Hier ein Beitrag des Kollegen Knoche, Büdingen, im Rechtsportal/Familienrecht des Deubner-Verlags.
Der Text steht jedermann dort offen, so daß ich keine Sekunde zögere, ihn hier unter Hinweis auf den Verfasser und den Verlag mitzuteilen.

Viele Grüße
Karlheinz Held




Unterhaltsrechtsreform - Vorwegabzug des Tabellen- oder Zahlbetrags (19.02.2008)

19 FEB 2008

Richter am Amtsgericht Stefan Knoche - Beitrag vom 19.02.2008

Ist nach dem neuen Unterhaltsrecht bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts der Tabellen- oder der Zahlbetrag des geschuldeten Kindesunterhalts vorweg abzuziehen?

Nach der alten Rechtslage war bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts einhellige Meinung, dass vor der Berechnung des Quotenunterhalts das Einkommen des Unterhaltspflichtigen um die Tabellenbeträge zu bereinigen war, die dieser minderjährigen Kindern schuldete. Bei volljährigen Kindern hatte der Bundesgerichtshof demgegenüber entschieden, dass das Kindergeld bedarfsdeckend anzurechnen ist (BGH, FamRZ 2006, 99, 101). Dies hatte zur Folge, dass bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts nicht der volljährigen Kindern gegenüber geschuldete Tabellenbetrag, sondern nur der Zahlbetrag vorweg abzuziehen war, mit dem Ergebnis eines höheren Quotenunterhaltes.

Nach dem neu gefassten § 1612b BGB hat der Gesetzgeber nunmehr geregelt, dass auch bei minderjährigen Kindern das Kindergeld bedarfsdeckend anzurechnen ist, und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes erfüllt und im übrigen voll. Auf den ersten Blick müsste dies in Zukunft dazu führen, dass nur noch der Zahlbetrag und nicht mehr der Tabellenbetrag vorweg abzuziehen ist. Die seit dem 1. Januar 2008 geltenden Unterhaltsrichtlinien der Oberlandesgerichte sind diesbezüglich jedoch sehr unterschiedlich.

Nach den jeweiligen Ausführungen unter Ziffern 15.1 oder 15.2 der Richtlinien haben sich für einen Vorwegabzug des Zahlbetrags entschieden: OLG Bamberg, Kammergericht Berlin, OLG Brandenburg, OLG Braunschweig, OLG Bremen, OLG Celle, OLG Dresden, OLG Düsseldorf (ohne 7. F-Senat), 6. Familiensenat in Darmstadt des OLG Frankfurt, OLG Hamburg, OLG Karlsruhe, OLG Koblenz, OLG Köln (Ziffer 10.5), OLG München, OLG Nürnberg, OLG Rostock, OLG Schleswig, OLG Zweibrücken.

Für einen Vorwegabzug des Tabellenbetrags haben sich entschieden: 7. Familiensenat des OLG Düsseldorf, 2. + 7. Familiensenat in Kassel des OLG Frankfurt, OLG Hamm, OLG Naumburg, OLG Oldenburg, OLG Stuttgart.

Bis jetzt ausdrücklich offen gelassen haben diese Frage die übrigen Familiensenate des OLG Frankfurt. Nicht geregelt ist die Frage in den Richtlinien des Thüringer OLG und des OLG Saarbrücken.

Für den unterhaltsberechtigten Ehegatten hat die unterschiedliche Behandlung dieser Frage durchaus eine erhebliche Bedeutung. Wird nur der Zahlbetrag abgezogen, erhöht sich der geschuldete Ehegattenunterhalt für jedes Kind in der Regel um 77,00 € x 3 / 7 = 33,00 € monatlich.

Dafür, dass auch bei minderjährigen Kindern seit dem 01.01.2008 nur noch der Zahlbetrag und nicht mehr der Tabellenbetrag abzuziehen ist, sprechen folgende Erwägungen:

Zunächst die klare gesetzliche Regelung, wonach das Kindergeld den Barbedarf des Kindes mindert. Ferner hat der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzentwurfes ausdrücklich ausgeführt, dass mit der Neufassung des § 1612b BGB die vom Bundesgerichtshof für volljährige Kinder entwickelten Grundsätze zur Anrechnung des Kindergelds auf die minderjährige Kinder übertragen werden sollen (S. 29 der Bundestagsdrucksache 16/1830). Auch die Übergangsregelung des § 36 Nr. 4 EGZPO und die daran angepasste Düsseldorfer Tabelle sprechen für einen Vorwegabzug nur in Höhe des Zahlbetrags. Durch die Übergangsregelung sollte erreicht werden, dass die nach der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle geschuldeten Unterhaltsbeträge durch die geänderte Kindergeldanrechnung im Ergebnis nicht reduziert werden. Eine Reduzierung des Ehegattenunterhalts in den unteren Einkommensgruppen in Höhe von 33,00 € für jedes Kind war demgegenüber nicht Ziel der Übergangsregelung.

Weitere Informationen zu diesem Thema im Rechtsportal:

Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 28.12.2007 (BGBl. I 2007, S. 3189)