OLG Frankfurt vom 14.03.2002 (1 UF 127/01)

Stichworte: Prozeßstandschaft, Unterhaltsvereinbarung
Normenkette: BGB 328, 1612b V, 1629 Abs. 2, 3 ZPO 323
Orientierungssatz: Zur Auslegung einer Vereinbarung über Kindesunterhalt, die der betreuende Elternteil in eigenem Namen mit dem andern Elternteil geschlossen hat. Eine Vereinbarung, mit der sich der barunterhaltspflichtige unter Unterschreitung seines Selbstbehalts zur Zahlung von Barunterhalt für das Kind verpflichtet hat, bindet nicht gegenüber den Verschlechterungen durch die Neufassung der Kindergeldanrechnung gemäß § 1612b Abs. 5 in der Fassung ab 2001. Insoweit kann er sich auf felhende Leistungsfähigkeit berufen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschweiler, Richterin am Oberlandesgericht Michalik und und Richter am Oberlandesgericht Juncker auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2002 für Recht erkannt:

Das am 26.03.2001 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Bad Schwalbach wird abgeändert.

Die Klage betreffend den Zeitraum bis März 2000 wird abgewiesen.

Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin für das Kind, geb. am 8.8.1996, folgenden Unterhalt zu zahlen, beginnend mit dem Monat April 2000, jeweils monatlich:

April 2000 bis Juni 2001 295 DM
BR Juli 2001 308 DM
BR August bis Dezember 2001 403 DM
BR ab Januar 2002 199 Euro,
BR abzüglich jeweils seither (bis Januar 2002) gezahlter 245 DM monatlich.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 2/3, die Klägerin 1/3

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Mit der (Stufen-)Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Kindesunterhalt für das von ihr betreute gemeinschaftliche Kind in Anspruch, beginnend ab August 1999.

Die Parteien leben seit Juni 98 getrennt; das Kind blieb in der Obhut der Klägerin. Nach und aus Anlass der Trennung schlossen sie eine privatschriftliche Vereinbarung, mit der der Beklagte die erheblichen Verbindlichkeiten der Parteien übernahm (über 50.000 DM) und die Klägerin auf Unterhalt für sich verzichtete. Sollte die Entlassung der Klägerin aus der Mithaft nicht gelingen, werde der 'Regelunterhalt in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe' fällig und würden die Verbindlichkeiten hälftig getilgt. Außerdem wurde ein Kindesunterhalt von 313 DM monatlich (nach Gruppe 4 der damaligen Tabelle = 121% entsprechend 423 DM abzüglich 110 DM hälftiges Kindergeld) vereinbart.

Wegen des Wortlauts der Vereinbarung im Übrigen wird auf S. 1 bis 3 der Urkunde Bezug genommen (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 19.1.2001, Bl. 104 - 106 d.A.) Die nicht zur Akte gereichte S. 4 enthält noch eine 'salvatorische' Klausel, wonach die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen nicht die Unwirksamkeit der Vereinbarung im Übrigen nach sich ziehe, sowie die Unterschriften beider Parteien.

Die angezielte Entlassung der Klägerin aus den Schuldverpflichtungen ist in der Folgezeit nicht gelungen .

Der Beklagte zahlte den Kindesunterhalt zunächst, bis einschließlich März 2000, in vereinbarter Höhe. Danach, nach Verlust seines Arbeitsplatzes im Februar 2000, reduzierte er die Zahlung auf 245 DM. Hierüber hat er im Juni 2000 eine JA-Urkunde (107 % des Regelbetrages abzüglich Kindergeld, damals 380 - 135 = 245 DM) errichtet.

In der Folgezeit hat der Beklagte eine neue Arbeitsstelle mit geringeren Bezügen angetreten.

Der Beklagte ist einer weiteren Tochter Rebecca, geb. am 18.04.1989, unterhaltspflichtig. Insoweit hat er sich durch vollstreckbare JA-Urkunde (vor dem Stadtjugendamt Koblenz) zur Zahlung von monatlich 375 DM ab 1.1.2001 verpflichtet.

