Liebe Kolleginnen und Kollegen,

den Ausführungen des Kollegen Schwamb ist in vollem Umfang zuzustimmen. Allerdings halte ich den Ruf an den Gesetzgeber nicht für erfolgversprechend. Einmal wird er ohnehin ungehört verhallen, zum andern ist auch nicht recht vorstellbar, wie der Gesetzgeber die aufgeworfenen Fragen lösen sollte. Es ist auch nicht nötig. Es reicht völlig aus, die Rechtsprechung des BGH zur Behandlung konkurrierender nach ehelicher Unterhaltsansprüche wieder vom Kopf auf die Beine zu stellen, das heißt, die Problemlösung wieder als ein Fall nachträglicher Verminderung der Leistungsfähigkeit zu sehen, der den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmenden Bedarf (§ 1578) nicht tangiert, wohl aber die Leistungsfähigkeit, was nach § 1581 zu einer Berücksichtigung " nach Billigkeit" führt. Der Königsweg der Billigkeit ist aber die gleichmäßige Kürzung, so dass im Ergebnis der Fehlbetrag zu den ursprünglich vorhandenen bedarfsbestimmenden Mitteln von dem Unterhaltsberechtigten und dem Pflichtigen zu gleichen Anteilen getragen wird. Bei nachehelich geborenen Kindern geschieht dies im Wege des Direktabzugs, bei einem späteren gleichrangigen Ehegatten im Wege der Dreiteilung. Das gesamte hierzu entwickelte ausdifferenzierte Regelwerk kann danach in dieser Fallgruppe (Gleichrang) beibehalten werden kann, abgeleitet allerdings (wieder) aus § 1581, nicht aus § 1578.

Wir erinnern uns: Bis zu der Grundsatzentscheidung des BGH vom 28.2.2007 - XII ZR 37/05 = FamRZ 07,793 war der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ehegatten gegenüber Ansprüchen aus Trennungs- und Nachscheidungsunterhalt aus § 1581 als doppelte Grenze entwickelt worden. Da gab es zum einen die absolute Untergrenze i.S. einer Opfergrenze wie gegenüber volljährigen Kindern und minderjährigen Kindern, zuletzt festgesetzt als Mittelwert zwischen beiden. Daneben galt aber im Bereich oberhalb dieser Linie der sogenannte eheangemessene Selbstbehalt. So ist er in den älteren Leitlinien bezeichnet (Ziff. 21.1) Er entspricht genau dem Quotenunterhalt des berechtigten Ehegatten (abgesehen von einer etwaigen leichten Assymmetrie wegen des Erwerbstätigenbonus). Diese Grenze ist bei einer normale Unterhaltsberechnung immer gewahrt, da die Halbteilung der verfügbaren Mittel auch dem Pflichtigen notwendigerweise ebenfalls seinen so definierten SB sichert. Er bekommt aber Gewicht bei nachehelichen Veränderungen, die in der Ehe nicht angelegt sind und demnach nicht prägend sind, aber gleichwohl die zur Deckung verfügbaren Mittel vermindern. Das ist etwa der Fall bei dem Karriereknick (als Gegenstück zum Karrieresprung), aber auch und hauptsächlich bei dem Hinzutreten neuer Unterhaltspflichten, die dem Anspruch des geschiedenen Ehegatten gleichrangig sind, wie (nach altem Recht) mj. Kinder und (jetzt neu) eines neuen Ehegatten. Es entspricht nicht der Billigkeit i.S. des § 1581, dass dem unterhaltsberechtigten Ehegatten der eheliche Standard erhalten bleibt, dem Pflichtigen aber nicht, wenn er diese Last unter Unterschreitung seines SB allein tragen müsste. Eine Obliegenheitsverletzung, die eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen würde, ist ihm hier nicht vorzuwerfen.

Diese Definition des eheangemessenen SB hat der BGH in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich deshalb aufgegeben, da sie nicht mehr erforderlich sei, nachdem er alle dahingehenden Bewertungselemente in die neuverstandene Auslegung des § 1578 als wandelbar einbezogen hat. Mit der Verwerfung dieser Auslegung wird man also zu dem ursprünglichen Verständnis der Norm zurückkehren. Es erscheint mir wichtig, dass dies zur Vermeidung allseitiger Verwirrung alsbald in geeigneter Weise publizistisch zur Sprache gebracht wird..

J. Juncker