OLG Frankfurt vom 13.09.2000 (1 UF 10/00)

Stichworte: BarwertVO, Weitergeltung Lebensversicherung, Ausgleichsform
Normenkette: VAHRG 1 Abs. 3, 3b Abs. 1 Nr. 1
Orientierungssatz: Kein erweitertes Splitting zum Ausgleich einer Leibrentenversicherung.Weitere Anwendung der Barwertverordnung, trotz in der Rechtsprechung und Literatur geäußerter verfassungsrechtlicher Bedenken.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

1. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstr. 2, Berlin-Wilmersdorf, 10704 Berlin, zu Vers.Nr. 52 100456 P 004 und 65 080966 S 513,

2. Sparkassenversicherung, Bahnhofstr. 69, 65185 Wiesbaden, zu Az.: 90-8748303-2

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 07. Dezember 1999 am 13.09.2000 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch zum Versorgungsausgleich abgeändert. Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin Vers.Nr. 52 100456 P 004 werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin Vers.Nr. 65 080966 S 513 Rentenanwartschaften aus der Ehezeit, die am 30. April 1999 abgelaufen ist in Höhe von monatlich 440,99 DM übertragen.

Zu Lasten der Anwartschaften des Antragsgegners aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. 90/8748303/2 bei der Sparkassenversicherung in Wiesbaden werden Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 4,62 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. April 1999, auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin Vers.Nr. 65 080966 S 513 begründet.

Der Monatsbetrag der zu übertragenden und zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.

Die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.000,-- DM.

G r ü n d e :

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Es hat dabei Rentenanwartschaften in Höhe von 363,80 DM zum Ausgleich der beiderseits in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anwartschaften zu Gunsten der Antragstellerin übertragen und darüber hinaus zum Ausgleich von Anwartschaften des Antragsgegners aus betrieblicher Altersversorgung und aus einem Lebensversicherungsvertrag bei der weiteren Beteiligten zu 2. weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 78,59 DM übertragen. Dabei hat es unter Anwendung der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen die nichtdynamischen Anwartschaften des Antragsgegners aus betrieblicher Altersversorgung und dem Lebensversicherungsvertrag in dynamische Anwartschaften von 148,30 DM (betriebliche Altersversorgung) und 8,88 DM (Lebensversicherung) umgerechnet.

Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass die Anwendung der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen bei der Umrechnung gemäß § 1587 a Abs. 3 und 4 zu verfassungswidrigen Ergebnissen führe, weil die umgerechneten nicht dynamischen Anrechte damit unterbewertet seien.

Die gemäß §§ 621 e, 629 a ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht begründete Beschwerde hat nur zum geringen Teil Erfolg.

Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass in Literatur und Rechtsprechung in neuerer Zeit verfassungsrechtliche Bedenken dagegen erhoben werden, ob die Faktoren der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen noch der Realität entsprechen und verfassungskonform noch angewandt werden können (Glockner/Gutdeutsch, FamRZ 1999 Seite 896; Bergner FamRZ 1999 Seite 1487; OLG München FamRZ 1999 Seite 1432). Die geäußerten Bedenken führen jedoch nach Ansicht des Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit der auf § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB beruhenden Barwertermittlung anhand der zu dieser Vorschrift ergangenen Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen. Gründe der Rechtseinheit und Rechtssicherheit sprechen vielmehr weiterhin für ihre Anwendung. Zu dem können durch eine veränderte Bewertung - auch durch eine Änderung der Barwertverordnung - eintretende Veränderungen später in einem Verfahren gemäß § 10 a VAHRG berücksichtigt werden (vgl. Hahne FamRZ 1987 Seite 217, 225). Mit einem Teil der Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main 6. Senat für Familiensachen, FamRZ 2000 Seite 1020; OLG Nürnberg FamRZ 2000 Seite 538, 539; OLG Stuttgart FamRZ 2000, 1019) sieht sich der Senat daher weiterhin an § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB und die Barwertverordnung in der seit 1984 geltenden Fassung gebunden.

