OLG Frankfurt vom 15.05.2019 (1 SV 14/19)

Stichworte: Sonstige Familiensache; Verlöbnis; Doppelrelevante Tatsachen; Darlegungs- und Beweislast; Rechtsweg; Sofortige Beschwerde
Normenkette: FamFG 266 Abs. 1 Nr. 1; GVG 17a Abs. 4 Satz 3; Abs. 6; ZPO 138 Abs. 1; ZPO 567 ff.
Orientierungssatz:
  • Bei der Prüfung, ob eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 1 FamFG vorliegt, kommt es dann, wenn die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen nicht auch notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruches selbst darstellen (doppelrelevante Tatsachen), nicht nur auf den Vortrag der Antragstellerseite, sondern auch auf das Verteidigungsvorbringen der Antragsgegnerseite an.
  • Bestreitet die Antragsgegnerseite das Vorliegen eines Verlöbnisses bzw. die zugrundeliegenden Tatsachen, so muss ggf. Beweis erhoben werden, um die Zuständigkeitsfrage zu klären. Die Beweislast trägt der Antragsteller.
  • An den Vortrag des Antragstellers zum Vorliegen eines Verlöbnisses, zur Beendigung des Verlöbnisses und zum Zusammenhang des Anspruchs mit der Beendigung des Verlöbnisses sind die üblichen Anforderungen einer substantiierten Darlegung zu stellen (§ 138 Abs. 1 ZPO, ggf. iVm § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG).
  • 700 F 990/18
    AG Friedberg (Hessen)

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In dem Verfahren

    hier: Beschwerde gegen Verweisung

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 1. Senat für Familiensachen, durch Richterin am Oberlandesgericht Wegener als Einzelrichterin

    am 15. Mai 2019 beschlossen:

    Die sofortige Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Friedberg (Hessen) vom 13.02.2019 – Nichtabhilfebeschluss vom 09.04.2019 – wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.

    Gründe:

    I.

    In dem vorliegenden Verfahren macht der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin einen Rückzahlungsanspruch aus einem der Antragsgegnerin am 25.1.1999 gewährten Darlehen über damals 100.000 DM geltend.

    Die Beteiligten waren und sind nicht miteinander verheiratet, führten aber eine Beziehung und lebten seit dem 15.12.1992 zusammen in einer Wohnung. Aus der Beziehung ist die gemeinsame Tochter …, geb. … 1995, hervorgegangen.

    Das verfahrensgegenständliche Darlehen diente zum Erwerb einer Gastwirtschaft im Jahr 1999, welche in der Folge 4 Jahre gemeinsam betrieben wurde, nämlich von … 1999 bis … 2003. Den Darlehensbetrag hatte der Antragsteller nach seinem Vortrag von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbschaft erhalten.

    Der Antragsteller, der den Antrag bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Friedberg anhängig gemacht hat, behauptet, die Beteiligten hätten geplant zu heiraten. Hierzu habe man sich schon verschiedene Kirchen angesehen. Im Beschwerdeverfahren legt er ein Schreiben der Steuerfachwirtin … vom 27.2.2019 vor. Darin heißt es u.a.: „gerne bestätige ich Ihnen, dass Sie gemeinsam mit Ihrer damaligen Verlobten Frau … mehrfach in unseren damaligen Büroräumen waren, um über die steuerlichen Auswirkungen Ihrer geplanten Eheschließung zu sprechen. Ich kann mich daran erinnern, dass die Gespräche in der Zeit von Ende 1998 bis Frühjahr 1999 stattfanden, da wir seinerzeit auch in Bezug auf die Eröffnung des Restaurants … und der damit verbundenen steuerlichen Gestaltung sehr viele Gesprächstermine mit Ihnen und Frau … hatten.“ Der Antragsteller trägt weiter vor, die Mutter der Antragsgegnerin habe als praktizierende Katholikin eine alsbaldige Heirat erwartet. Auch für sie sei ein Verlöbnis erkennbar gewesen.

    Zum Beweis für seinen Vortrag des Bestehens eines Verlöbnisses bietet der Antragsteller „Zeugenbeweis des Steuerberaters …“ an. Im Beschwerdeverfahren benennt er zudem „die Zeugin …“.

    Die Antragsgegnerin behauptet, eine Heirat sei nicht geplant gewesen.

    Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Rechtsweg zu der Familienabteilung des Amtsgerichts für unzulässig erklärt und das Verfahren an die Zivilabteilung des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) verwiesen.

    Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

    II.