Mit dem angefochtenen Schlussurteil hat das Amtsgericht der Klage (nach Bezifferung in der Leistungsstufe) antragsgemäß stattgegeben, und zwar durchgehend in Höhe von 135 % des Regelbetrages abzüglich Kindergeldanteil, bis Mai 2000 beziffert, danach als Vomhundertsatz, jeweils abzüglich (bis dahin) erbrachter Zahlungen. Es hat den Beklagten fiktiv an seinem früheren Einkommen festgehalten, da die Kündigung provoziert sei. Schulden seien, da nicht bedient, nicht abzugsfähig.

In den Gründen des Urteils ist die vorbezeichnete Vereinbarung der Parteien nicht erwähnt; diese hat das Amtsgericht in dem vorausgegangenen Teilurteil (vom 31.01.2000, Bl. 13 d.A.) betr. Auskunft als 'unbeachtlich' bezeichnet.

Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte eine deutliche Herabsetzung des Kindesunterhalts. Sein derzeitiges Einkommen sei durch Pfändungen bis auf den pfändungsfreien Betrag vermindert, so dass er nicht zu höheren als von ihm zugestandenen Unterhaltsleistungen imstande sei.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß)

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit er in der zurückliegenden Zeit zu höherem als von ihm gezahlten Unterhalt und künftig zu mehr als monatlich 241 DM verurteilt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Darlegung des Beklagten über seine Einkommensverhältnisse für undurchsichtig und nicht aussagekräftig.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat nur zu einem geringeren Teil Erfolg.

Die Verpflichtung des Beklagten, seinem Kind Unterhalt zu zahlen, ist dem Grunde nach außer Streit.

Die Höhe des geschuldeten Unterhalts haben die Parteien seinerzeit durch privatschriftliche Vereinbarung festgelegt. Diese Vereinbarung bestimmt weiterhin den Umfang der Verpflichtung des Beklagten, allerdings fortgeschrieben durch geänderte Tabellenwerte, den Wechsel des Kindes in die nächste Altersststufe, die Höhe des jeweils bezogenen staatlichen Kindergeldes und die geänderte Kindergeldanrechnung durch die zum 1.1.2001 in Kraft getretene Gesetzesänderung (§ 1612b Abs.5 BGB n.F.), letzteres in den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit.

Das Amtsgericht hat die Vereinbarung der Parteien als unbeachtlich behandelt. Der Senat teilt diese Auffassung nicht.

Allerdings soll nach verbreiteter Auffassung (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB § 1629 RdNr.95; MK/Huber BGB 4.Auflage, § 1629 RdNr. 91; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht, 3. Auflage, § 1629 BGB RdNr.9) die in § 1629 Abs. 3 BGB statuierte Prozeßstandschaft (rechtsgeschäftliches Handeln für das Kind, aber in eigenem Namen) nicht für eine außergerichtliche Vertretung gelten. Dies wird aus § 1629 Abs.3 Satz 2 BGB abgeleitet, wonach die Erstreckung der Rechtswirkung für und gegen das Kind nur für Urteile und gerichtliche Vergleiche vorgesehen ist. Von einer entsprechenden Erstreckung auch auf außergerichtliche Vergleiche hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen; hier bestimme sich die Bindungswirkung nach den allgemeinen Regeln, also nach §§ 328 oder 164 BGB (vgl. Rechtsanwenderbroschüre S. 275).

Für eine rechtsgeschäftliche Vertretung des Kindes außerhalb eines Unterhaltsrechtsstreits muß deshalb der die Obhut innehabende Elternteil (zwar nicht ausdrücklich aber doch erkennbar, § 164 Abs.1 Satz 2 BGB) im Namen des Kindes handeln.

Inwieweit eine im eigenen Namen der getrenntlebenden Eltern geschlossene Vereinbarung der Sache nach als in Vertretung des Kindes durch den betreuenden Elternteil gemeint ist, ist damit eine Sache der Auslegung im konkreten Fall. Dabei soll der Umstand, dass in der Vereinbarung wie hier noch weitere Regelungsgegenstände enthalten sind, die dem originären Rechtskreis des vertretungsberechtigten Elternteils zugehören (Trennungsunterhalt, Schuldenregelung, vermögensrechtliche Regelungen), gegen eine dahingehende Auslegung (dass das Kind, vertreten durch den Elternteil, Vertragspartner sein solle) sprechen (BGH FamRZ 1986, 254,255). Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des BGH sollen Verträge dieser Art über Kindesunterhalt vielmehr als (unechte) Verträge zu Gunsten Dritter auszulegen sein, mit denen der Unterhalt lediglich im Verhältnis der Eltern untereinander festgelegt wird, verbunden mit einer entsprechenden Freistellungsvereinbarung gegenüber dem Unterhaltsanspruch des Kindes, ohne dass aber dem Kind selbst damit ein Forderungsrecht erwachsen soll (BGH FamRZ 1980, 342; 1982, 587; 1987 a.a.O.).

