OLG Frankfurt vom 23.08.1999 (1 UF 106/99)

Stichworte: Unterhalt, nachehelicher, Wohnwert, Kaltmietanteil, Selbstbehalt VA, Ausschluß PKH, Erfolgsaussicht
Normenkette: BGB 1587c, ZPO 114
Orientierungssatz: Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der objektive Wohnwert dem Nutzer dann zugerechnet werden, wenn es ihm als gedachte Alternative möglich und zumutbar ist, den Wohnwert auch durch Fremdvermietung zu erzielen, und es wirklich auf seiner freien Entscheidung beruht, ob er dies tut oder es vorzieht, den Gebrauchswert durch Selbstnutzung zu ziehen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 23. August 1999 beschlossen:

Dem Antragsgegner wird für seine beabsichtigte Berufung gegen das am 17.3.1999 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach insoweit Prozeßkostenhilfe bewilligt, als er sich gegen die Verurteilung zu nachehelichem Unterhalt wendet. Im übrigen, soweit er den Auschluß des Versorgungsausgleichs erstrebt, wird ihm Prozeßkostenhilfe verweigert. Im Umfang der Bewilligung wird ihm Rechtsanwalt X. beigeordnet.

Der Antragstellerin wird für ihre beabsichtigte Berufung gegen das vorgenannte Urteil Prozeßkostenhilfe verweigert.

G r ü n d e :

Mit Verbundurteil vom 17.3.1999 hat das Amtsgericht - Familiengericht - die Ehe der Parteien geschieden, zum Versorgungsausgleich monatlich 1.272,79 DM Rentenanwartschaften auf das Rentenkonto der Antragstellerin (Parteibezeichnungen entsprechen der Hauptsache) übertragen und den Antragsgegner zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von 870,50 DM - unter Abweisung der weitergehenden, auf insgesamt 1.900,-- DM monatlich gerichteten - Klage verurteilt. Das Urteil ist dem Antragsgegner am 26.3., der Antragstellerin und den Versorgungsträgern am 29.3.1999 zugestellt worden.

Mit jeweils binnen Monatsfrist ab Zustellung eingereichten Schriftsätzen haben beide Parteien um Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung nachgesucht. Der Antragsteller möchte erreichen, daß der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt und die Klage auf nachehelichen Unterhalt vollständig abgewiesen wird. Demgegenüber erstrebt die Antragsstellerin eine Erhöhung des ausgeurteilten Unterhalts auf monatlich 1.320,49 DM.

Für den gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich gerichteten Angriff des Antragsgegners kann ihm Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seiner Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) nicht bewilligt werden. Gegen das Rechenwerk erhebt der Antragsgegner keine Bedenken; solche sind auch nicht ersichtlich. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist auch nicht, wie von ihm angenommen, gemäß 1587 c BGB unbillig. Ob die Antragstellerin obliegenheitswidrig nach Trennung der Parteien eine Erwerbstätigkeit unterlassen hat, wogegen bereits spricht, daß er der Antragsgegnerin Trennungsunterhalt gezahlt hat, kann dahingestellt bleiben. Keinesfalls ist dieses Verhalten als mutwillig im Sinne des § 1587 c Nr. 2 BGB auszulegen. Hierfür fehlt jeglicher Bezug auf die spätere Scheidung.

Für einen Ausschlußgrund nach § 1587 c Nr. 1 fehlt es an einer hierfür erforderlichen Vermögensentwicklung. Beide Parteien sind jeweils hälftige Eigentümer des gemeinsamen Hauses. Daß etwa die Antragstellerin über weiteres Vermögen verfügen sollte, aus dem sie ihre Versorgung bestreiten könnte, während der Antragsgegner auf seine Versorgungsanwartschaften angewiesen wäre, ist nicht vorgetragen und nach Lage der Dinge auch fernliegend.

