Familienrecht

Kompass

recherchiert von: Karlheinz Held am 26.08.2006

 
 
 
Anmerkung zu:OLG Saarbrücken 1. Senat, Beschluss vom 01.06.2004 - 6 UF 2/04
Autor:Dr. Peter Friederici, Vors. RiOLG
Ersch.-datum:02.11.2004
Quelle:juris Logo
Fundstelle:jurisPR-FamR 18/2004 Anm. 6
 
Erkennbare Eingabefehler bei Durchführung des Versorgungsausgleichs mittels Computerprogramm

Leitsatz

Eine fehlerhafte Willensbildung des Gerichts - hier: bei Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Verwendung eines familienrechtlichen Computerprogramms - kann nicht entsprechend § 319 ZPO korrigiert werden.


A.
Problemstellung
Berechnungen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs erfolgen bundesweit fast nur noch unter Zuhilfenahme von Computerprogrammen. Bei der Anwendung kommt es zu unzutreffenden Eingaben und als Folge hiervon zu Ergebnissen, die mit der materiellen Rechtslage nicht übereinstimmen. Da reine Rechenfehler aufgrund der Verwendung eines Computers nicht unterlaufen können stellt sich die Frage, inwieweit unzutreffende Eingaben und als Folge hiervon unrichtige Ergebnisse nachträglich korrigiert werden können.

B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im konkreten Fall hat das FamG in einem nach § 628 ZPO abgetrennten Verfahren den Versorgungsausgleich durch Beschluss entschieden. Bei der erforderlichen systemangleichenden Umrechnung eines Anrechts der zum Ausgleich berechtigten Ehefrau mit Hilfe der BarwertVO wurde die Tabelle 1 zu Grunde gelegt, obwohl die Ehefrau schon Leistungen aus dieser Betriebsrente bezog. Nachdem die Entscheidung unanfechtbar geworden war, erkannte das FamG seinen Fehler, stellte eine neue Berechnung unter Verwendung von Tabelle 7 der BarwertVO an und berichtigte seinen ersten Beschluss entsprechend dieser Neuberechnung. Die Ehefrau hat binnen Monatsfrist nach Zustellung Rechtsmittel eingelegt und dies begründet.
Das OLG stellt zunächst fest, dass auch Beschlüsse im FGG-Verfahren einer Berichtigung in entsprechender Anwendung von § 319 ZPO zugänglich sind. Zwar sieht § 18 FGG eine Abänderung früherer Entscheidungen vor. Im Gegensatz zur Berichtigung handelt es sich bei dieser Änderung jedoch um eine inhaltliche Änderung, die nicht zulässig ist, wenn die Entscheidung der sofortigen Beschwerde unterliegt. Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten können jederzeit von Amts wegen berichtigt werden. Mit Hilfe dieser Bestimmung kann aber nur eine versehentliche Abweichung zwischen dem vom Gericht Erklärten und dem von ihm Gewollten korrigiert werden, nicht aber eine unzutreffende Willensbildung. Die Anwendung einer bestimmten Tabelle der BarwertVO ist aber keine offenbare Unrichtigkeit. Zwar könne es auch bei Verwendung von Computerprogrammen zu erkennbaren Eingabefehlern kommen, die dann einer Berichtigung zugänglich sind. Bei der Anwendung einer bestimmten Tabelle handelt es sich nicht um eine fehlerhafte Eingabe, vielmehr liegt ein Rechtsanwendungsfehler vor. Aufgrund der Vorschrift des § 18 Abs. 2 FGG ist eine Korrektur nur durch ein Rechtsmittel oder in einem späteren Korrekturverfahren nach § 10a VAHRG zulässig. Gegen eine gesetzwidrige Abänderung findet das Rechtsmittel Anwendung, das gegen die Entscheidung selber gegeben wäre. Das Rechtsmittel beschränkt sich auf die Prüfung, ob eine offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, eine materielle Änderung der Entscheidung ist ausgeschlossen.