Ob diese aus der Auslegung von Prozessvergleichen alten Rechts vor Inkrafttreten des § 1629 Abs.3 BGB entwickelte Rechtsprechnung noch der gegenwärtigen Situation entspricht, ist zweifelhaft. § 1629 BGB in der Fassung vor der Familienrechtsrefom von 1977 kannte noch keine Prozeßstandschaft; der betreuende Elternteil konnte demnach das Kind nur in dessen Namen vertreten. Um Rechtswirkungen eines Prozessvergleichs über Kindesunterhalt auf das Kind zu erstrecken, hätte das Kind dem Verfahren beitreten müssen, was in der Regel unterblieb; vielfach, im Rahmen von Scheidungsfolgenvergleichen im Ehescheidungsprozess, war ein solcher Beitritt gar nicht möglich. Dafür gab es die Rechtsfigur des § 627 ZPO a.F., der eine Unterhaltsregelung nur im Verhältnis der Eltern untereinander vorsah. Es lag danach nahe, Vergleiche über Kindesunterhalt im Ehescheidungsverfahren ebenfalls mit diesem Inhalt zu verstehen, und, weitergehend, auch sonstige -gerichtliche und außergerichtliche- Verträge zwischen den Eltern betreffend Kindesunterhalt. Die Rechtsfiguur des § 627 ZPO a.F., die insoweit durch §620 ZPO in der Fassung von 1977 zunächst übernommen wurde, ist inzwischen (durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986) aus dem Rechtsleben verschwunden. Nachdem der die tatsächliche Sorge ausübende Elternteil das Kind wegen Unterhaltsansprüchen allein vertritt, also in dessen Namen Verträge mit unmittelbarer Wirkung für und gegen das Kind schließen kann, er darüber hinaus im Rechtsstreit diese Ansprüche im eigenen Namen geltend machen kann, erscheint es eher fernliegend, einer Vereinbarung der Eltern vor diesem rechtlichen Hintergrund über Kindesunterhalt anders zu verstehen, als dass damit der Kindesunterhalt auch im Verhältnis zum Kind geregelt sein soll. In der Lebenswirklichkeit ist die Entscheidung, ob die Untrerhaltsregelung im eigenen oder in dem Namen des Kindes getroffen wird, eher beiläufig und zufällig, jedenfalls ohne Wissen und Wollen damit verbundener unterschiedlicher Rechtswirkungen. Die Annahme, die vertragschließenden Eltern hätten durch die gewählte Form der Regelung (im eigenen Namen) eine derart umständliche Rechtskonstruktion (Freistellung) gewollt, erscheint gezwungen und dürfte in der Regel nicht dem natürlichen Willen entsprechen. Dies gilt jedenfalls für privatschriftliche Vereinbarungen wie hier; bei notariellen oder unter anwaltlicher Assistenz geschlossenen Verträgen mag dies anders sein. Danach spricht hier alles dafür, dass der den Kindesunterhalt betreffende Teil der Vereinbarung der Parteien trotz der gewählten Formulierung (also in eigenem Namen der Klägerin) in Ausübung ihrer Vollmacht mit unmittelbarer Wirkung für und gegen das Kind geschlossen worden ist.

Indes kann dies hier im Ergebnis dahinstehen (und veranlasst damit auch nicht die Zulassung der Revision wegen möglicher Abweichung von der Rechtsprechung des BGH), da in jedem Fall, auch wenn die Vereinbarung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung als unechter Vertrag zu Gunsten Dritter ohne Bindungswirkung für das Kind verstanden werden sollte, jedenfalls die hier streitenden Prozessparteien daran gebunden bleiben. Die unterschiedlichen Rechtswirkungen betreffen nur die Bindung des Kindes an den Vertrag und nicht diejenigen der Eltern, insbesondere des Beklagten. Da, wie noch auszuführen ist, das Kind durch die Vereinbarung seiner Eltern nicht benachteiligt wird, kommt es auf eine etwaige Bindung des Kindes hieran nicht an.

