Peter Eschweiler, Frankfurt am Main

Familiengericht und Familienmediation

- Aus der Zeitschrift Familiendynamik Heft 3, 2003 (Verlag Klett-Cotta) -

Übersicht:

Aus der Sicht des Familiengerichts ist Familienmediation inzwischen ein anerkanntes Verfahren um Konflikte zu regeln, die in einer Familie bei Trennung und Scheidung entstehen. Dazu haben internationale Empfehlungen und nationale Gesetzesänderungen, nicht nur im Bereich des Familienrechts, beigetragen. Derzeit werden in Deutschland in mehreren Modellprojekten Erfahrungen mit gerichtsnaher Mediation gesammelt. Mediatoren sind hier zum Teil Richter mit Mediationsausbildung, die von Amts wegen nicht mit den betreffenden Fällen befaßt sind. Es geht darum, die Möglichkeiten zu klären, bei Gericht bereits anhängige Verfahren zum Zweck der Mediation auszusetzen. Dies ist oft nicht nur deshalb schwierig, weil die Verfahren schon sehr verrechtlicht sind, sondern weil Richter und vor allem Rechtsanwälte häufig Vorbehalte haben, bereits bereits bei Gericht laufende Verfahren in die Mediation abzugeben. In der Praxis finden die meisten Mediationen statt, bevor Kontakt zum Gericht aufgenommen wird. Bedeutsam sind auch die Bestrebungen, Internationale Mediation für die Fälle anzubieten, in denen Familiengerichte nach dem HKÜ über die Rückführung von Kindern in ein anderes Land entscheiden müssen oder in denen es um eine Umgangsregelung geht, wenn die Eltern in verschiedenen Ländern leben.

Ein Familienrichter, der heute zunächst an Meditation denkt, wenn er Mediation hört, wäre ein Anachronismus. Mediation ist ein Verfahren, das inzwischen in der Familiengerichtsbarkeit einen anerkannten Platz gefunden hat, auch dank der Veränderungen im rechtspolitischen Umfeld. Indikator hierfür ist beispielsweise die Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ), die für Familienrichter wohl gewichtigste Fachzeitschrift. Nimmt man deren neueste CD-ROM und gibt in der Suchmaske das Wort Mediation ein, so werden immerhin 238 Fundstellen angezeigt. Diese verweisen im Zusammenhang mit Mediation auf ganz unterschiedliche Aspekte: Darstellungen der Mediation als Lösungsmodell familiärer Konflikte und Alternative zum gerichtlichen Verfahren, Einschätzungen der Mediation aus der Sicht von Richter, Rechtsanwalt und Mediator, kritische Auseinandersetzungen mit Mediation, Informationen über die Einbeziehung der Mediation in die juristische Ausbildung, Mediation als Berufsfeld des Rechtsanwalts, Einbeziehung mediativer Elemente in die familienrichterliche Arbeit, Berichte über die Empfehlungen der verschiedenen Deutschen Familiengerichtstage zur Mediation, Berichte über internationale Konferenzen über Mediation, Hinweise auf Mediation betreffende Fachbeiträge in anderen Zeitschriften, immer wieder Hinweise auf Literatur zum Thema Mediation. Schon diese, keineswegs vollständige Zusammenstellung macht deutlich, wie weit hier der Blick geht.

Rechtspolitische Akzente im Familienrecht

Die Mediation betreffenden rechtspolitischen und gesetzgeberischen Aktivitäten der letzten Jahre hatten einen Schwerpunkt im Bereich des Familienrechts. Im Januar 1998 verabschiedete das Ministerkomitee des Europarats die Empfehlungen Nr. R (98) 1 über Familienmediation. Darin wird den Mitgliedsstaaten mit ausführlicher Begründung empfohlen, für alle Konflikte unter Mitgliedern einer Familie Familienmediation einzuführen, zu fördern und bereits bestehende Möglichkeiten der Mediation zu verbessern. Das Mediationsverfahren wird im Einzelnen beschrieben und zu den Aufgaben des Mediators heißt es u. a., er solle Rechtsauskünfte, jedoch keine Rechtsberatung erteilen. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, die Autonomie der Mediation anzuerkennen, so dass diese vor, während oder nach einem Gerichtsverfahren stattfinden könne. Insbesondere solle sichergestellt werden, dass ein Gerichtsverfahren zum Zweck der Mediation unterbrochen werden könne. 1 Schließlich wird auch die Forderung erhoben, die Möglichkeit einer internationalen Mediation in den Fällen zu prüfen, in denen Kinder betroffen sind, deren Eltern in verschiedenen Staaten leben. Durch diese internationale Mediation solle es den Eltern besser ermöglicht werden, das Sorgerecht und das Umgangsrecht zu regeln oder neu zu regeln oder Streitigkeiten beizulegen, die sich aus Entscheidungen zu diesen Fragen ergeben. Die internationalen Mediatoren sollen eine besondere Ausbildung durchlaufen.


