Die richterliche Unabhängigkeit

und ihr Schranken

Festvortrag des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts,

Professor Dr. Hans-Jürgen Papier, 
aus Anlass des 40. Geburtstags des Vereins der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter Baden-Württemberg

I. Einleitung

Art. 97 Abs. 1 GG garantiert die sachliche Unabhängigkeit der Richter. Sie sind, insbesondere sowie sie Recht sprechen, nur dem Gesetz unterworfen. § 25 DRiG und § 1 GVG wiederholen, fast gleich lautend, diese Aussage.

Die richterliche Unabhängigkeit, ursprünglich im Kampf gegen die absolutistische Kabinettsjustiz erstritten zur Abwehr monarchischer Übergriffe in die Rechtsprechung1, ist heute wesentlicher Bestandteil des gewaltengliedernden Verfassungsstaates des Grundgesetzes2. So steht die in Art. 97 Abs. 1 GG verbürgte Unabhängigkeit des Richters in engem Zusammenhang mit der in Art. 20 Abs. 3 GG hervorgehobenen Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht sowie dem in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung. Soll Gewaltenteilung Machtmissbrauch wirklich hindern, ist es geboten, dass jedes der besonderen Organe, dem ein Teil der staatlichen Gewalt zugewiesen ist, von allen anderen Organen in seinen Entscheidungen grundsätzlich unabhängig ist3. Art. 92 GG wiederum konkretisiert die Gewaltenteilung in funktioneller Hinsicht im Hinblick auf die rechtsprechende Gewalt besonders konsequent, indem er diese ausschließlich den Richtern anvertraut. Schließlich wird die sachliche Unabhängigkeit des Richters durch die Garantie auch seiner persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 Abs. 2 GG institutionell abgesichert4. Die persönliche Unabhängigkeit ist die notwendige Ergänzung der sachlichen Unabhängigkeit. Denn sie gewährt dem Richter Schutz vor persönlichen Sanktionen für missliebige Entscheidungen. Die Weisungsfreiheit wäre nicht viel wert, müsste der Richter bei nicht genehmen Entscheidungen fürchten, entlassen oder versetzt zu werden5.

Dabei ist die gewährte Unabhängigkeit, wie auch der Bundesgerichtshof mehrfach betont hat, kein Standesprivileg der Richter6. Sie soll vielmehr die ausschließliche Bindung des Richters an Recht und Gesetz gegen sachfremde Einflussnahmen von außen absichern. Nur der unabhängige Richter kann dem Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes, den Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG mit seiner Rechtsschutzgarantie speziell gegen Akte der öffentlichen Gewalt und im Übrigen die dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip immanente allgemeine Justizgewährleistungspflicht fordern, genügen. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch des Bürgers ist aufgrund seiner historischen Entwicklung und der den grundgesetzlichen Rechtsstaatsbegriff prägenden Art. 92 ff. GG ein Gerichtsschutzanspruch. Er ist als solcher gerichtet auf einen Rechtsschutz und eine Streitentscheidung durch eine richterliche Gewalt, deren Träger den Anforderungen der Art. 92 ff GG, insbesondere denen der Art. 97 und 98 GG entsprechen7. Die Richter ihrerseits sind verpflichtet, ihre richterliche Tätigkeit an jener staatlichen Justizgewährpflicht auszurichten. Es ist ihre Aufgabe, für die Erfüllung jener staatlichen Justizgewähr Sorge zu tragen. Den Richtern obliegt die Dienstpflicht, ihre richterliche Tätigkeit in strikter Gesetzesbindung und in sachlicher Unabhängigkeit wahrzunehmen.

Vor diesem Hintergrund ist zunächst der Gewährleistungsbereich der Unabhängigkeitsgarantie zu bestimmen (II.) Dabei konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Garantie der sachlichen Unabhängigkeit. Im Anschluss wird das Verhältnis der Unabhängigkeit des Richters zur Dienstaufsicht beleuchtet (III.). Im letzten Teil soll kurz auf die Frage eingegangen werden, inwiefern die Übertragung der so genannten "Neuen Steuerungsmodelle" auf den Justizbereich die verfassungsrechtliche garantierte richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen könn-te (IV.).
 

II. Der Gewährleistungsbereich

1. Die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit bezieht sich unstreitig nur auf die "richterliche Tätigkeit", nicht aber auf die einem Richter übertragenen Aufgaben der Gerichtsverwaltung im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG8. Diese, dem Wortlaut des Art. 97 Abs. 1 GG nicht unmittelbar zu entnehmende Beschränkung ergibt sich aus dem oben dargelegten Sinn und Zweck der Unabhängigkeitsgewähr. Die Unabhängigkeit ist kein Privileg und kein Selbstzweck. Sie ist dem Richter gewährt, um eine gerechte, von sachfremden Einflüssen freie Rechtsprechung zu ermöglichen9. Bei der Gerichtsverwaltung unterliegt der Richter wie der Verwaltungsbeamte auch Weisungen der dienstlichen Vorgesetzten. Zu den Aufgaben der Gerichtsverwaltung gehören etwa das Haushalts- und Kassenwesen, der Vollzug des Dienstrechts der Richter und anderer Gerichtsangehöriger10 oder die Referendarausbildung11.
Kern der "richterlichen Tätigkeit" ist die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt, wie sie nach Art. 92 GG ausschließlich den Richtern anvertraut ist. Zu den Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt gehören neben der eigentlichen Spruchtätigkeit des Richters auch alle diejenigen Tätigkeiten, die mit der Rechtsfindung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Hier sind zu nennen Maßnahmen, die der Vorbereitung einer richterlichen Entscheidung dienen wie Terminsbestimmungen, Fristsetzungen und Einzelrichterbestimmungen; Maßnahmen, die während der Verhandlung ausgeübt werden wie die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen oder sitzungspolizeiliche Anordnungen; schließlich solche Maßnahmen, die der Entscheidung nachfolgen, insbesondere die Abfassung der Entscheidungsgründe oder etwa die Berichtigung einer Entscheidung.

