Anmerkung zur Entscheidung des BGH vom 01.12.2004 (XII ZB 45/01) hinsichtlich der Volldynamik von Anrechten, die mittels eines Deckungskapitals finanziert werden.

 

 

Der Beschluss des BGH vom 01.12.2004 (XII ZB 45/01) hat zumindest bis zum Inkraft­treten der vorgesehenen Struk­tur­re­form des Versorgungsausgleichs erhebliche Bedeutung für die Bewertung kapitalgedeckter Ver­sorgungen.

 

Bei den bisherigen Entscheidungen des BGH zur Bewertung von Versorgungen, denen ein Deckungskapital zugrunde liegt, handelt es sich regelmäßig um Einzel-Entscheidungen, die zum Unterschied zu der nunmehr vorliegenden Entscheidung nicht grundsätzlicher Art waren (bspw. zum BVV, FamRZ 1992, 1.051; zur Nestlé Pensionskasse, FamRZ 1997, 166; zur Versorgungskasse der Volksfürsorge, FamRZ 1994, 23).

 

Die nunmehrige Entscheidung des BGH bezieht sich auf alle Versorgungen, die mit Hilfe eines Deckungskapitals finanziert werden, das sind im Wesentlichen:

 

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So ist bspw. aufgrund der vorstehenden Entscheidung des BGH bei laufenden Leistungen aus einer privaten Rentenversicherung zu prüfen, ob der entsprechende Vertrag eine An­pas­sungsverpflichtung von jährlich mehr als 1 % beinhaltet. Bei einem solchen Fall ist von einer volldynamischen Rente auszugehen.

 

Bei betrieblichen Versorgungsanrechten der vorgenannten Art, insbesondere bei Pen­sions­kas­sen, dürfte häufig sowohl im Anwartschaftszeitraum als auch im Leistungszeitraum eine Volldynamik vorliegen.

 

Dabei ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass der BVV Versiche­rungs­verein des Bankgewerbes (BVV) derzeit den Gerichten mitteilt, dass die Rechtsprechung des BGH, wonach ein beim BVV bestehendes Anrecht als volldynamisch zu bewerten ist, nicht mehr zutrifft, weil die erwirtschafteten Zinserträge für die Finanzierung voll­dy­na­mi­scher Überschussrenten nicht mehr ausreichend sind. Hierzu ist folgendes anzumerken:

 

Beim Anwartschaftsdeckungsverfahren wird dasjenige Kapital angespart, das ein­schließ­lich dessen rechnungsmäßiger Verzinsung (Rechnungszins) ausreicht, um die zugesagten Leis­tungen zu finanzieren.

 

Die über den Rechnungszins hinaus erzielten Zinserträge (sogenannter über­rech­nungs­mäßi­ger Zins) werden zusammen mit eventuell ersparten Verwal­tungs- und Risiko-Kosten den Versicherten in Form von Überschussrenten (beim BVV: Überschussrente, Anpas­sungs­zuschlag und Sonderzuschlag) gut­ge­bracht.

 

Die Höhe der überrechnungsmäßigen Zinserträge ist erkennbar von den je­wei­li­gen Ka­pi­tal­markt­zinsen abhängig: Bei einem länger andauernden niedrigen Ka­pitalmarktzins mindern sich die Überschüsse aus überrechnungsmäßigen Zin­sen, was im vorliegenden Fall beim BVV dazu führt, dass die vorgenannten An­passungsrenten nur noch im beschränkten Maß ge­zahlt werden können. Er­schwe­rend kommt hinzu, dass die gleichzeitige Verlängerung der durch­schnitt­li­chen Rentenzahldauer aufgrund der älter werdenden Rentnergeneration zu wei­teren Einschränkungen der Überschüsse führt.

 

Zusammenfassend lässt sich zunächst feststellen, dass die Rechnungsgrundlagen, die nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1992, 1.051) zu einer volldy­na­mischen Be­wer­tung der beim BVV bestehenden Anrechte geführt haben, nicht mehr von Bestand sind.

 

Gem. § 1587 a Abs. 3 BGB ist ein Anrecht volldynamisch, wenn es hin­sicht­lich seiner Dy­na­mik mit der Dynamik gesetzlicher Renten vergleichbar ist. Im Zu­sammenhang mit der Bewertung eines beim BVV bestehenden Anrechts ist also aufgrund des anzustellenden Ver­gleichs auch die Dynamik gesetzlicher Ren­ten von Bedeutung.

 

Nach der vorgenannten Entscheidung des BGH vom 25.03.1992 wurden die beim BVV be­ste­henden Anrechte deshalb als volldynamisch bewertet, weil einer­seits die durch­schnitt­li­che jährliche Dynamik gesetzlicher Renten inner­halb eines 10-Jahres-Zeitraums 4,02 % und andererseits die zu vergleichende durch­schnittliche jährliche Dynamik von BVV-An­rech­ten im gleichen Zeit­raum 2,78 % betragen hat.

 

Ähnliche Vergleiche unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Dynamik eines 10-Jah­res-Zeitraums wurden vom BGH auch bei der Bewertung anderer An­rechte angestellt (bspw. Bayerische Ärzteversorgung, FamRZ 1983, 40; VddKO, FamRZ 1985, 1.119). Das Bei­spiel des BVV beweist indessen, dass ein Dynamik-Vergleich aus einem rückliegenden Zeitraum für sich allein für die Beurteilung einer Volldynamik nicht genügt: Bei einem sol­chen Vergleich wür­de ein beim BVV bestehendes Anrecht, dessen Anpassungen sich erst jetzt er­heblich vermindern, im Durchschnitt sogar höher bewertet werden als ge­setz­li­che Rentenanwartschaften, deren Verminderungen wesentlich früher ein­setzten.

 

Andererseits kann aber auch die zum Zeitpunkt der vorstehenden Entscheidung des BGH be­stehende Dynamik gesetzlicher Renten in Höhe von 4,02 % nicht mit der derzeitigen Dy­namik von BVV-Anrechten verglichen werden. Auch ein solcher Vergleich ist unzu­läs­sig.

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unter Zugrundelegung der der­zei­ti­gen und auch der in absehbarer Zeit zu erwartenden Anpassung gesetzlicher Renten einerseits und ka­pitalgedeckten BVV-Anrechten andererseits von ver­gleich­baren Verminderungen aus­zu­gehen ist, so dass zumindest zunächst die beim BVV bestehenden Anrechte als weiterhin voll­dynamisch zu bewerten sind.

 

Gleichermaßen wie die beim BVV bestehenden Anrechte sind auch andere Anrechte aus be­trieblichen Pensionskassen zu beurteilen, wenn die in den vergangenen Jahren gezahlten Über­schussrenten zumindest vorübergehend nicht gezahlt werden.

 

 

Karlsruhe, 5. Februar 2005

 

Rainer Glockner