Thema des Monats Dezember 2006
Anmerkung zu einem Beschluss des BGH zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (XII ZB 211/04)
1. Nach der Entscheidung des BGH vom 26.01.1994 (FamRZ 1994, 560, 562) glaubte man hinsichtlich der Berechnung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente aus dem Brutto- oder dem Nettobetrag eines auszugleichenden betrieblichen Anrechts auf sicherem Boden zu sein, weil diese Entscheidung zu folgendem Ergebnis geführt hat:
a) Die Besteuerung des Gesamtanrechts ist als kostenneutral zu bewerten, weil der Verpflichtete die zu zahlende Ausgleichsrente gem. § 10 EStG geltend machen kann, während der Berechtigte die Ausgleichsrente gem. § 22 Nr. 1 EStG versteuern muss (Erlass des BMF vom 20.07.1981, BStBl. I, 567). Die unterschiedlichen Steuersätze bleiben unberücksichtigt.
b) Die Beitragszahlungen des Verpflichteten zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und zur Pflegeversicherung (PfVers) waren nach der vorgenannten Rechtsprechung des BGH bei Anwendung des § 1587 h Nr. 1 BGB nur dann ausgleichsmindernd zu berücksichtigen, wenn das Halbteilungsprinzip bei der Brutto-Berechnung grob unbillig verletzt wurde, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn der Ehezeitanteil vollständig oder nahezu vollständig mit der gezahlten Rente identisch ist:
Beispiel:
Die gesamte Betriebsrente in Höhe von EUR 100,-- wurde vollständig in der Ehezeit erworben. Der Pflichtige zahlt aus dieser Brutto-Rente EUR 15,-- zur KVdR und zur PfVers, ihm verbleiben also netto EUR 85,--.
Wenn der Berechtigte die Hälfte der Brutto-Rente erhält = EUR 50,--, verbleiben dem Verpflichteten EUR 35,--. Hier war nach der vorgenannten Entscheidung des BGH der Anspruch des Berechtigten auf EUR 85,-- : 2 = EUR 42,50 herab zu setzen.
2. Nach zwei weiteren Entscheidungen des BGH (FamRZ 2005, 1.982 ff, nachfolgend Erstentscheidung) und einer noch nicht in der FamRZ veröffentlichten Entscheidung vom 25.10.2006 (XII ZB 211/04, im folgenden Zweitentscheidung) wurde der Frage Brutto- oder Nettoausgleich die vorgenannte Rechtssicherheit entzogen. Beide Entscheidungen gehen von einer nahezu gleichen Versorgungssituation aus und kommen dabei zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
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Erstentscheidung in DM |
Zweitentscheidung in DM |
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Betriebliche Versorgung des Verpflichteten |
3.515,00 |
2.687,31 |
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Davon ehezeitlich |
2.944,20 |
2.687,31 |
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Ehezeitliche betriebliche Versorgung des Berechtigten |
147,64 |
-,-- |
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Differenz |
2.796,56 |
2.687,31 |
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Davon die Hälfte |
1.398,28 |
1.343,66 |
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Ausgleich gem. § 3 b I Nr. 1 VAHRG |
84,56 |
87,11 |
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Schuldrechtliche Ausgleichsrente brutto |
1.313,72 |
1.256,55 |
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Die vorstehende Gegenüberstellung beruht auf unterschiedlichen Ausgangspositionen: In der Erstentscheidung blieben die Vermögensverhältnisse der Parteien unberücksichtigt, während in der Zweitentscheidung die Vermögensverhältnisse der Ehefrau beachtet wurden. Gleichwohl dürfte es zumindest fraglich sein, ob in der Zweitentscheidung alle Aspekte beachtet wurden:
a) Vorrangig muss auch bei der Durchführung des schuldrechtlichen Ausgleichs das Prinzip der Halbteilung beachtet werden. Dabei bezieht sich der Grundsatz der Halbteilung zumindest beim schuldrechtlichen Ausgleich nicht auf die Hälfte der Summe aller Anrechte sondern auf die maximale Hälfte jedes einzelnen Anrechts, weil dem schuldrechtlichen Ausgleich der Einmalausgleich fremd ist.
Da im vorliegenden Fall das betriebliche Anrecht des Ehemanns vollständig in der Ehezeit erworben wurde tritt der unter vorst. Ziff. 1b.) genannte Effekt wie folgt ein:
Brutto-Betriebsrente des Ehemanns : EUR 1.374,--
Ausgeglichene Rente
zu Gunsten der Ehefrau : EUR 1.374,-- : 2
: EUR 687,--
Dem Ehemann verbleibende
Brutto-Rente : EUR 687,--
Abzüglich Beitrag zur KVdR/PfVers : EUR 232,--
Dem Ehemann verbleibende
Netto-Rente : EUR 455,--
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b) Es ist nicht ganz einsichtig aus welchen Gründen die Ehefrau ‚zur Sicherung ihrer Existenz’ (Begründung des OLG) auf den Anteil der Brutto-Betriebsrente angewiesen ist. Bei der Durchführung des Ausgleichs der Brutto- bzw. der Netto-Rente des Ehemanns errechnet sich die Gesamtrente der Ehefrau wie folgt:
Eigene gesetzliche Rente : EUR 279,--
Gem. § 1587 b I BGB übertragene
gesetzliche Rente : EUR 511,--
Gem. § 3 b I Nr. 1 VAHRG
übertragene gesetzliche Rente : EUR 40,09
Gesetzliche Gesamtrente, bezogen
auf das Ende der Ehezeit : EUR 830,09
Aktualisierte gesetzliche
Gesamtrente : EUR 830,09 : EUR 23,51943
x EUR 26,13
: EUR 922,23
Aktualisierte schuldrechtliche
Ausgleichsrente : EUR 642,46 x 1,07
: EUR 687,43
Vorhandenes Kapital : EUR 80.000,--
Nach versicherungsmathematischen
Grundsätzen verrentetes Kapital : EUR 550,--
Derzeitige Rente insgesamt : EUR 2.159,66
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Es stellt sich die Frage, ob bei zusätzlicher Beachtung des mietfreien Wohnens die Minderung der Gesamtrente um EUR 116,-- der Ansatz der Netto-Betriebsrente des Ehemanns tatsächlich zu einer Existenzgefährdung der Ehefrau führt.
c) Es wäre hilfreich gewesen, wenn in den Entscheidungen des OLG bzw. des BGH auch auf die Vermögensverhältnisse des Ehemanns ausführlicher eingegangen worden wäre.
Karlsruhe, Dezember 2006
Rainer Glockner