Die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 97 Abs. 1 GG geht aber über den Bereich der rechtsprechenden Gewalt im Sinne von Art. 92 GG hinaus. Zu der "richterlichen Tätigkeit", auf die sich die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Richters beziehen, gehört nämlich auch die Wahrnehmung solcher Aufgaben, die dem Richter gerade mit Rücksicht auf seine Unabhängigkeit übertragen sind. Dies gilt etwa für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, aber auch für die Geschäftsverteilung durch das Präsidium12 bzw. für die Geschäftsverteilung innerhalb des Spruchkörpers13, die gemäß § 21 g GG neuer Fassung durch Beschluss aller dem Spruchkörper angehörenden Mitglieder erfolgt. Auch insoweit bezieht sich die Unabhängigkeit nicht nur auf die eigentlichen Bedürfnisse. Ebenso sind die nur mittelbar der Beschlussfassung dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen gegen unzulässige Einflussnahmen geschützt14.

2. Ursprünglich richtete sich die Forderung nach Unabhängigkeit des Richters – wie erwähnt – gegen Übergriffe des Monarchen. Der Richter sollte frei von Einwirkungen des Landesherrn Recht sprechen15. Die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit gegenüber Eingriffen der Exekutive ist auch heute noch wesentlicher Inhalt des Art. 97 Abs. 1 GG. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt die sich aus dieser Verfassungsnorm ergebende Weisungsfreiheit des Richters gegenüber der zweiten Gewalt herausgestellt16. Daneben dient die Unabhängigkeitsgewähr auch dem Schutz der rechtsprechenden Gewalt vor Eingriffen der Legislative17. Der Weisungsfreiheit des Richters korreliert das verfassungsrechtliche Verbot an Parlament, Regierung und Verwaltung, bei schwebenden Verfahren in prozessordnungswidriger Weise auf die zur Rechtsfindung berufenen Richter einzuwirken18.

Schließlich entfaltet Art. 97 Abs. 1 GG auch Rechtswirkungen innerhalb der Gerichtsbarkeit und im Innenverhältnis einer Gerichtskammer. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1961 ausgeführt, dass Art. 97 Abs. 1 GG nur das Verhältnis der Richter zu Trägern nichtrichterlicher Gewalt betreffe19. Gegenstand des damaligen Vorlageverfahrens war ein formelles Gesetz, das die Bindung eines Gerichts an die Entscheidung eines anderen Gerichts vorschrieb. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 29. Februar 1996 diese Aussage jedoch präzisiert20. Der diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrundeliegende Sachverhalt dürfte Ihnen bekannt sein. Er hat zumindest innerhalb der Justiz, insbesondere der Verwaltungsgerichtsbarkeit dieses Landes, großes Aufsehen erregt. Gegen den Präsidenten eines Verwaltungsgerichts war durch Beschluss des zuständigen Dienstgerichts ein Disziplinarverfahren eröffnet worden, weil er Einzelrichterentscheidungen inhaltlich durch Streichungen ohne Einwilligung der Einzelrichter verändert und diese in diesem Zusammenhang unter Druck gesetzt habe. Das Bundesverfassungsgericht hat die Wertung der Fachgerichte, dass der Präsident des Verwaltungsgerichts die Unabhängigkeit anderer Richter verletzt habe, bestätigt. Die sachliche Unabhängigkeit schütze – so das Bundesverfassungsgericht – jedenfalls vor solchen internen Eingriffen, für die es an einer Ermächtigung zur Wahrnehmung richterlicher Funktionen nach jedem rechtlichen Gesichtspunkt fehle. Könne sich ein Eingriff von vornherein nicht auf eine solche richterliche Gewalt stützen, die durch Gesetz oder den Geschäftsverteilungsplan vermittelt werde, könne es keinen Unterschied machen, wo die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit ihren Ausgang nehme21.