    1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft gemäß §§ 17a Abs. 4 S. 3 GVG, 567 ff. entsprechend ZPO und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden. Zwar fehlt es nach der anzuwendenden Verfahrensordnung des FamFG (vgl. § 17a Abs. 6 i.V.m. 4 S. 3 GVG) und auch im Rahmen der Regelung des § 17a Abs. 6 GVG selbst an einer konkreten Vorschrift im Sinne einer Verweisung auf die §§ 567 ff. ZPO. Insofern ist jedoch von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Diese ist, da es sich um einen Rechtsbehelf gegen eine anfechtbare Zwischenentscheidung handelt, zu schließen durch eine entsprechende Anwendung der über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG geltenden Vorschriften über die sofortige Beschwerde, §§ 567 ff. ZPO (Zöller/Lückemann, ZPO, 32. Aufl., § 17a GVG, Rn. 15).

    2. Die Beschwerde ist hingegen nicht begründet. Zu Recht hat vielmehr die Familienabteilung des Amtsgerichts das Verfahren mit dem angefochtenen Beschluss gem. § 17a Abs. 6 GVG an die Zivilabteilung des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) verwiesen. Es handelt sich bei dem vorliegenden Verfahrensgegenstand in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Amtsgerichts und entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht um eine sonstige Familiensache nach § 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, für welche die Zuständigkeit der Familienabteilung des Amtsgerichts gegeben wäre.

    Gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 1 FamFG sind sonstige Familiensachen auch Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses betreffen. Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert („Großes Familiengericht“). Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand (BGH v. 22.8.2018 – XII ZB 312/18, juris Rn. 11). Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses wurden den Familiengerichten zugewiesen, da Streitigkeiten der genannten Art, ähnlich wie bei Ehegatten, in erster Linie durch einen persönlichen Grundkonflikt der beteiligten Personen geprägt sind (BT-Drs. 16/6308, 262). Im Hinblick auf die gewünschte, möglichst umfassende Zuständigkeit der Familiengerichte ist zwar eine großzügige BeUrteilung der Tatbestandsvoraussetzungen angezeigt (vgl. zu § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG BGH v. 12.7.2017 – XII ZB 40/17, juris Rn. 12; BGH v. 5.12.2012 – XII ZB 652/11, juris Rn. 29); auch bei einer solchen großzügigen Auslegung kann hier jedoch eine sonstige Familiensache nicht angenommen werden.

    Tatbestandsmerkmale sind gem. § 266 Abs. 1 Nr. 1 FamFG neben dem Merkmal eines Verlöbnisses kumulativ die Beendigung dieses Verlöbnisses sowie ein Zusammenhang des Anspruches mit der Beendigung dieses Verlöbnisses. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.

    Handelt es sich bei den die Zuständigkeit begründenden Tatsachen nicht gleichzeitig um notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs (sog. doppelrelevante Tatsachen), kommt es für die Beurteilung, ob der zur Entscheidung anstehende Verfahrensgegenstand eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit oder Familiensache im Sinne des § 17a Abs. 6 GVG darstellt, nicht nur auf den Vortrag der Antragstellerseite, sondern auch auf das Verteidigungsvorbringen der Gegenseite an (BGH v. 22.8.2018, a.a.O.; BGH v. 28.2.2018 – XII ZR 87/17, juris Rn. 10; BGH v. 12.7.2017 –XII ZB 40/17, Rn. 15; BGH v. 5.12.2012, a.a.O., Rn. 33 = FamRZ 2013, 281 mit Anm. Heiter, S. 283; BGH v. 27.10.2009 – VIII ZB 42/08, juris Rn. 18; Fritzsche, ZAP 2019, 437, 439). Denn es wäre mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit ("Waffengleichheit") der Beteiligten und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG regelmäßig nicht vereinbar, wenn das Gericht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges den Sachvortrag der anderen Seite nicht zur Kenntnis nähme und seine Zuständigkeit allein auf der Grundlage eines schlüssigen, aber bestrittenen und nicht bewiesenen Vortrag des Klägers bzw. hier Antragstellers (BGH FamRZ 2013, 281) annehmen würde. Die Beweislast trägt der Antragsteller, welcher sich auf die Zuständigkeit – hier des Familiengerichts – beruft (BGH FamRZ 2013, 281, 282 mit Anm. Heiter, a.a.O., sh. auch BGH v. 27.10.2009, a.a.O.). Einer Beweiserhebung bedarf es nicht, wenn schon nach dem unstreitigen Vortrag eine Zuständigkeit der Familiengerichte gegeben ist (BGH v. 5.12.2012, a.a.O., Rn. 33). Gleiches muss gelten, wenn schon nach dem unstreitigen Vortrag eine Zuständigkeit der Familiengerichte nicht gegeben ist.