Inhaltlich sind gegen die Unterhaltsregelung, soweit den Kindesunterhalt betreffend, Bedenken nicht ersichtlich. Die Höhe des Unterhalts ist regelgerecht entsprechend dem festgehaltenen Einkommen des Beklagten aus der Düsseldorfer Tabelle entnommen worden. Von einer an sich nach der Zahl der Unterhaltsberechtigten veranlassten Aufstufung ist abgesehen worden; dafür sind auch die beträchtlichen Kreditbelastungen nicht einkommensmindernd abgesetzt worden. Diese Regelung ist für das Kind nicht von Nachteil und deshalb auch unter dem Gesichtspunkt des verbotenen Unterhaltsverzichts (§ 1614 Abs.1 BGB) unbedenklich.

Der Vorbehalt der (misslungenen) Entlassung der Klägerin aus den gemeinsamen Schulden ist nur für den Ehegattenunterhalt gemacht worden (Ziff. 3); der vereinbarte Kindesunterhalt (Ziff.5) ist davon nicht betroffen. Soweit in der Vertragsurkunde der 'Regelunterhalt' erwähnt ist, bezieht sich dies nach dem Sinnzusammenhang nicht auf den Kindesunterhalt (i.S. des Regelbetrages oder des früheren Regelunterhalts vor der Kindschaftsreform), sondern meint den regulären Ehegattenunterhalts nach dem für seine Bemessung üblichen Regelwerk.

Im übrigen enthält der Vertrag auch eine salvatorische Klausel, so dass die (gescheiterte) Regelung betreffend Ehegattenunterhalt und Schuldenregelung die übrigen Punkte nicht berührt.

Die Vereinbarung ist auch nicht in der Folgezeit einverständlich aufgehoben worden. Der Beklagte hat sie zunächst erfüllt und sich zu Beginn des Verfahrens auch noch darauf berufen. Dass er danach, nach den Rechtsausführungen des Amtsgerichts in dem Grundurteil, nicht mehr darauf zurückgekommen ist, ist keine rechtsgeschäftliche Erklärung.

Es ist demnach nach wie vor von dieser Unterhaltsvereinbarung auszugehen. Die vom Amtsgericht mit zutreffender -und letztlich auch nicht substantiiert angegriffener- Begründung als provoziert und damit unterhaltsrechtlich unbeachtlich gewürdigte Kündigung seines Arbeitsplatzes stellt keine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar, die eine Anpassung geboten hätte. Anzupassen ist die Regelung lediglich an diejenigen seither eingetretenen Änderungen, die sich bei unverändert zugrundezulegenden Einkommensverhältnissen aus der Veränderung der Tabellenwerte, der Höhe des staatlichen Kindergeldes und dessen Anrechnung sowie dem Wechsel des Kindes in die nächste Altersgruppe (im August 2001) ergeben.

Das führt -zunächst, vor Prüfung der Leistungsfähigkeit des Beklagten- zu folgender Unterhaltsberechnung:

August 99 bis Dezember 99 (neue Tabelle ab 7/99) 430 - 125 KG = 305 DM

Januar bis Dezember 2000 (Kindergelderhöhung) 430 - 135 KG = 295 DM

Da der Beklagte bis März jeweils 313 DM monatlich gezahlt hat, ist für diese Zeit der Unterhaltsanspruch erfüllt und damit erloschen. Die weitergehende Klage für diesen Zeitraum war demnach abzuweisen.

Ab Januar gilt mit Inkrafttreten des § 1612 Abs. 5 BGB n.F. eine geänderte Anrechnung des staatlichen Kindergeldes. Wegen der Höhe des weiterhin noch anzurechnenden Kindergeldes bei einem weiterhin geltenden Tabellensatz von 121% in der 1. Alterstufe wird auf die auch vom Senat angewandten (vgl. III.D. der Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, FamRZ 01, 1205,1208) Anlage zur Düsseldorfer Tabelle für die Kindergeldanrechnung verwiesen.