Diese umfassende verfassungsmäßige Garantie der sachlichen Unabhängigkeit gibt dem einzelnen Richter wie dem Spruchkörper die Befugnis, unzulässige Einwirkungen Dritter zurückzuweisen. Der Befugnis des Richters korrespondiert zugleich auch seine Verpflichtung, die Entscheidung frei von derartigen Ingerenzen ausschließlich nach Recht und Gesetz zu treffen. Diese innere Unabhängigkeit des Richters kann weder die Verfassung noch das Gesetz garantieren. Sie ist eine dem Richter persönlich gestellte Aufgabe22. Er muss seine innere Unabhängigkeit gerade gegenüber den rechtlich nicht fassbaren Einwirkungen bewahren. So können heute Medien durch Art und Weise ihrer Berichterstattung und Kommentierung einen Druck erzeugen, dem nicht nur Politiker bei den von ihnen zu treffenden Entscheidungen kaum auszuweichen wissen, sondern der sich auch auf die Richter und Gerichte auswirkt. Verstärkt wird dieser Druck noch, wenn Politiker, um dieser veröffentlichten Meinung zu entsprechen, ihre Erwartungen an die Gerichte in diesem Sinne zum Ausdruck bringen. Gegen solche Einflussnahmen helfen keine gesetzlichen Vorschriften, zumal es auch das Recht der Medien ist, die Rechtsprechung der Gerichte kritisch zu begleiten. Es gibt hier auch keine individuellen Rechtsbehelfe des in dieser Weise bedrängten Richters. Hier ist vielmehr ein richterliches Amtsethos gefordert, das den Richter befähigt, sich von den Erwartungen und Wünschen Dritter frei zu machen, um ausschließlich nach Recht und Gesetz zu entscheiden, und ihm die Kraft gibt, nicht auf den Beifall der Medien zu schielen und auch die unberechtigte und zuweilen unsachliche Kritik zu ertragen.
 

III. Das Verhältnis von richterlicher Unabhängigkeit und Dienstaufsicht

1. Gemäß § 26 Abs. 1 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift umfasst die Dienstaufsicht die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Die Dienstaufsicht erstreckt sich demnach auch auf die "richterliche Tätigkeit", einschließlich der Rechtsprechung. Das hier aufgezeigte Spannungsverhältnis gibt seit langem und in vielfacher Hinsicht Anlass zu schwierigen Abgrenzungsfragen. Hierüber darf jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass beide, die richterliche Unabhängigkeit und die Dienstaufsicht über die Richter, ihre gemeinsame Grundlage in der verfassungsrechtlich verbürgten Justizgewähr des Staates finden23. Wie eingangs dargelegt, ist dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip die allgemeine Justizgewährleistungspflicht als umfassende verfassungsrechtliche Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes immanent24. Die Unabhängigkeit der Richter ist wesentliche Voraussetzung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und daher untrennbarer Bestandteil der rechtsstaatlichen Verpflichtung zur Justizgewähr25. Es gehört zu den Dienstpflichten der Richter, ihre richterliche Tätigkeit an jener staatlichen Justizgewährpflicht auszurichten. Sie haben für die Erfüllung jener staatlichen Justizgewähr Sorge zu tragen. Die Dienstaufsicht über die "richterliche Tätigkeit" gewährleistet ihrerseits die Einhaltung dieser richterlichen Dienstpflichten. Damit bestimmt die staatliche Justizgewährpflicht nicht nur den Inhalt der richterlichen Dienstpflichten, sondern auch die Möglichkeiten und Grenzen der Dienstaufsicht26.
Die Dienstaufsicht darf also nicht allein im Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit gesehen werden, sie muss auch als Instrument der Sicherung und Durchsetzung der staatlichen Justizgewährpflicht gewürdigt werden, welche insbesondere das Gebot einer dem Gesetzmäßigkeitsprinzip entsprechenden richterlichen Entscheidung überhaupt und in angemessener Zeit enthält.

2. Die Dienstvorgesetzten haben wie auch die Dienstgerichte, wenn sie von Richtern gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht angerufen werden, im Einzelfall das Spannungsverhältnis zwischen der Unabhängigkeit des Richters und der Aufgabe der Dienstaufsicht aufzulösen. Das Dienstgericht des Bundes, ein besonderer Senat des Bundesgerichtshofs (§ 61 Abs. 1 DRiG), hat in der Vergangenheit, über eine kasuistische Rechtsprechung hinausgehend, gewisse allgemeine Grundsätze entwickelt, nach Maßgabe derer derartige Kollisionen zu lösen seien. Wesentlich und kennzeichnend für die Judikatur ist die Unterscheidung zwischen einem "Kernbereich" der richterlichen Tätigkeit und einem "äußeren Ordnungsbereich". Der "äußere Ordnungsbereich" soll diejenigen Tätigkeiten umfassen, die dem Kernbereich der eigentlichen Rechtsprechung soweit entrückt sind, dass für sie die Garantie des Art. 97 Abs. 1 GG vernünftigerweise nicht in Anspruch genommen werden kann27. Soweit dieser äußere Ordnungsbereich der richterlichen Tätigkeit betroffen ist, kann es danach keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit geben. Zum Kernbereich gehört dagegen die eigentliche Rechtsfindung einschließlich der sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen28. Im Kernbereich der Rechtsprechung sei grundsätzlich und im Zweifel die Unabhängigkeit des Richters zu respektieren und daher für dienstaufsichtliche Maßnahmen kein Raum. Über die inhaltliche Gesetzmäßigkeit seiner Justizgewähr hat der Richter grundsätzlich in sachlicher Unabhängigkeit selbst zu befinden. Den Verfahrensbeteiligten ist es überlassen, gegebenenfalls im Rechtsbehelfswege eine Nachprüfung der inhaltlichen Übereinstimmung der Entscheidung mit dem Gesetz zu bewirken29. Ausnahmsweise dürfe die Dienstaufsicht aber einschreiten, wo dem Richter bei seiner Rechtsprechungstätigkeit offensichtliche und jedem Zweifel entrückte Fehlgriffe unterlaufen; in einem solchen Fall dürfe auch dem Richter vorgehalten werden, dass er sich nicht gesetzestreu verhalten habe30. Diese Differenzierung zwischen Kernbereich und dem Bereich äußerer Ordnung gilt entsprechend für die übrige "richterliche Tätigkeit" im soeben beschriebenen Sinne, etwa die Beschlussfassung des Präsidiums einschließlich des wesentlichen zur Beschlussfassung führenden Verfahrens31. 