Insbesondere mit der Gesetzesreform des Jahres 1998 wurde die Tür zur Mediation im Bereich des Kindschaftsrechts ein ganzes Stück weiter aufgemacht. Dies einmal dadurch, dass der Gesetzgeber darauf setzte, die Möglichkeiten besser zu nutzen, über den außergerichtlichen Bereich der Jugendhilfe ein Einvernehmen streitender Eltern herzustellen. In § 17 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII heißt es, im Falle der Trennung oder Scheidung seien Eltern unter angemessener Beteiligung des betroffenen Kindes oder Jugendlichen bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge zu unterstützen; dieses Konzept könne auch als Grundlage für die richterliche Entscheidung nach der Trennung oder Scheidung dienen. Eltern und Kinder haben jetzt einen entsprechenden Leistungsanspruch gegen den Staat, der nach allgemeiner Meinung gerade auch durch Mediation erfüllt werden kann. Das Familiengericht ist in dieses Angebot der Jugendhilfe eingebunden. Es soll in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken und auf das Angebot der Jugendhilfe hinweisen 2. Hinzu kommt die Möglichkeit, das gerichtliche Verfahren auszusetzen, wenn die Beteiligten bereit sind, außergerichtliche Beratung in Anspruch zunehmen oder wenn nach freier Überzeugung des Gerichts Aussicht auf ein Einvernehmen der Beteiligten besteht. Im letzteren Falle solle ihnen nahe gelegt werden, eine außergerichtliche Beratung in Anspruch zunehmen (§ 52 Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FGG). Es ist unstreitig, dass der Begriff der Beratung jeweils auch die Mediation umfasst. Das Gesetz sieht jetzt auch ein besonderes Verfahren für eine Vermittlung zwischen den Eltern durch den Familienrichter vor, das in § 52a FGG ausgestaltet ist. Es kann auf Antrag eines Elternteils eingeleitet werden, wenn sich der andere nicht an eine gerichtliche Umgangsregelung hält. Dieses Verfahren hat in der Praxis viele Elemente von Mediation, steht aber auch unter dem gar nicht mediativen Druck, dass das Gericht auf die von ihm zu prüfenden Folgen hinzuweisen hat, die eintreten können, wenn sich die Eltern oder einer von ihnen einer Einigung verschließen: gerichtliche Zwangsmittel oder die Einschränkung oder der Entzug der elterlichen Sorge.

Alternative Streitbeilegung in anderen Bereichen der Gerichtsbarkeit

Zur Akzeptanz der Mediation in der Familiengerichtsbarkeit trägt sicher auch bei, dass sich die Öffnung für eine alternative Streitbeilegung nicht auf Familiensachen beschränkt. Die Reform der Zivilprozeßordnung (ZPO) des Jahres 2000 sieht für alle Bereiche des Zivilprozesses zunächst eine Güteverhandlung unter persönlicher Beteiligung der Parteien vor. Ausdrücklich heißt es, das Gericht könne den Parteien in geeigneten Fällen eine außergerichtliche Streitschlichtung vorschlagen (§ 278 Abs. 5 ZPO), wobei die Gesetzesbegründung insbesondere Mediation nennt. Die einzelnen Bundesländer haben seit dem 1.1.2000 die Möglichkeit, für bestimmte zivilrechtliche Streitigkeiten eine obligatorische Streitschlichtung einzuführen (§ 15a Einführungsgesetz zur ZPO). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat am 19. April 2002 ein Grünbuch über alternative Verfahren zur Streitbeilegung in Zivil- und Handelsrecht, einschließlich des Arbeit und Verbraucherrechts, vorgelegt, das auch die Mediation umfasst 3.