Auch die Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 3 BGB liegen nicht vor. Mit der Trennung ist die Verpflichtung der Antragstellerin, Beiträge zum Familienunterhalt nach § 1360 BGB zu leisten, entfallen. Daß sie etwa danach Trennungsunterhalt ( § 1361 BGB) an den Antragsgegner hätte zahlen müssen und dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, ist offensichtlich nicht gegeben.

Hinreichend erfolgversprechend ist seine beabsichtigte Berufung dagegen insoweit, als er sich gegen den ausgeurteilten nachehelichen Unterhalts wendet. Da der von keiner Seite angefochtene Scheidungsausspruch Ende April rechtskräftig geworden ist, betrifft die Unterhaltsverurteilung den anschließenden Zeitraum. Maßgebend für seine Leistungsfähigkeit ist damit nunmehr die von ihm bezogene Arbeitslosenhilfe in nachgewiesener Höhe von (umgerechnet monatlich) 2.216,- DM. Davon abzuziehen sind die von ihm getragenen Belastungen des von ihm allein bewohnten gemeinsamen Hauses, wogegen der Vorteil des mietfreien Wohnens in diesem Hause dem Einkommen zuzurechnen ist.

-Hinsichtlich der Bewertung des Wohnwertes ist das Amtsgericht der - nachvollziehbaren und plausiblen - Angabe der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift gefolgt, wonach dieser mit 1.000,-- DM zu veranschlagen sei. Hiervon hat es die seinem Eigentumsanteil entsprechende Hälfte, also 500,-- DM, dem Einkommen hinzugerechnet.

Dies begegnet durchgreifende Bedenken. Durch den Auszug der Antragsstellerin aus dem gemeinsamen Hause ist der Antragsgegner in der Lage, das Haus allein zu nutzen und den Wohnwert in voller Höhe selbst zu ziehen (BGH FamRZ 1986, 434). Eine Nutzungsentschädigung an die Antragstellerin entsprechend deren Halbanteil wird von dieser offenbar nicht verlangt und kann widerspruchsfrei auch nicht verlangt werden, wenn der Wohnwert in der Unterhaltsberechnung eingesetzt wird. Andererseits bestehen aber auch Bedenken, in der hier gegebenen Fallkonstellation dem allein nutzenden Antragsgegner den vollen objektiven Wohnwert des Hauses zuzurechnen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der objektive Wohnwert dem Nutzer dann zugerechnet werden, wenn es ihm als gedachte Alternative möglich und zumutbar ist, den Wohnwert auch durch Fremdvermietung zu erzielen, und es wirklich auf seiner freien Entscheidung beruht, ob er dies tut oder es vorzieht, den Gebrauchswert durch Selbstnutzung zu ziehen. Einer derartigen alternativen Vermietung steht hier aber entgegen, daß nach dem Vorbringen der Antragstellerin beabsichtigt ist, das Haus zu verkaufen. In einem solchen Fall würden vernünftig handelnde Parteien das Haus vorher nicht vermieten, da hierdurch die Veräußerung erheblich erschwert würde. Es ist auch nicht vorgetragen oder nach Lage der Dinge zu vermuten, daß die Antragstellerin als hierzu berechtigte Miteigentümerin die notwendige Erlaubnis zu einer Vermietung des Hauses erteilen würde. Es erscheint demnach sachgerecht, den vom Antragsgegner gezogenen Wohnwert nicht nach dem objektiven Mietwert des Hauses zu bestimmen, sondern nach dem Wert, den er sonst nach seinen Einkommensverhältnissen für eine angemietete Wohnung zur Deckung seines Wohnbedarfs aufwenden würde (fiktive Miete). In einem solchen Fall bestimmt sich der Gebrauchsvorteil der selbst genutzten Wohnung nach den Unterhaltsgrundsätzen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Fassung ab 1.7.1999 (JMBl. 434 ff. = Der Amtsvormund 1999, 565 ff. = NJW 1999, 2337 ff. = FamRZ 1999, 1045 ff.) in einfachen Verhältnissen nach dem Kaltmietanteil im kleinen Selbstbehalt, bei höherem Einkommen entsprechend erhöht (aaO I 12 Abs. 2). Da vorliegend nach rechtskräftiger Scheidung der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin den sogenannten großen Selbstbehalt verteidigen kann (Unterhaltsgrundsätze IV 10), bietet es sich an, den darin enthaltenen Kaltmietanteil von 650,-- DM (III E 2) anzusetzen. Für eine mit der beabsichtigten Berufung der Antragstellerin erstrebte Herabsetzung des Selbstbehalts ist kein rechtfertigender Grund ersichtlich. Eine solche Unterschreitung ist möglich, wenn atypische Umstände des Einzelfalls dies veranlassen. Solche abweichenden Gesichtspunkte sind nicht gegeben. Der Umstand, daß der Antragsgegner arbeitslos ist und möglicherweise in Bälde in Ruhestand tritt, ist kein solcher Gesichtspunkt.