Diese Abgrenzung zwischen einem unantastbaren Kernbereich und einem Bereich äußerer Ordnung ist in der Literatur teilweise heftig kritisiert worden: Es handele sich – so lautet der Vorwurf – um eine nichts sagende Definition32. Auch widerspreche es gutem juristischen Brauch, den Tatbestand durch die Rechtsfolge zu definieren33. Der Bundesgerichtshof war sich der Unbestimmtheit dieser Differenzierung bewusst, hat sie aber trotz Kritik in seiner Rechtsprechung aufrechterhalten34. Der Gesetzgeber selbst habe – so der Bundesgerichtshof – von einer Aufzählung der einzelnen Fälle abgesehen, in denen Maßnahmen der Dienstaufsicht zulässig oder unzulässig seien, da eine befriedigende Aufzählung bei der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der denkbaren Fälle ebenso wenig zu gewinnen sei, wie eine jeden Zweifel ausschließende Abgrenzungsformel35. Vor denselben Abgrenzungsschwierigkeiten stehe die Rechtsprechung. Auch sie könne keine allgemeine Abgrenzungsformel zwischen Kernbereich und dem Bereich der äußeren Ordnung aufstellen36. Dementsprechend weit ist das von den Dienstgerichten entwickelte Feld der Kasuistik.

3. Ein Richter, der durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt sieht, kann nach § 26 Abs. 3 DRiG eine gerichtliche Entscheidung der Richterdienstgerichte herbeiführen. Die von dem Richter angegriffene Maßnahme braucht kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG zu sein, anfechtbar sind vielmehr auch Maßnahmen tatsächlicher Art37. Nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes, das neben seiner Zuständigkeit für die Richter im Bundesdienst auch Revisionsinstanz gegenüber den Landesdienstgerichten ist, ist im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit der Begriff der dienstaufsichtlichen Maßnahme weit auszulegen. Es genügt jede Maßnahme der dienstaufsichtführenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt38. Nicht erforderlich ist hierbei, dass sich die dienstaufsichtsführende Stelle unmittelbar an den Anfechtenden gewandt hat. Es genügt, dass die Maßnahme geeignet ist, sein künftiges dienstliches Verhalten zu beeinflussen39. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht ist daher u.a. in jeder Meinungsäußerung einer dienstaufsichtführenden Stelle zu sehen, die sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen oder außerdienstlichen Verhalten eines Richters befasst40, was nicht nur in Zeugnissen und Beurteilungen, sondern auch beispielsweise durch einen Leserbrief des Ministeriums oder ein Presseinterview des Justizministers geschehen kann41. 

4. Die Grenzziehung zwischen zulässiger Dienstaufsichtsmaßnahme und unzulässigem Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit erweist sich im Einzelfall oftmals als schwierig und hat – wie bereits erwähnt – zu einer umfangreichen Judikatur der Richterdienstgerichte geführt. Zur Veranschaulichung seien einige Beispiele herausgegriffen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes sind die dienstaufsichtführenden Stellen im Rahmen der ihnen auch gegenüber Richtern zustehenden Beobachtungsfunktion befugt, sich durch turnusgemäß oder aus besonderem Anlass erfolgende Geschäftsprüfungen Klarheit darüber zu verschaffen, ob organisatorische Entlastungsmaßnahmen oder gezielte dienstaufsichtliche Maßnahmen angezeigt sind42. Die Unabhängigkeit des Richters wird daher nicht beeinträchtigt, wenn die Dienstaufsichtsbehörde von den Richtern am Anfang eines jeden Jahres eine Meldung der überjährigen Zivilprozesse mit einer stichwortartigen Begründung für die Nichterledigung verlangt43. 

b) Das Dienstgericht des Bundes hat es auch als zulässig erachtet, dass in der dienstlichen Beurteilung eines Richters seine Erledigungszahlen erörtert und mit denen anderer Richter desselben Gerichts verglichen werden. Bei einer solchen vergleichenden Erwähnung von Erledigungszahlen darf nach dieser Entscheidung auch zwischen den einzelnen Erledigungsarten unterschieden und das Ergebnis in einer Erledigungsart etwa als durchschnittlich, in der anderen aber als zu niedrig bewertet werden44.