Januar bis Juni 2001 430 - 85 KG = 345

[entsprechend 135% = 480 - 135 = 345]

Juli 2001 (geänderte Tabelle) 443 - 83 KG = 360

[entsprechend 135 % = 495 - 135 = 360]

August bis Dezember 2001

(Kind in der 2. Altersstufe) 538 - 73 KG = 465

[entsprechend 135% = 600 - 135 = 465]

ab Januar 2002

(Euro- Anrechnungstabelle FamRZ 01,1512) 276 - 45 KG = 231 Euro

Diese Beträge kann der Beklagte allerdings ohne Unterschreitung seines notwendigen Selbstbehalts nicht zahlen, was eine Korrektur der Zahlbeträge erfordert. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte seinerzeit in voller Kenntnis seiner hohen Verschuldung und der gleichrangigen Unterhaltslast für Rebecca die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt in Höhe des Tabellensatzes der Einkommensgruppe 4 (= 121% des Regelbetrages) übernommen hatte. Die daraus resultierende Bindung an die Grundlagen der Vereinbarung, die insoweit auch der Berufung auf den Selbstbehalt entgegensteht, erfasst nämlich nicht die Steigerung der Zahlbeträge, die auf der gesetzlichen Neuregelung der Kindergeldanrechnung (§ 1612b Abs. 5 BGB n.F.) beruht, da damit die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung nicht gerechnet haben. In diesem Umfang kann deshalb der Beklagte der gesteigerten Zahllast die fehlende Leistungsfähigkeit entgegenhalten. Da andererseits die Änderung der Tabellensätze (entsprechend der Steigerung der Lebenshaltungskosten) und der auf dem fortschreitenden Lebensalter des Kindes beruhende Wechsel in die nächste Altersstufe vorhersehbar waren und, wie im Zweifel zu vermuten ist, auch vorhergesehen worden sind, erfasst die Bindungswirkung der Vereinbarung diese Steigerungselemente. Hiervon kann er jedoch, insoweit unter Mangelgesichtspunkten abweichend von § 1612b Abs. 5 BGB n.F. das staatliche Kindergeld hälftig in Abzug bringen, jedenfalls soweit, als eine für eine Erstberechnung vorzunehmende Mangelberechnung unter gleichmäßiger Kürzung der Einsatzbeträge diese Beträge nicht übersteigt.

Der Beklagte hat über die Höhe seines Verfügungseinkommens im letzten Verhandlungstermin eine Jahresverdienstbescheinigung für das Kalenderjahr 2001 vorgelegt (Bl. 246 d.A.). Das darin enthaltene Nettoeinkomen, das auch die Höhe der für Kreditbedienung einbehaltenen Pfändungsbeträge ausweist, liegt unter dem letzten Verfügungseinkommen von rund 3.850 DM und auch unter dem in der Unterhaltsvereinbarung zugrundegelegten Nettoeinkommen von 3.100 bis 3.500 M monatlich.

Die Frage, ob hier für die Beurteilung von diesem tatsächlich erzielten oder fiktv erzielbaren höheren Erwerbseinkommen auszugehen ist, ist für die hier vorzunehmende Prüfung der Leistungsfähigkeit letztlich gleichgültig und kann deshalb dahingestellt bleiben.

Denn ausweislich der Gehaltsabrechnung sind von dem Erwerbseinkommen die jeweils pfändungsfreien Gehaltsbestandteile gepfändet und an die Pfändungsgläubiger abgeführt worden. Ein fiktiv höher veranschlagtes Erwerbseinkommen hätte danach lediglich zur Folge, dass dann der pfändbare Anteil entsprechend höher wäre, ohne dass dies zu einer Erhöhung des verbleibenden und damit für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens führen würde. Auf die (von der Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vermisste) genaue Höhe der Ansprüche der Gläubiger, die der Pfändung zugrundeliegen, kommt es bei der hier gegebenen Fallkostellation nicht an. Die -als solche unstreitige- Verschuldung des Beklagten ist so hoch, dass sich voraussichtlich für die Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes an dieser Situation nichts ändern wird.

Die dem Beklagten im vergangenen Kalenderjahr zugeflossenen Mittel errechnen sich aus der Addition der Einzelpositionen 'Überweisung' (12.763,70) und 'Auszahlungsbetrag' (18.021,75), zusammen 30. 785,45 DM. Dabei ist die mit insgesamt 3.420,80 DM ausgewiesene Pfändung bereits berücksichtigt.