Gleichwohl kann der angefochtene Beschluss nicht unverändert Bestand haben. Zutreffend hat das Amtsgericht den hälftigen Wertunterschied zwischen den beiderseits in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen ehezeitbezogenen Anwartschaften (1.299,40 DM auf Seiten des Antragsgegners und 571,83 DM auf Seiten der Antragstellerin) mit 363,80 DM ermittelt und zum Ausgleich der beiderseits erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften in dieser Höhe übertragen. Nicht zutreffend hat es jedoch die Anwartschaft des Antragsgegners aus dem Lebensversicherungsvertrag zum sogenannten erweiterten Splitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG herangezogen. Ausweislich der Auskunft der Sparkassenversicherung vom 21.07.1999 sieht das Vertragsverhältnis zwischen dem Lebensversicherungsunternehmen und dem Antragsteller eine Realteilung vor. Im übrigen ist die Rechtsform des Lebensversicherungsunternehmens öffentlich-rechtlich, wie sich ebenfalls aus dieser Auskunft ergibt. Hiernach kamen zum Ausgleich dieser Anwartschaft nur die gegenüber dem erweiterten Splitting vorrangigen Ausgleichsformen der Realteilung bzw. der Begründung von Rentenanwartschaften (§ 1 Abs. 2 bzw. 3 VAHRG) in Betracht. Die ansich vorrangige Realteilung konnte nicht durchgeführt werden, da nach dem von der weiteren Beteiligten zu 2. mit Schreiben vom 19.07.2000 im Beschwerdeverfahren übersandten Geschäftsplan (Seite 6.1) die Durchführung der Realteilung davon abhängig ist das eine jeweils geltende geschäftsplanmäßige Mindestrente erreicht ist. Dies ist ausweislich der ergänzenden Auskunft der Sparkassenversicherung vom 03.08.2000 nicht der Fall. Folglich war die Anwartschaft des Antragsgegners aus dem Lebensversicherungsvertrag infolge der öffentlich-rechtlichen Rechtsform des Lebensversicherungsunternehmens durch Begründung von Rentenanwartschaften nach § 1 Abs. 3 VAHRG durchzuführen.

Bei der Umrechnung beider nicht dynamischer Anrechte mittels der amtlichen Rechengrößen ist dem Amtsgericht ein Fehler unterlaufen. Es hat die Barwerte mit dem Faktor 0,0000928019 in Entgeldpunkte umgerechnet. Dies ist der maßgebende Faktor für ein Ende der Ehezeit von Januar bis März 1999. Für die Zeit von April bis Dezember 1999 gilt der - hier aufgrund des Ehezeitendes am 30. April 1999 heranzuziehende - Faktor 0,0000966091. Ausgehend von den zutreffend vom Amtsgericht nach der Barwertverordnung ermittelten Barwerten ergibt sich folgende Berechnung:

Betriebliche Altersversorgung:

Barwert 33.536,11 DM
BR Entgeldpunkte: 33.536,11 x 0,0000966091 = 3,2399
BR Dynamische Rentenanwartschaft: 3,2399 x 47,65 = 154,38 DM

Hiervon war der hälftige Betrag also ein Betrag von 77,19 DM durch erweitertes Splitting nach § 3 b VAHRG auszugleichen. Zusammen mit dem Übertragungsbetrag von 363,80 DM zum Ausgleich der beiderseitigen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich damit ein insgesamt ein Übertragungsbetrag von 440,99 DM.

Die Anwartschaft des Antragsgegners aus dem Lebensversicherungsvertrag ist wie folgt in eine entsprechende dynamische Anwartschaft umzurechnen:

Deckungskapital 2.008,-- DM
BR Entgeldpunkte: 2.008 x 0,0000966091 = 0,1940
BR Dynamische Rente: 0,1940 x 47,65 = 9,24

In Höhe der Hälfte hiervon, also in Höhe von 4,62 DM, waren Anwartschaften zu Gunsten der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen.

Die Anordnung der Umrechnung in Entgeldpunkte folgt aus § 1587 b Abs. 6 BGB.

Da die Beschwerde nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg hatte und dieser Teil sich auf die entstandenen Kosten nicht ausgewirkt hat, hat die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 ZPO in vollem Umfang zu tragen (§ 97 Abs. 1 und 3 ZPO). Die Wertfestsetzung folgt aus § 17 a GKG und berücksichtigt das die mit der Beschwerde angestrebte Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich auf einen Mehrbetrag von weniger als 1.000,-- DM im Jahr abzielte.

Im Hinblick auf die aufgezeigte Kontroverse in der Rechtsprechung zu der Frage, ob die Faktoren der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen noch verfassungskonform angewandt werden können, kommt der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu, so dass der Senat die weitere Beschwerde zugelassen hat (§§ 621 d Abs. 1, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO).

Dr. Eschweiler Michalik Noll