c) Ebenfalls als zulässig hat es das Dienstgericht des Bundes angesehen, wenn in einer dienstlichen Beurteilung des Richters die Terminierung älterer Sachen als verzögerlich beanstandet und die Absetzungsfristen als unangemessen lang gewertet werden. Dies habe, so das Gericht, inhaltlich mit der Rechtsprechung in einzelnen Sachen oder Fallgruppen nichts zu tun und lasse die Entscheidungsfreiheit des Richters unberührt. Fragen der Terminierungsdauer und der Absetzungsfristen stünden mit der Rechtsfindung nur in einem losen und äußerlichen Zusammenhang und seien daher dem Bereich der "äußeren Ordnung" zuzurechnen. Es bestehe kein Anlass, der dienstaufsichtsführenden Stelle in diesen Fragen unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Unabhängigkeit jede Einflussnahme zu versagen45.

d) Das Dienstgericht des Bundes hat ferner ein dienstaufsichtliches Anhalten zur vermehrten Erledigung für mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar erklärt. Rückstände seien, so das Dienstgericht, gleich bedeutend mit Unzuträglichkeiten in der Laufzeit der Prozesse. Dem entgegenzuwirken sei eine legitime Aufgabe der Justizverwaltung46. Ähnlich wird in der Bemerkung in einer dienstlichen Beurteilung, dass das Arbeitspensum des Richters nicht zu befriedigen vermöge, keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit gesehen47.

e) Dagegen wäre der Versuch, den Richter in seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigender Weise zu einer bestimmten Art der Erledigung zu veranlassen, mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren48. Diese Grenze kann nach der Rechtsprechung des Dienstgerichtes des Bundes auch dann überschritten sein, wenn dem Richter von der Dienstaufsicht Rückstände zur Last gelegt werden, obwohl die Eingänge so hoch sind, dass allgemein, also auch von anderen Richtern, eine Erledigung in sachgerechter Weise nicht mehr möglich ist. Ein dahin wirkender Erledigungsdruck liefe auf die Aufforderung zu einer sachwidrigen Erledigung hinaus und wäre mit dem Rechtsprechungsauftrag des Richters nicht zu vereinbaren. Werde allerdings ein vergleichbarer Arbeitsanfall von anderen Richtern bewältigt, habe der Richter, der zu einer gleichen Arbeitsleistung nicht in der Lage oder nicht bereit sei, eine dies berücksichtigende und im Vergleich zu jenen anderen Richtern schwächere Benotung in einer dienstlichen Beurteilung hinzunehmen49.

f) Der Richter darf seitens der Dienstaufsicht nicht dazu gedrängt werden, einzelne Verfahren gleich bearbeitungsbedürftigen vorzuziehen50. Zulässig ist es aber, so das Dienstgericht des Bundes, den Richter dazu zu ermahnen, die Reihenfolge der Bearbeitung nach der jeweiligen Dringlichkeit einzurichten und dabei die etwa bevorstehende Verjährung zu beachten. Die Freiheit des Richters, zu einer Entscheidung dieses oder jenes Inhalts zu kommen, werde hierdurch nicht berührt. Die Aufforderung, die in dem Dezernat anfallenden Vorgänge besser zu überwachen und die Frage der Verjährung im Auge zu behalten, diene allein der Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, der der Dienstaufsicht zugänglich sei51.

g) Ein Richter darf allerdings nicht von seinem Dienstvorgesetzten dazu angehalten werden, mehr als einen Sitzungstag pro Woche abzuhalten. Hierdurch werde, so das Dienstgericht des Bundes, die Dispositionsfreiheit des Richters in einer die eigentliche Rechtsfindung berührenden Weise unzulässig eingeengt. Es müsse dem Richter überlassen bleiben, ob er mehrere Sitzungstage pro Woche einrichtet oder aber an einem Sitzungstag mehr Sachen verhandelt, um auf diese Weise mehr Zeit und Ruhe für das Absetzen der Entscheidungsgründe und die Erledigung weiterer richterlicher Aufgaben zu gewinnen52.

h) Die Heranziehung eines Richters zur Referendarausbildung, bei der es sich – wie bereits erwähnt – um eine Angelegenheit der Gerichtsverwaltung handelt, stellt nach der Rechtsprechung der Dienstgerichte für sich gesehen grundsätzlich noch keinen Eingriff in die sachliche oder persönliche Unabhängigkeit des Richters dar. Im Einzelfall könne dies anders zu beurteilen sein, wenn besondere Umstände hinzuträten. Solche Umstände ließen sich aber nicht generell aus der Stellung und Funktion des Richters als Vorsitzender einer Zivilkammer herleiten53.

i) Maßnahmen der Dienstaufsicht, die einen Richter veranlassen können, sein Diensttelefon zur Erledigung seiner Aufgaben nicht in dem von ihm für sachgerecht gehaltenen Umfang zu benutzen, können, so das Dienstgericht des Bundes, die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen. Zulässig sei allerdings die Billigung und Duldung einer automatischen Gesprächsdatenerfassung, die nicht über die bloße Beobachtung der Benutzung der Telefonanlage hinausgehe. Die freie Entscheidung des Richters, ob und wen er in welcher Rechtssache anrufe und wie lange er mit ihm telefoniere, werde dadurch nicht beeinträchtigt54.