C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung bestätigt erneut die in Literatur und Rechtsprechung einheitlich bestehende Rechtsansicht, dass trotz Fehlens einer ausdrücklichen Vorschrift auch im FGG-Verfahren eine Berichtigung in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO zulässig ist ( BGH, Beschl. v. 09.02.1989 - V ZB 25/88; Schmidt in: Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 18 Rz. 62).
Anerkannt ist auch, dass auch bei Verwendung eines Computerprogramms offensichtliche Unrichtigkeiten entstehen können, die einer Berichtigung unterliegen ( OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.10.2002 - 2 UF 98/02; OLG Bamberg, Beschl. v. 15.10.1997 - 2 WF 115/97). Zu beachten ist die nachträgliche Berichtigung des Endes der Ehezeit im Abänderungsverfahren des § 10a VAHRG, wenn das FamG eine fehlerhafte Zustellung seiner Ermittlung und Entscheidung zu Grunde gelegt hat (Subsumtionsfehler), eine korrekte und wirksame Zustellung aus der Akte jedoch feststellbar ist (BGH Beschl. v. 11.02.2004 - XII ZB 162/02; m. Anm. juris PR FamR 5/2004, Anm. 6, Scharnberg).
Fehlerhafte Rechtsanwendungen hingegen sind nur durch Rechtsmittel oder das in § 10a VAHRG vorgesehene Abänderungsverfahren zulässig.

D.
Auswirkungen für die Praxis
Entscheidungen zum Versorgungsausgleich erwachsen in formelle und materielle Rechtskraft, sind aber - ähnlich wie unterhaltsrechtliche Entscheidungen ( § 323 ZPO) - unter bestimmten Voraussetzungen einer späteren Abänderung zugänglich. In der täglichen Praxis häufig sind die Fälle, in denen unmittelbar nach einer Entscheidung eine neue, veränderte Auskunft über ein zu berücksichtigendes Anrecht bei Gericht eingeht. Das Gericht darf seine Entscheidung jetzt nicht abändern, auch wenn feststeht, dass die zugrunde gelegte ursprüngliche Auskunft unrichtig war. Vielmehr müssen die Beteiligten - insbes. Renten- und Beamtenversicherungsträger - oder die Parteien die Korrektur durch Rechtsmittel nach § 621e ZPO herbeiführen. Wird dies versäumt, kann trotzdem eine Korrektur in fast allen Fällen erreicht werden, jedoch erst, wenn die zeitlichen und sachlichen Voraussetzungen nach § 10a VAHRG gegeben sind.
Auch bei Verwendung von Computerberechnungen können offenkundige und damit einfach korrigierbare Fehler unterlaufen. Typisch sind Zahlendreher oder aber Werteingaben, bei denen erkennbar die Dezimalstellen als volle Zahl eingegeben wurden oder die eingegebenen Werte erkennbar unrichtig sind. Wichtig ist aber stets, dass es sich zweifelsfrei um Schreibfehler, Rechnungsfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten handelt. Nicht unter diese Regelung fallen übrigens Übertragungsfehler im Schreibdienst, da diese Mängel nicht durch den Richter, sondern den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu berichtigen sind. Die Berichtigung ist nicht fristgebunden, sie kann jederzeit erfolgen, sobald der Mangel erkannt wird. Es bedarf hierfür keines Antrages, da die Berichtigung auch von Amts wegen erfolgen kann. Da das Rechtsmittel gegen die fehlerhafte Entscheidung fristgebunden ist, muss darauf geachtet werden, dass diese Frist nicht zwischenzeitlich abläuft. Um dies zu vermeiden sollte im Zweifel Rechtsmittel eingelegt werden, denn eine Berichtigung kann auch durch das Rechtsmittelgericht erfolgen ( BGH, Beschl. v. 18.07.2001 - XII ZR 66/99; BGH, Beschl. v. 11.02.2004 - XII ZB 162/02).

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