Dem so definierten Wohnwert stehen die vom Antragsgegner für das gemeinsame Haus getragenen Lasten (für die er, da unterhaltsrechtlich berücksichtigt, ebensowenig Ersatz verlangen kann, wie die Antragsgegnerin eine Nutzungsentschädigung für die Alleinbenutzung des Hauses) gegenüber. Im Rahmen der summarischen Prüfung geht der Senat davon aus, daß die von ihm aufgeführten und unter Beweis gestellten Finanzierungslasten und Versicherungsprämien im Gesamtbetrag von 638,-- DM sämtlich auf das gemeinsame Haus bezogen und damit berücksichtigungsfähig sind.

Damit ergibt sich bis dahin insgesamt folgende Unterhaltsberechnung:

Einkommen (Arbeitslosenhilfe) 2.216,-- DM zuzüglich Wohnwert 650,-- DM abzüglich Hauslasten 638,-- DM verbleiben 2.228,-- DM hiervon 2/5 sind 891,-- DM.

Diesen Unterhalt kann der Antragsgegner jedoch nicht aufbringen, ohne seinen eigenen angemessenen Selbstbehalt von, wie ausgeführt, 800,-- DM zu unterschreiten. Für Unterhaltszwecke verfügbar bleiben mithin nur 428,-- DM.

Insoweit macht der Antragsgegner weiterhin Bewerbungskosten in Höhe von über 500 DM monatlich geltend. Diese sind nunmehr spezifiziert, bedürfen jedoch noch im einzelnen kritischer Sichtung und gegebenfalls Nachweis im Einzelfall. Im summarischen PKH-Prüfungsverfahren geht der Senat vorab zu seinen Gunsten davon aus, daß sich im Hauptverfahren solche Aufwendungen in dieser Größenordnung feststellen lassen, womit der Antragsgegner insgesamt für Unterhaltszahlungen nicht mehr leistungsfähig wäre.

Die beabsichtigte Berufung der Antragstellerin, gerichtet auf Erhöhung des ausgeurteilten Unterhalts, hat keine hinreichende Erfolgsaussicht. Auch wenn man im summarischen Verfahren nunmehr zu ihren Gunsten die vom Antragsgegner getragenen berücksichtigungsfähigen Hauslasten nur entsprechend der von ihr nicht angegriffenen Feststellung in dem angefochtenen Urteil mit monatlich 344,-- DM zugrundelegt und die bestrittenen Bewerbungskosten nicht berücksichtigt, verbleiben nach Zurechnung des Wohnvorteils von, wie ausgeführt, 650,-- DM, 2.522,-- DM. Der danach über dem Selbstbehalt liegende Betrag von 722,-- DM übersteigt den vom Amtsgericht zuerkannten Untehaltsbetrag nicht.

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage einer etwaigen Prozeßkostenhilfe zur Verteidigung gegen die gegnerische Berufung, für die es einer Erfolgsprüfung nicht bedarf (§ 119 Satz 2 ZPO). Einer Entscheidung hierüber bedarf es jedoch erst, wenn die Berufung tatsächlich eingelegt ist. Für und im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren gibt es keine Prozeßkostenhilfe.

Dr. Eschweiler Michalik Juncker