j) Schließlich hat das Dienstgericht des Bundes in einer – nicht unkritisiert gebliebenen55 – Entscheidung festgestellt, als Ausfluss seiner sachlichen Unabhängigkeit sei der Richter nicht an allgemein festgesetzte Dienststunden gebunden56. Zwar habe er ebenso wie der Beamte seine ganze Kraft dem Amt zu widmen. Aus seiner Unabhängigkeit folge jedoch, dass er, soweit nicht bestimmte Tätigkeiten wie Sitzungen, Beratungen oder Sofort- und Eilsachen seine Präsenz erforderten, seine Arbeit nicht innerhalb festgelegter Dienstzeiten und nicht an der Gerichtsstelle zu erledigen habe. In seiner eigentlichen Arbeit, der Rechtsfindung, solle der Richter soweit als eben möglich von äußeren Zwängen, seien sie auch nur atmosphärischer Art, frei sein. Er solle die Möglichkeit haben, sich, wann immer seine Anwesenheit im Gericht nicht unerlässlich sei, mit seiner Arbeit zurückziehen zu können, um sich ihr in anderer Umgebung und mit freier Zeiteinteilung umso intensiver widmen zu können. Ihm dies zu verwehren, hieße bereits, ihn von einer Arbeitsweise abzuhalten, die er für ertragreicher und der Sache angemessener erachte und die dies im Zweifel auch sei. Der größte Teil der richterlichen Arbeit vollziehe sich auf einer von der Gerichts- und Behördenorganisation losgelösten Ebene, die Rechtsfindung sei außerhalb der Sitzungen und Beratungen nicht das Ergebnis eines behördlichen Ablaufs, sondern eines höchstpersönlichen Erkenntnisprozesses. Eine Festlegung des Richters auf bestimmte Arbeitszeiten wäre daher, so das Dienstgericht des Bundes, als Eingriff in seine richterliche Arbeit unzulässig57.

5. Will man aus dieser im Verhältnis von richterlicher Unabhängigkeit und Dienstaufsicht herausgestellten Kasuistik weiterführende Erkenntnisse gewinnen, so ließe sich etwa Folgendes festhalten: Das Instrument der Dienstaufsicht steht etwaigen justizpolitischen Ansinnen nicht zur Verfügung, das Verhältnis von Quantität und Qualität richterlicher Tätigkeit zu Gunsten der ersteren zu verändern. Unmittelbares oder mittelbares Anhalten zur Verminderung des Prüfungsumfangs, der Sachverhaltsaufklärung ebenso wie der rechtlichen Durchdringung, stoßen sich unzweifelhaft an der Unabhängigkeitsgewähr. Es ist keine Frage, der Justizgewähranspruch des Bürgers betrifft nicht nur den Zugang zu den Gerichten als solchen, sondern auch die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes. Mit der Garantie eines tatsächlich wirksamen richterlichen Rechtsschutzes ist auch die zeitliche Komponente angesprochen, diese Garantie umfasst mit anderen Worten den Richterspruch in angemessener Zeit. Verweigerung oder Versagung eines Rechtsschutzes in angemessener Zeit begründet objektiv eine Verletzung der staatlichen Justizgewährpflicht. Es ist auch richtig, dass die Dienstaufsicht über die richterliche Tätigkeit nicht nur die richterliche Unabhängigkeit zu wahren, sondern – mit gleichem Rang und mit gleicher Bedeutung – die anderen Anforderungen der staatlichen Justizgewährpflicht, insbesondere das Gebot einer richterlichen Entscheidung überhaupt und in angemessener Zeit, durchzusetzen hat. Aber Verletzungen oder Gefährdungen der Justizgewährpflicht in letzterer Hinsicht legitimieren nicht zu Eingriffen in die verfassungsrechtlich verbürgte richterliche Unabhängigkeit. Aus der rechtsstaatlich verbürgten Justizgewähr folgt in diesem Fall vielmehr die Pflicht des für die Bereitstellung der justitiellen Institutionen und Verfahren zuständigen Staates, diese so zu organisieren und auszustatten, dass sie der objektivrechtlichen Verpflichtung zur Justizgewähr zu entsprechen vermögen.
 

IV. Richterliche Unabhängigkeit und "Neue Steuerungsmodelle"

Nach diesen Beispielen aus der Rechtsprechung zum Spannungsverhältnis zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Dienstaufsicht möchte ich zum Schluss noch kurz ein in jüngster Zeit viel diskutiertes Thema ansprechen, in dem viele Richter eine neue Art der Gefährdung ihrer Unabhängigkeit sehen. Es geht um die so genannten "Neuen Steuerungsmodelle", mit denen Organisations- und Führungsgrundsätze moderner Unternehmensführung auf den öffentlichen Sektor übertragen werden sollen58. Ziel des – ursprünglich für den Bereich der Kommunalverwaltung entwickelten – Konzepts ist die Verwaltungslenkung durch Kompetenz- und Ressourcenverteilung59. In verschiedenen Bundesländern, etwa in Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen, wird intensiv an Reformprojekten zur Modernisierung der Justizverwaltung gearbeitet, mit denen Elemente des "Neuen Steuerungsmodells" für die Justiz nutzbar gemacht werden sollen. Im Mittelpunkt stehen Schlagworte wie "Haushaltsflexibilisierung", "Budgetierung", "dezentrale Ressourcenverantwortung", "Leistungsvereinbarungen" und "controllingorientierte Kosten- und Leistungsrechnung". Statt einer "Input-Steuerung" über herkömmliche Haushaltspläne soll eine am Leistungsauftrag orientierte "Output-Steuerung" stattfinden60. Der "Output" wird in "Produkte" untergliedert, denen die bei ihrer "Herstellung" anfallenden Kosten zugeordnet werden61. Die übergeordnete Einheit legt, so das Modell, die gewünschten "Produkte" nach Quantität und Qualität fest und stellt den nachgeordneten Einheiten die hierfür nötigen Mittel zur Verfügung, mit denen die untergeordneten Einheiten grundsätzlich eigenverantwortlich arbeiten können. Zielvorgabe und Mittelzuteilung sollen dabei im Rahmen einer Leistungsvereinbarung der Einheiten erfolgen (sog. "Kontraktmanagement")62.

