OLG Frankfurt vom 16.03.2000 (1 UF 17/00)

Stichworte: Versorgungsausgleich, Ausländer, Antrag auf Durchführung, Vereinbarung über den VA, Genehmigung
Normenkette: Artikel 14, 17 Abs. 1 und 3 EGBGB
Orientierungssatz: Der Versorgungsausgleich ist nicht von Amts wegen nach dem an sich nach Artikel 14, 17 Abs. 1 und 3 EGBGB anzuwendenden deutschen Recht durchzuführen, da die Heimatrechte beider Parteien die Durchführung eines Versorgungsausgleichs nicht kennen (für Polen: OLG Hamm, FamRZ 1994, S. 573, 578; für Litauen: Kodex über Ehe und Familie der Republik Litauen, Artikel 33 ff.).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 15. November 1999 am 16. 03. 2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird zu Ziffer 1. aufgehoben.

Der Antrag des Antragstellers auf Genehmigung von Ziffer 3 der gerichtlich protokollierten Vereinbarung vom 04. 03. 1999 und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs verbleibt es bei der Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluß.

Beschwerdewert: 1.480,32 DM.

G r ü n d e :

Die Parteien, die einen am 26. 09. 1991 geborenen gemeinsamen Sohn haben, haben am 08. Mai 1992 die Ehe miteinander geschlossen. Der Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin litauische Staatsangehörige. Auf den am 10. Februar 1999 zugestellten Scheidungsantrag hat das Amtsgericht durch Urteil vom 04. 03. 1999 die Ehe vorab geschiedenen. Die Parteien haben durch gerichtlich protokollierte Vereinbarung vom 04. 03. 1999 auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet. Der Antragsteller hatte im Scheidungsantrag zur Begründung des schon zu diesem Zeitpunkt beabsichtigten Verzichts ausgeführt, daß die Antragsgegnerin sofort nach Rechtskraft der Scheidung ihren vermögenden Lebensgefährten heiraten wolle, welcher sie in jeder Hinsicht finanziell absichern werde.

Das Amtsgericht hat, nachdem in der Folgezeit die Auskünfte der weiteren Beteiligten über die von den Parteien erworbenen Rentenanwartschaften eingegangen sind, den Versorgungsausgleich durch den angefochtenen Beschluß durchgeführt. Es hat Rentenanwartschaften in Höhe von 123,36 DM zugunsten der Antragsgegnerin übertragen, ausgehend von während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften des Antragstellers von monatlich 356,22 DM und der Antragsgegnerin von monatlich 109,51 DM.

Mit seiner Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Genehmigung der Vereinbarung zur Durchführung des Versorgungsausgleichs und demzufolge dessen Nichtdurchführung.

Die alle Form- und Fristerfordernisse wahrende Beschwerde hat zum Teil Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, nicht jedoch zur Genehmigung des Verzichts auf den Versorgungsausgleich.

Der Versorgungsausgleich ist nicht von Amts wegen nach dem an sich nach Artikel 14, 17 Abs. 1 und 3 EGBGB anzuwendenden deutschen Recht durchzuführen, da die Heimatrechte beider Parteien die Durchführung eines Versorgungsausgleichs nicht kennen (für Polen: OLG Hamm, FamRZ 1994, S. 573, 578; für Litauen: Kodex über Ehe und Familie der Republik Litauen, Artikel 33 ff.). Danach könnte ein Versorgungsausgleich aufgrund der von den Parteien während der Ehezeit in Deutschland erworbenen Anwartschaften nur stattfinden, wenn ein Ehegatte dies beantragen würde. Die Antragsgegnerin hat einen solchen Antrag jedoch nicht gestellt, vielmehr ausdrücklich erklärt, daß sie nicht beabsichtige, dies zu tun.

Dagegen ist die Beschwerde unbegründet, soweit der Antragsteller über die bloße Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs hinaus im vorliegenden Verfahren die Genehmigung der vom 04. 03. 1999 getroffenen Vereinbarung erstrebt. Die Genehmigung dieser Vereinbarung würde dazu führen, daß der Versorgungsausgleich endgültig nicht durchgeführt werden könnte, während die bloße Aufhebung der vom Amtsgericht getroffenen Versorgungsausgleichsentscheidung der Antragsgegnerin noch die Möglichkeit beläßt, nachträglich einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Artikel 17 Abs. 3 EGBGB zu stellen.

Die Vereinbarung konnte nicht genehmigt werden, da unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung eine Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs nicht zu einer dem Ziel des Versorgungsausgleichs entsprechenden Sicherung der Antragsgegnerin geeignet ist und zu keinem nach Art und Würde angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt. Aus den Versicherungsverläufen für beide Parteien nach den Auskünften der weiteren Beteiligten ergibt sich, daß die Antragsgegnerin während der Ehezeit zwar zum ganz überwiegenden Teil Rentenanwartschaften durch Entrichtung von Pflichtbeiträgen erworben hat, diese aber aufgrund geleisteter Teilzeitarbeit nur verhältnismäßig gering sind. Während die Antragsgegnerin während der Ehezeit im Schnitt 0,3405 Entgeltpunkte pro Jahr erworben hat, sind es beim Antragsteller pro Jahr, 1,1075 Entgeltpunkte. Folglich hat der Antragsteller mehr als das dreifache von Rentenanwartschaften während der Ehezeit erworben als die Antragsgegnerin. Hinzukommt, daß während der Ehezeit das im Jahr 1991 geborene Kind zu betreuen war. Gerade bei derartigen Fallkonstellationen entspricht die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs der familienpolitischen Zielsetzung, denjenigen zu begünstigen, der während der Ehezeit aufgrund der gemeinsamen Lebensplanung der Eheleute die geringeren Versorgungsanwartschaften erwirbt. Bei dieser Konstellation kann ein entschädigungsloser Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, wenn es sich nicht nur um einen Bagatellbetrag handelt, in der Regel nicht genehmigt werden, wenn keine entsprechende Gegenleistung vorliegt. Eine solche ist nicht ersichtlich. Vielmehr haben die Parteien in dem geschlossenen Vergleich wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet, wobei es sich angesichts der Einkommensverhältnisse und der Tatsache, daß die Antragsgegnerin das Kind betreut, um einen Verzicht zu Lasten der Antragsgegnerin handelt. Die einzige Leistung, zu der sich der Antragsteller durch die Vereinbarung verpflichtet hat, ist die Zahlung des Kindesunterhalts in Höhe des Regelbetrags abzüglich hälftigen Kindergelds.

Hinzukommt, daß eine anderweitige Absicherung der Antragsgegnerin für das Alter fehlt. Die in der Antragsschrift ausgesprochene Erwartung die Antragsgegnerin werde möglichst schnell ihren wohlhabenden Lebensgefährten heiraten, hat sich nicht erfüllt, nachdem seit Rechtskraft der Scheidung mehr als ein Jahr ergangen und die Antragsgegnerin nicht wieder verheiratet ist.

Im übrigen bestünde selbst im Fall einer Wiederverheiratung nach kurzer Ehezeit noch keine rechtliche Absicherung für das Alter.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93 a, 97 ZPO, die Wertfestsetzung aus § 17 a GKG.

Juncker Michalik Noll