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recherchiert von: Karlheinz Held am 26.08.2006

 
 
 
 
 
Gericht:OLG Hamm 13. Senat für Familiensachen
Entscheidungsdatum:19.12.2000
Aktenzeichen:13 UF 132/00
Dokumenttyp:Urteil
 
Quelle:juris Logo
Normen:§ 313 Abs 1 Nr 6 ZPO, § 313 Abs 3 ZPO, § 539 ZPO
Erforderlicher Inhalt eines Unterhaltsurteils: Begründung der Unterhaltsbemessung mit nicht erläuterten Berechnungen eines Computerprogramms
 

Orientierungssatz

Enthält ein Urteil zur Bemessung der Höhe des Kindes- und des Trennungsunterhalts nur seitenlange Berechnungen eines Computerprogramms ohne irgendeine Erläuterung, ist das Urteil nicht ausreichend begründet. Das erstinstanzliche Verfahren leidet daher an einem wesentlichen Verfahrensmangel iSv ZPO § 539 .
 

Fundstellen

FamRZ 2001, 1161 (red. Leitsatz und Gründe)
 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18. Februar 2000 verkündete Schlußurteil des Amtsgerichts Rheine - 18 F 41/99 - mitsamt dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und der durch Erlaß des erstinstanzlichen Schlußurteils ausgelösten Kosten, die niedergeschlagen werden, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
 

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht nach den §§ 539 , 540 ZPO .
Das erstinstanzliche Verfahren leidet an schwerwiegenden Verfahrensmängeln. Diese betreffen das dem Urteil des Amtsgerichts vorausgegangene Verfahren und das Urteilsverfahren selbst.
1.
Das Amtsgericht hat erheblichen Parteivortrag übergangen. Wie aus Seite 6 der Urteilsgründe (Blatt 78 der Akte) hervorgeht, hat es bei der Bemessung des Trennungsunterhalts für die Klägerin die Differenzmethode angewendet, weil das Einkommen der Klägerin aus eigener Erwerbstätigkeit zumutbar gewesen sei und daher die ehelichen Verhältnisse mitgeprägt habe. Besondere Umstände, daß dies vorliegend anders sein könne, habe die Klägerin nicht vorgetragen - so das Amtsgericht. Dies steht allerdings im Gegensatz zum erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 24.08.1999 (Blatt 38, 41 der Akten). Dort hat die Klägerin vorgetragen, daß sie ihre Halbtagstätigkeit erst im April 1998 wieder aufgenommen habe, um die Versorgung ihrer beiden Kinder zu gewährleisten, wozu sie sich genötigt gesehen habe, da seitens des Beklagten keine entsprechenden Barunterhalte gewährleistet worden seien. Das von ihr erzielte Einkommen sei daher in keiner Weise als prägend für die Ehezeit anzusehen. Es ist weder ersichtlich, daß das Amtsgericht diesen Punkt, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, berücksichtigt hat, noch daß insoweit eine Erörterung mit den Parteien stattgefunden hat.
2.
Das Urteil des Amtsgerichts genügt nicht den Anforderungen des § 313 Abs. 3 ZPO . Bei der gebotenen Knappheit müssen gleichwohl im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 EMRK angemessene, für die Parteien verständliche Urteilsgründe vorhanden sein, um ihnen die Entscheidung zu ermöglichen, ob sie das Urteil annehmen oder dagegen Rechtsmittel einlegen wollen (Baumbach-Hartmann, 58. Aufl., § 313 ZPO Rz. 33). Solche verständlichen Gründe läßt das angefochtene Urteil an entscheidenden Stellen vermissen. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt ab Januar 1999 gestaffelt in unterschiedlichen Höhen verurteilt (Blatt 73 ff. der Akten). Zur Bemessung der Unterhaltshöhen beschränkt sich das Urteil auf seitenlange Aneinanderreihungen von Computerberechnungen ohne jede ausformulierten Erläuterungen (vg. Blatt 79 bis 91 der Akten). Das ist für die Parteien schlechthin nicht nachvollziehbar und unverständlich, wie der Beklagte mit seiner Berufung zutreffend rügt.
Eine in dieser Weise ganz unzulängliche Begründung ist keine Wiedergabe der maßgeblichen Erwägungen des Gerichts in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht und stellt, wie das Fehlen einer Begründung überhaupt, einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (Baumbach, a.a.O., Rz. 50 m.w.N.).
3.
Die Sache ist auch nicht ohne weiteres entscheidungsreif, so daß das Ermessen des Senats nicht dahin reduziert ist, von einer Zurückverweisung abzusehen (Baumbach/Albers, a.a.O., § 540 ZPO Rz. 3). Zum im Rahmen der Unterhaltsbemessung streitigen erzielten Erwerbseinkommen des Beklagten in den Gaststätten I und T wären die beiden dazu benannten Zeugen (Blatt 215 und 217 der Akten) zu vernehmen. Zur Berücksichtigungsfähigkeit des vom Beklagten als Abzugsposten von seinen Einkünften geltend gemachten Hausratskredits ist bezüglich der streitigen Notwendigkeit der Anschaffung der Möbel für die Wohnung des Beklagten die von ihm dazu benannte Zeugin (Blatt 225 der Akten) zu hören. Es läßt sich deshalb nicht von einer nur ganz geringfügigen erforderlichen Beweisaufnahme sprechen.
Vielmehr bedarf die Sache noch in erheblichem Umfang der weiteren Aufklärung. Der Senat hat deshalb von der Möglichkeit zur Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch gemacht, um den Parteien nicht eine Tatsacheninstanz zu nehmen.
Soweit über die Kosten entschieden ist, beruht das auf § 8 GKG .

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