Es ist nicht meine Aufgabe zu bewerten, ob der Versuch, solche der Wirtschaft entlehnten Modelle auf den Justizbereich zu übertragen, grundsätzlich sinnvoll und wünschenswert ist63 oder ob es nicht bereits im Ansatz verfehlt ist, die Justiz auf ein im Wesentlichen vom Kosten-Nutzen-Denken geprägtes Effizienzkonzept festlegen zu wollen64. Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich allein die Frage, inwiefern die richterliche Unabhängigkeit von derartigen Konzepten betroffen sein könnte. Eine abschließende Beantwortung dieser Frage scheint gegenwärtig jedoch schon deshalb nicht möglich, weil die jeweiligen Reformvorhaben noch mitten im Fluss sind und – soweit ich es übersehe – die Konkretisierung und Umsetzung der "Neuen Steuerungsmodelle" noch nicht so weit fortgeschritten sind, als dass schon jetzt deren Auswirkungen auf die unmittelbare richterliche Tätigkeit abzuschätzen wären. Einer vor kurzem erschienenen Veröffentlichung des nordrhein-westfälischen Justizministers Jochen Dieckmann ist beispielsweise zu entnehmen, die "Produktbildung für die verschiedenen Aufgabenfelder der Justiz (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Justizvollzug, Aus- und Fortbildung)" sei "bei weitem nicht abgeschlossen" und mache "besonders für den Kernbereich der Rechtsprechung im Hinblick auf die durch Art. 97 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit bedeutende Schwierigkeiten"65.

Außer Streit steht jedenfalls, dass jedwede inhaltliche "Steuerung" der richterlichen Tätigkeit durch die Justizbehörden mit Art. 97 GG nicht vereinbar wäre. Es kann daher bei der Umsetzung der "Neuen Steuerungsmodelle" im Justizsektor von vornherein nicht um die Steuerung der Leistung selbst, sondern nur um die "Steuerung des Modus der Leistungserbringung" gehen66.

Doch auch insofern scheint Vorsicht geboten. Wie bereits ausgeführt, sind in den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden – vorbereitenden und nachfolgenden – Sach- und Verfahrensentscheidungen einbezogen, so dass nach der erwähnten Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes die richterliche Unabhängigkeit bereits durch Maßnahmen beeinträchtigt sein kann, die einen Richter davon abhalten können, sein Diensttelefon in dem von ihm für sachgerecht gehaltenen Umfang zu benutzen67. Entsprechendes dürfte für juris-Anfragen, Anfertigung von Kopien oder Übersetzungen gelten. Würde daher eine Kostenbudgetierung – und sei es auch nur im Wege des "sozialen Drucks"68, etwa mittels von "Mitarbeitergesprächen", Kostenvergleichen innerhalb eines Gerichts oder zwischen den Gerichten – zu derartigen Effekten führen, wäre dies nicht unbedenklich. Erst recht gilt dies, wenn ein Richter aufgrund des bestehenden Kostendrucks etwa davon abgehalten werden würde, ein notwendiges, aber teures Sachverständigengutachten einzuholen.

Das bedeutet freilich nicht, dass der Richter davon freigestellt wäre, im Einzelfall auch die Kosten der von ihm veranlassten Maßnahmen im Auge zu behalten und unnötige Kosten zu vermeiden. Auch hier muss der Rechtsstaat jedoch auf das Amtsethos des Richters vertrauen und kann es nach meinem Dafürhalten auch. 
 

V. Schlussbemerkung

Es ist ein schwer begreifliches und leicht, weil durch einen Blick in den knapp und klar formulierten Artikel 97 Abs. 1 GG vermeidbares Missverständnis, richterliche Tätigkeit könnte durch etwas anderes "gesteuert" werden als durch den Rechtssatz, den formellen ebenso wie den materiellen. Allein das Verfahrensrecht und das materielle Recht sind die verfassungslegitimen Steuerungsinstrumente richterlicher Tätigkeit. Meint die Justizpolitik diese richterliche Tätigkeit unter Effizienzgesichtspunkten verändern zu müssen, so muss und kann sie allein hier ansetzen. Kontrolliert wird der Richter auf die Wahrung der Gesetzmäßigkeit seines Handelns hin grundsätzlich allein nach Maßgabe des Rechtsmittelrechts und in den von ihm geregelten Verfahren. 

Bemerkenswerterweise sind eigentlich gar nicht diese Ergebnisse, sondern der Umstand, dass man offenbar selbst nach 50-jähriger Geltung des Grundgesetzes wieder darauf hinweisen muss.

