrund der am 01.07.1998 in Kraft getretenen Neuregelungen bezüglich der Bewertung von Kindererziehungszeiten eine neue Auskunft erteilt.

Die gemäß §§ 629 e, 629 a ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Auf seiten des Antragsgegners ist die von diesem am Ende der Ehezeit bezogene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit einem Ehezeitanteil von monatlich 1.706,16 DM zugrundezulegen, mit deren Entziehung nicht mehr zu rechnen ist (vgl. BGH FamRZ 1997, 160). Die Antragstellerin hat während der Ehezeit monatliche Rentenanwartschaften bei der Landesversicherungsanstalt in Hessen in Höhe von 591,34 DM erworben. Der insoweit auszugleichende Wertunterschied beträgt 1.114,82 DM, der in Höhe des hälftigen Betrages von 557,41 DM im Wege des Splittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB durch Übertragung von Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto der Antragstellerin auszugleichen ist.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin eine Anwartschaft bei der Allianz-Lebensversicherung mit einem ehezeitbezogenen Deckungskapital von 10.241,70 DM erworben. Hieraus errechnet sich nach den amtlichen Rechengrößen mit dem Faktor 0,0000915531 (Ende der Ehezeit: 1997) ein Wert von 0,9377, der multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert per Juni 1997 in Höhe von 46,67 DM eine dynamische Rentenanwartschaft von 43,76 DM ergibt.

Ob die Faktoren der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen noch der Realität entsprechen und damit verfassungskonform noch angewandt werden können, wird zwar inzwischen in Literatur (Glockner/Gutdeutsch, FamRZ 1999, 896; Bergner, FamRZ 1999, 1487) und Rechtsprechung (OLG München, FamRZ 1999, 1432) in Zweifel gezogen. Die geäußerten Bedenken führen jedoch nach Ansicht des Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit der auf § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB beruhenden Barwertermittlung anhand der zu dieser Vorschrift ergangenen Barwertverordnung. Gründe der Rechtseinheit und Rechtssicherheit sprechen vielmehr weiterhin entscheidend für ihre Anwendung. Zu dem können durch den Eintritt einer Volldynamik des einzubeziehenden Anrechts sowie eine veränderte Bewertung -auch durch eine Änderung der Barwertverordnung- eintretende Veränderungen später in einem Verfahren gemäß § 10 a VAHRG berücksichtigt werden (vgl. Hahne, FamRZ 1987, 217,225; ebenso: OLG Stuttgart, Beschluß vom 15.03.2000 -17 UF 474/99-, Umdruck Seite 8). Mit dem OLG Nürnberg (FamRZ 2000, 538,539) und dem Oberlandesgericht Stuttgart sieht sich der Senat daher weiterhin an § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB und die Barwertverordnung in der seit 1984 geltenden Fassung gebunden.

Danach ist das Anrecht des Antragsgegners aus der betrieblichen Altersversorgung bei der Bahnversicherungsanstalt in Kassel in Höhe von monatlich 291,42 DM der dynamischen Rentenanwartschaft der Antragstellerin bei der Allianz-Lebensversicherung in Höhe von 43,76 DM gegenüberzustellen. Der Wertunterschied von 247,66 DM ist hälftig, also in Höhe von 123,83 DM, im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG auszugleichen.

Die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung beruhen auf §§ 93 a ZPO, 1, 8 und 17 a GKG.

Im Hinblick auf die aufgezeigte Kontroverse in der Rechtsprechung zu der Frage, ob die Faktoren der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen noch verfassungskonform angewandt werden können, kommt der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu, sodaß der Senat die weitere Beschwerde zugelassen hat (§§ 621 d Abs. 1, 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO).

Dr. Eschweiler Noll Michalik