    Danach kommt es hier auf das Verteidigungsvorbringen und also auf das Bestreiten der Antragsgegnerin an, denn die vom Antragsteller vorzutragenden Tatsachen betreffend ein Verlöbnis, die Beendigung dieses Verlöbnisses und Zusammenhang des Anspruches mit der Beendigung des Verlöbnisses sind nicht doppelrelevant. Der Anspruch des Antragstellers auf Rückgewähr des gewährten Darlehens ist auch nach dem Vortrag des Antragstellers tatbestandlich unabhängig von den Voraussetzungen Verlöbnis, Beendigung des Verlöbnisses und Zusammenhang hiermit. Die Antragsgegnerin hat das Vorliegen eines Verlöbnisses bestritten. Eine Heirat sei nicht geplant gewesen. Jedenfalls angesichts dieses – einfachen – Bestreitens hätte es dem darlegungsbelasteten Antragsteller oblegen, zum Bestehen eines Verlöbnisses und auch zu den weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 266 Abs. 1 Nr. 1 FamFG substantiiert vorzutragen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 138 Abs. 1 ZPO). Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Antragstellers jedoch nicht gerecht, sodass es weder eines substantiierteren Bestreitens der Antragsgegnerin noch gar einer Beweisaufnahme bedurfte, um die Zuständigkeitsfrage zu klären.

    Dies gilt zum einen im Hinblick auf das Merkmal eines Verlöbnisses an sich. Ein Verlöbnis ist das gegenseitige Versprechen von zwei Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts, künftig die Ehe miteinander eingehen zu wollen sowie das daraus folgende Rechtsverhältnis zwischen den Verlobten (Palandt/Brudermüller, BGB, 78. Aufl., Einf v § 1297, Rn. 1). Konkrete Angaben seitens des Antragstellers zu einem solchen gegenseitigen Versprechen (Datum, Ort, weitere Umstände) sind vorliegend nicht vorgetragen. Offen ist also insbesondere, seit wann das Verlöbnis bestanden haben soll. Nicht ausreichend ist die schlichte Behauptung, man sei verlobt gewesen und habe sich schon Kirchen angesehen. Nicht ausreichend ist ferner die zumindest zur Substantiierung vorgelegte Bescheinigung der Steuerfachwirtin …, denn auch deren Angaben sind unkonkret und reichen zur Darlegung einer Verlobung nicht aus. Gleiches gilt für den Vortrag, auch für die Mutter der Antragsgegnerin sei eine Verlobung erkennbar gewesen. Die Darlegung reicht im Übrigen auch deswegen nicht aus, weil hier verschiedene Indizien eher gegen die Annahme eines Verlöbnisses sprechen, so z.B. die Tatsache, dass nach der Darlehensgewährung im Jahr 1999 eine Heirat in den folgenden Jahren tatsächlich nicht stattfand, und weiter die Tatsache, dass die Beteiligten schon seit 1992 zusammen gewohnt hatten und auch die Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 1995 nicht zum Anlass genommen wurde, einander zu heiraten. Selbst wenn man annehmen wollte, es habe ein Verlöbnis bestanden, fehlt es an einem konkreten Vortrag zu den weiteren Tatbestandsmerkmalen der Beendigung des Verlöbnisses und einem Zusammenhang der Geltendmachung des Anspruches mit dieser Beendigung. Allein die Tatsache, dass die Beziehung der Beteiligten im Jahr 2003 gescheitert ist, reicht als Vortrag der Beendigung eines Verlöbnisses ebenfalls nicht aus, sodass es auf den Umstand, dass die Antragstellung erst im Jahr 2018 erfolgt ist, mithin 15 Jahre nach der Beendigung der Beziehung, schon nicht mehr ankommt. Insofern konnte die Frage, welche Bedeutung hier der zeitliche Abstand zwischen der Trennung der Beteiligten und der Geltendmachung des Anspruchs im gerichtlichen Verfahren hat, offen bleiben (vgl. hierzu BGH v. 29.6.2017 – IX ZB 98/16 = NZFam 2017, 842 m.w.N.).

    Für den weiteren Verfahrensverlauf sei angemerkt, dass die Verweisung in dem angefochtenen Beschluss nur hinsichtlich des Verhältnisses der Spruchkörper, die für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Familiensachen zuständig sind, untereinander bindend ist. Einer Weiterverweisung auf Grund einer fehlenden sachlichen Zuständigkeit seitens der Zivilabteilung des Amtsgerichts steht somit nichts entgegen (Zöller/Lückemann, a.a.O., § 17a GVG Rn. 12).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 97 ZPO.

    Einer Festsetzung des Verfahrenswerts bedurfte es nicht (sh. Nr. 1912 des KV als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG und § 33 RVG; BeckOK/Streitwert/Rechtswegbeschwerde/Dürbeck, Rn. 3).

    Wegener