In dem insgesamt an den Beklagten ausgezahlten Betrag sind jedoch auch die gezahlten Spesen von insgesamt (2.030 + 3.426 =) 5.456 DM enthalten. Mangels näheren Vortrages darüber, in welchem Umfang diese Spesen bestimmungsgemäß verwendet worden sind und dafür auch benötigt wurden, geht der Senat von dem Erfahrungssatz aus, dass ein Drittel hiervon als ersparte häusliche Aufwendungen als Einkommen zu bewerten sind (II. 4. Der Unterhaltsgrundsätze). Das sind hier (5.456 : 3 =) 1.819 DM. Das ergibt folgende korrigierte Einkommensberechnung : 30.785,45 - 5.456 + 1.819 = 27.148,45 DM entsprechend monatlich 2.262 DM.

Nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts von (für 2001) 1.640 DM verbleibt für Unterhaltszwecke ein Betrag von 622 DM. Das reicht zur Deckung des Bedarfs für Rebecca (375 DM) und für Simon (345, 360 und 465 DM) nicht aus.

Für die dadurch (als Kontrollberechnung, s. vorstehend) erforderliche Mangelberechnung ist allerdings nicht der jeweilige Zahlbetrag einzusetzen (dieser dient lediglich als Einstieg dafür, ob überhaupt ein Mangelfall vorliegt), sondern der Tabellensatz vor Abzug des anteiligen Kindergeldes. Das führt für die 3 Zeitabschnitte im Jahr 2001 zu folgender Mangelberechnung:
BR Januar bis Juni 2001: (verfügbar) 622 : (Gesamtbedarf 430 + 510 =) 940 x 430 = 285

Juli 2001: 622 : (443 + 510 = ) 953 x 443 = 289

Ab August 2001: 622 : (538 + 510 =) 1.048 x 538 = 319

Anstelle diesere Beträge tritt, wie ausgeführt, aufgrund der (teilweisen) Bindungswirkung der Unterhaltsvereinbarung für die 3 Zeitabschnitte folgender Zahlbetrag:

Januar bis Juni 2001: Tabellensatz 430 - 135 KG = 295

Juli 2001: 443 - 135 KG = 308

Ab August 2001: 538 - 135 KG = 403

Ab 1.1.2002 ergibt dann die entsprechende Berechnung einen Zahlbetrag von 276 - 77 = 199 Euro.

Die in dem erwähnten nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin aufgeführten Bedenken gegen die Richtigkeit der Jahresbescheinigung überzeugen den Senat nicht und veranlassen keine Wiedereröffnung der geschlossenen Verhandlung. Der Beklagte kann keine anderen Gehaltsunterlagen vorlegen als er von seinem Arbeitgeber erhält. Der Form nach entspricht die jetzt mit Firmenstempel versehene Bescheinigung denjenigen, die für Teilabschnitte des Kalenderjahres 2000 bereits vorgelegt wurden; offenbar gibt die in der Buchhaltung des Arbeitgebers, bei dem es sich ersichtlich um einen kleinen Betrieb handelt, verwendete Software nichts anderes her.

Die beanstandete darin aufgeführte ev. Kirchensteuer (neben der sonst abgeführten r.k. Kirchensteuer) ist ein Stornoposten aus dem Vorjahr und am Fuße der Bescheinigung erklärt. Der Telefonkostenabzug ist von der Größenordnung her marginal und ändert am Gesamtergebnis nichts.

Der beantragten Vernehmung des Zeugen B. bedurfte es nicht, da die in sein Wissen gestellte Behauptung nicht entscheidungserheblich ist: Die Richtigkeit der Behauptung unterstellt, der Beklagte erziele neben den bescheinigten noch 'Schwarz'-Einkünfte, die an dere Steuer und der Sozialversicherung vorbeigeschleust werden, könnte die Klägerin hieran nicht partizipieren. Der Unterhaltsgläubiger hat keinen Anspruch darauf, an der Beute gesetzwidrig erzielter Einkünfte beteiligt zu werden und sich so gewissermaßen als Hehler zu betätigen.

Die Berufung hat demnach in dem aufgezeigten Umfang Erfolg. Die Kostenquote entspricht dem jeweiligen Obsiegensumfang.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folg aus §§ 708 Nr.10, 11, 713 ZPO.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker