OLG Frankfurt vom 19.09.2000 (1 UF 138/00)

Stichworte: Ehevertrag, Aufhebung, Formbedürftigkeit Bereicherungsanspruch, Schadensersatzanspruch, Familiensache
Normenkette: BGB 1410,128 ZPO 621, BGB 812, 823
Orientierungssatz: Zur Frage der Formbedürftigkeit der Aufhebung eines Ehevertrages, wenn mit der Aufhebung weitere formbedürftige Rechtsgeschäfte verbunden sind (hier: Vereinbarung eines anderen, formbedürftigen Güterstandes); Zur Rechtsnatur von Ansprüchen aus Bereicherung und unerlaubter Handlung, mit denen familienrechtliche Ansprüche zurückabgewickelt werden sollen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 19.09.2000 beschlossen:

Dem Kläger wird für seine Berufung gegen das am 02.05.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Seligenstadt Prozesskostenhilfe insoweit bewilligt, als er mit seinem Hilfsantrag 43.000,-- DM nebst Zinsen geltend macht. Im übrigen wird sein Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Im Umfang der Bewilligung wird ihm Rechtsanwalt Dr. X. in Offenbach am Main beigeordnet.

Gründe:

Der Kläger und die Rechtsvorgängerin des Beklagten waren Eheleute. Mit notariellem Vertrag vom 04.09.1991 hoben sie den bis dahin bestehenden gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbarten Gütertrennung. Zum Ausgleich der bis dahin entstandenen Ansprüche auf Zugewinnausgleich zahlte die Ehefrau an den Kläger, wie zugleich vereinbart, 50.000,-- DM. Bereits im Oktober 1991 unternahmen die Parteien einen Versöhnungsversuch und zogen wieder zusammen. Im Frühjahr 1992 kam es erneut zur Trennung. Auf den am 16.07.1993 zugestellten Scheidungsantrag ist die Ehe rechtskräftig am 31.01.1994 geschieden worden.

Im Juni 1994 hat der Kläger im Wege der Stufenklage mit zunächst noch unbezifferter Leistungsstufe Auskunft und Zahlung von Zugewinn geltend gemacht. Er hat die Rechtsauffassung vertreten, dass der Gütertrennungsvertrag von den Parteien einverständlich formlos wieder aufgehoben worden sei.

Mit Teilurteil vom 13.10.1994 hat das Amtsgericht die damalige Beklagte, zur Auskunftserteilung über den Bestand ihres Endvermögens verurteilt. Im Tatbestand des Urteils ist aufgeführt, dass der Kläger im Anschluss an den Versöhnungsversuch nach Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft den von ihm erhaltenen Betrag von 50.000,-- DM zum größten Teil, nämlich in Höhe von 43.000,-- DM, zurückgezahlt habe. Hieraus und aus weiteren Umständen hat das Amtsgericht geschlossen, dass die Parteien den Gütertrennungsvereinbarungsvertrag übereinstimmend aufgehoben hätten, so dass nunmehr dem Kläger ein Ausgleichsanspruch dem Grunde nach zustehe.

Hiergegen hat die damalige Beklagte Berufung eingelegt, diese jedoch in der Folgezeit zurückgenommen, nachdem der Senat den Berufungswert auf 1.000,-- DM festgesetzt hat.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die nach Auskunftserteilung mit nunmehr 103.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.08.1994 bezifferte Klage abgewiesen. Abweichend von seiner in dem Teilurteil vertretenen Auffassung hat es nunmehr die Auffassung vertreten, eine etwaige von den Parteien gewollte Aufhebung des Ehevertrages vom 04.09.1991 sei nicht in der gebotenen Form (§ 1410 BGB) geschlossen und damit unwirksam. Ein hilfsweise für diesen Fall geforderter Betrag auf Rückzahlung der erhaltenen 50.000,-- DM wäre von den Zivilgerichten geltend zu machen, da es sich nicht um eine Familiensache handele.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung, abhängig gemacht von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür, bekämpft der Kläger die Rechtsauffassung des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil und hält daran fest, dass die von den seinerzeitigen Vertragsparteien gewollte Aufhebung des Ehevertrages formfrei möglich gewesen sei. Hilfsweise für den Fall, dass sich der Senat der Rechtsauffassung des Amtsgerichts anschließe, verlangt er die Rückzahlung der seinerzeit an die damalige Beklagte ausgekehrten 50.000,-- DM.

Der Beklagte, alleiniger Erbe der am 15.01.1998 verstorbenen bisherigen Beklagten, verteidigt das angefochtene Urteil. Zum Hilfsantrag führt aus, dass er die erfolgte Rückzahlung mit Nichtwissen bestreiten müsse. Eine etwaige Zahlung könne auch durchaus anderen Zielen gedient haben, etwa der gemeinsamen Lebensführung oder dem Wunsch, die Ehefrau in ihrer Versöhnungsabsicht unter Abkehr von ihrem früheren Scheidungswillen zu bestärken.

Die von dem Kläger für seine Berufung beantragte Prozesskostenhilfe kann ihm nur in Höhe eines Teils des "Hilfsantrages" bewilligt werden. Im übrigen fehlt der Berufung die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO).

Rechtlich zutreffend hat das Amtsgericht einen etwaigen - als richtig unterstellten - Willen der seinerzeitigen Vertragsparteien, den notariellen Ehevertrag vom 04.09.1991 einverständlich aufzuheben, an dem Fehlen der dafür erforderlichen Form (§ 1410 BGB i.V.m. § 128 BGB) scheitern lassen. Zwar ist zutreffend, dass ein Vertrag über die Aufhebung eines formpflichtigen Vertrages in der Regel nicht der Form des Begründungsvertrages bedarf, sondern formlos möglich ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 305 Rn. 7). Dies gilt aber nur, wenn sich der Aufhebungsvertrag darin erschöpft, beiderseits übernommene Verpflichtungen rückgängig zu machen. Etwas anderes gilt, wenn durch den formpflichtigen Vertrag oder seiner teilweisen Umsetzung Rechtswirkungen entstanden sind, die nicht nur in dem Wegfall der im Ausgangsvertrag übernommenen Verpflichtungen bestehen. Dementsprechend hat der BGH in seiner Entscheidung vom 30.04.1982 (BGHZ 83, 395 f.) entschieden, dass zwar ein notarieller Grundstückskaufvertrag vor Erklärung der Auflassung und Eintragung eines Auflassungsvermerkes im Grundbuch jederzeit formlos wieder aufgehoben werden kann (Seite 398). Ist hingegen bereits eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen, begründet dies ein Anwartschaftsrecht, dessen rechtliche Änderung wiederum nur in der Form des § 313 BGB möglich ist.

Ein Ehevertrag hat eine weit über die Begründung von gegenwärtigen Verpflichtungen hinausgehende rechtliche Wirkung. Es bestehen auch Außenwirkungen gegenüber Dritten (z.B. § 1365 BGB). Mit der durch Ehevertrag bewirkten Änderung des Güterstandes ist eine unmittelbare Rechtsänderung eingetreten mit der Folge, dass eine erneute Änderung des Güterstandes, sei es Gütergemeinschaft oder Rückkehr zum gesetzlichen Güterstand, nur in der Form des § 1410 BGB möglich ist.

Einen solchen erneuten Ehevertrag haben die Parteien unstreitig in der Folgezeit nicht geschlossen. Ein solcher kann, wie das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil mit Recht ausführt, auch nicht in der Vereinbarung im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens, die als solche der Form genügt hätte (§ 1378 Abs. 3 BGB) erblickt werden. Hier sind zwar die Parteien offenbar von dem Bestehen des gesetzlichen Güterstandes ausgegangen, haben dies aber nicht in der gebotenen Eindeutigkeit durch unmittelbar darauf gerichtete Willenserklärung erklärt.

Damit fehlt dem Begehren des Klägers auf Zugewinnausgleich die rechtliche Grundlage.

Nicht ohne Erfolgsaussicht ist dagegen der von dem Kläger hilfsweise für diesen Fall geltend gemachte Anspruch auf Auskehrung des seinerzeit von ihm an die Ehefrau zurückgezahlten Betrages aus der notariellen Urkunde. Wie erstinstanzlich unstreitig (§ 314 ZPO) hat der Kläger anlässlich der versuchten Versöhnung den in Erfüllung der Verpflichtung aus der notariellen Urkunde erhaltenen Betrag von 50.000,-- DM zum überwiegenden Teil, nämlich in Höhe von 43.000,-- DM, zurückgezahlt. Ersichtlich geschah dies in der - wie ausgeführt rechtsirrigen - Annahme, dass mit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft der notarielle Vertrag mit der Begründung des Güterstandes der Gütertrennung gegenstandslos geworden sei. Insoweit ist die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt und unterliegt der Rückforderung (§ 812 BGB). Angesichts dieser eindeutigen Erklärung, die die frühere Beklagte noch aus eigenem Wissen abgegeben hat, erscheint das jetzige pauschale Bestreiten mit Nichtwissen als unzulässig. Die zur Erklärung des Vorgangs herangezogene Vermutung, es könne sich um eine allgemeine Zuwendung ohne besonderen Hintergrund handeln, erscheint nach dem Geschehensablauf fernliegend.

Es handelt sich bei dem Anspruch auch entgegen der Auffassung des Amtsgerichts um eine Familiensache. Ansprüche aus Bereicherung und unerlaubter Handlung sind, bezogen auf die Frage der Qualifikation als Familiensache, "neutral" und demjenigen Rechtskreis zuzuordnen, dessen Rückabwicklung sie dienen. Da sich der Anspruch auf einen güterrechtlichen Ausgleichsvertrag gründet, handelt es sich bei dem hieraus abgeleiteten Bereicherungsanspruch ebenfalls um eine Familiensache.

Dr. Eschweiler Carl Juncker