*Dieser Beitrag ist aus einem Vortragsmanuskript hervorgegangen. Die Wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Paul Heinrichsmeier, Richter am Landgericht, und Andreas Heusch, Richter am Verwaltungsgericht, haben mich dankenswerterweise bei der Abfassung des Manuskripts tatkräftig unterstützt.
 

1 Vgl. Schaffer, BayVBl. 1991, S. 641 <643f.
2 Barbey, in: Isensee/Kirchhof, HStR, § 74 Rn. 27; Heyde, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. (1994), § 33 Rn. 79.
3 Herzog, in: Maunz-Dürig, Komm. zum GG, Art. 20 Abschnitt V Rn. 6. 
4 BVerfGE 87, 68 <85 m.w.N.
5 Limbach, Neue Justiz 1995, S. 281 <282
6 BGHZ 67, 184 <187; NJW 191, S. 421 <422.
7 Papier, NJW 1990, S. 8 <9 m.w.N.
8 Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. (1995), § 25 Rn. 9.
9 Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 25 Rn. 5.
10 Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 4 Rn. 16.
11 BGHZ 46, 147 <148f; BGH, NJW 1991, S. 426 <427.
12 BGH, NJW 1995, S. 2494.
13 Papier, NJW 1990, S. 8 <13.
14 BGH, NJW 1995, S. 2494 zur Geschäftsverteilung durch das Präsidium.
15 Vgl. zur historischen Entwicklung: Schaffer, BayVBl. 1991, S. 641 <643f..
16 BVerfGE 3, 213 <224.
17 BVerfGE 12, 67 <71; 38, 1 <21.
18 Heyde, Handbuch des Verfassungsrechts, § 33 Rn. 79.
19 BVerfGE, 12, 67 <71.
20 NJW 1996, S. 2149.
21 BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), NJW 1995, S. 2149 <2150.
22 Schaffer, BayVBl. 1991, 641 <648; Funk, DRiZ 1978, 357 <360.
23 Papier, NJW 1990, S. 8 <9.
24 BVerfGE 36, 264 <275; 53, 115 <127; 54, 277 <291.
25 Papier, NJW 1990, S. 8 <9.
26 Papier, NJW 1990, S. 8 <9.
27 BGHZ 42, 163 <169.
28 BGHZ 42, 163 <169; st. Rspr.
29 Papier, NJW 1990, S. 8 <11.
30 BGH, DRiZ 1991, S. 410 <411.
31 BGH, NJW 1995, S. 2494.
32 Mayer, DRiZ 1978, S. 313.
33 Rudolph, DRiZ 1979, S. 97.
34 BGH, DRiZ 1997, S. 467.
35 BGHZ 42, 163 <170.
36 BGHZ 42, 163 <172.
37 Vgl. Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 26 Rn. 35.
38 Vgl. z.B. BGHZ 93, 238 <241; DRiZ 1991, 61 <62.
39 Vgl. BGH, DRiZ 1991, 61 <62.
40 Vgl. BGHZ 93, 238 <241 m.w.N.
41 Vgl. Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 26 Rn. 35.
42 BGH, NJW 1991, 421 <422 m.w.N.
43 BGH, DRiZ 1978, 185; NJW 1990, 421.
44 BGHZ 69, 309 <313.
45 BGHZ 90, 41 <45f..
46 BGH, NJW 1988, 419 <420.
47 BGH, NJW 1984, 2355.
48 Vgl. BGHZ 69, 309 <313; NJW 1988, 421.
49 BGH, NJW 1988, 419 <420.
50 BGH, NJW 1988, 421 <422.
51 BGH, NJW 1988, 421 <422.
52 BGH, NJW 1988, 421 <423.
53 BGH, NJW 1991, 426 <427.
54 BGH, NJW 1995, 731 <732.
55 Vgl. z.B. Hoffmann-Riem, AnwBl. 1999, S. 2 <6; Redeker, NJW 2000, S. 2796 <2797.
56 BGHZ 113, 36.
57 BGHZ 113, 36 <40f..
58 Vgl. Dieckmann, Rpfleger 2000, S. 379.
59 Vgl. Eifert, in: Hoffmann-Riem, Reform der Justizverwaltung, 1998, S. 163 <165.
60 Vgl. Dieckmann, Rpfleger 2000, S. 379.
61 Vgl. Bertram/Daum/Graf von Schlieffen/Wagner, Neue Steuerungsmodelle am Verwaltungsgericht Hamburg? S. 11 ff.
62 Vgl. Eifert, in: Hoffmann-Riem, Reform der Justizverwaltung, 1998, S. 163 <166.
63 Dies verneinen z.B. Bertram/Daum/Graf von Schlieffen/Wagner, Neue Steuerungsmodelle am Verwaltungsgericht Hamburg?; dagegen Röhl, DRiZ 2000, S. 220 ff.
64 Vgl. hierzu Hassemer, in FS Kübler, S. 87 <106f..
65 Dieckmann, Neue Steuerungsmodelle in der Justizverwaltung, Rpfleger 2000, S. 379.
66 Vgl. Eifert, in: Hoffmann-Riem, Reform der Justizverwaltung, 1998, S. 163 <170.
67 Vgl. BGH, NJW 1995, 731 <732.
68 Diesen hält Hoffmann-Riem zum Zweck der Kostenersparnis für durchaus wünschenswert, vgl. DRiZ 2000, S. 18 <26.