Modellprojekte zur Mediation

Modellprojekte zur Mediation erstrecken sich zu einem guten Teil auch auf andere Bereiche der Gerichtsbarkeit. Anfang 2000 hat ein Modellversuch mit gerichtsverbundener Mediation am Amts- und Landgericht Stuttgart seine Arbeit aufgenommen. Je fünf Zivilrichter beider Gerichte -- darunter auch Familienrichter -- sollen ihre Fälle darauf überprüfen, ob sie sich für Mediation eignen. Gegebenenfalls weisen sie im ersten Verhandlungstermin auf die Möglichkeit von Mediation hin und erläutern ihre Vorteile. Interessierte Parteien erhalten dann eine Liste mit Mediatoren aus dem anwaltlichen und psychosozialen Bereich. Im Rahmen des Modellprojekts ist das Einführungsgespräch zur Mediation kostenlos, für jede weitere Stunde werden in amstgerichtlichen Fällen 100 EUR und in landgerichtlichen Fällen 150 EUR erhoben. Bei erfolgreicher Mediation entfällt die bereits entstandene Gerichtsgebühr. Dieses Projekt hat offenbar nicht zu einer relevanten Zahl von Mediationsverfahren geführt 4. Im Sommer 2000 hat das Verwaltungsgericht Berlin ein Modellprojekt " Gerichtsverbundene Mediation " begonnen, in dem ein für die streitige Entscheidung nicht zuständiger Richter auf freiwilliger Basis als Mediator fungiert 5. Ähnliche Projekte mit Richtern als Mediatoren wurden im Jahre 2001 bei dem Verwaltungsgericht Freiburg 6 und 2002 bei dem Verwaltungsgericht Sigmaringen 7 aufgenommen. Auch ein umfassenderer Modellversuch zur gerichtsnahen Mediation in Niedersachsen arbeitet mit hierzu ausgebildeten Richtern als Mediatoren 8. Er erstreckt sich auf die Amtsgerichte Oldenburg und Hildesheim, hier auch auf die jeweiligen Familiengerichte, sowie die Landgerichte Hannover und Göttingen sowie das Sozial- und das Verwaltungsgericht Hannover und hat im September 2002 seine Arbeit aufgenommen. Zur Projektleitung gehört auch eine Diplompsychologin, die - wie sich schon jetzt zeigt - vor allem in Familiensachen zur Co-Mediation angefordert wird, wenn die emotionale Belastung hoch ist 9. In Niedersachsen gibt es mit dem Mediationsbüro am Amtsgericht Hannover seit über einem Jahr ein weiteres Beispiel für gerichtsnahe Mediation 10 Die Mitarbeiter des Mediationsbüros, das sich in den Räumen des Amtsgerichts Hannover befindet, sind keine Richter, sie haben einen anderen juristischen oder psycho-sozialen Grundberuf. Rund 80 Prozent der Fälle kommen hier aus dem klassischen Bereich der Familiemediation. Im ersten Jahr wurden immerhin schon 35 Mediationsverfahren aufgenommen. Projekte wie das in Niedersachsen haben natürlich auch ihre politische Begleitmusik. Der Landtag fasste eine Entschließung zur Mediation, die deren Bedeutung würdigt 11. Mediation wurde auch zu einem Thema im Deutschen Bundestag, wo sich die Bundesregierung zu der Berechtigung der verschiedenen Berufsgruppen äußerte, als Mediator zu arbeiten 12. Auch dies trägt sicher dazu bei, Mediation in den Blick zu rücken

Die häufigste Praxis: Familienmediation vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens

Die Experimentierklausel des § 15a EGZPO hat bei uns bisher nicht dazu geführt, dass man ausprobiert hätte, Mediation obligatorisch einem streitigen familiengerichtlichen Verfahren vorzuschalten. Familienmediation findet nach meiner Einschätzung in den weitaus meisten Fällen freiwillig in freien Praxen und Beratungsstellen statt, bevor die Parteien in Kontakt zum Gericht getreten sind, häufig auch, bevor sie einen Anwalt konsultiert haben. Einer der geäußerten Gründe für die Entscheidung zur Mediation ist nicht selten die Befürchtung, Rechtsanwalts- und Gerichtskosten würden sonst viel zu teuer, eine Befürchtung, die häufig falsch ist. Richtig ist die Erwartung, dass es auf diese Weise zumeist gelingt, Streitentwicklung vor Gericht zu vermeiden und innerlich akzeptierte Ergebnisse zu erzielen. Fließen sie in eine notarielle Urkunde ein, werden sie nur noch selten Gegenstand des familiengerichtlichen Verfahrens. Es steht außer Frage, dass diese vorausgegangenen Mediationsverfahren die Familiengerichte entlasten. Erzielte Mediationsvereinbarungen haben einen besonders hohen Stellenwert in kindschaftsrechtlichen Fällen, weil hier Konsens der Eltern und Kindeswohl so nahe beieinander liegen. Ich teile überhaupt nicht die Einschätzung, Unterhalt und Vermögensaufteilung seien demgegenüber kein geeigneter Gegenstand für Familienmediation 13. Gewiss können Gespräche zwischen zwei verhandlungsbereiten Rechtsanwälten schneller zu einem Ergebnis führen, vielleicht sogar billiger. Dies ist auch in manchen Fällen der sinnvollere Weg. Ich erleben es jedoch, in welch hohem Maße manche Parteien damit zufrieden sind, wenn man sie in ihrer Fähigkeit stärkt, selbst in wirklicher ?Privatautonomie? eine Regelung miteinander zu erarbeiten, bei der jeder von ihnen die beiderseitigen Bedürfnisse gründlich reflektiert hat, und wie dies zu einer oft überraschenden Kreativität und Akzeptanz führt. Es ist für mich selbstverständlich, dass vor Abschluss einer solchen Vereinbarung auf beiden Seiten Beratung durch je einen Rechtsanwalt stattfindet. Dessen Aufgabe ist es jedoch nicht, das Ergebnis der Mediation zu verantworten 14. Er hat seinen Mandanten darüber aufzuklären, an welchen Stellen die Vereinbarung von geltendem Recht abweicht -- es ist dann die Entscheidung des Mandanten, dennoch an dem erzielten Ergebnis festzuhalten oder sich um eine Modifizierung zu bemühen -- und er hat zu überprüfen, ob aus juristischer Sicht Umformulierungen angezeigt sind. Insbesondere bei einer Unterhaltsvereinbarung ist klarzustellen, was im Falle einer Abänderung gewollt ist. Mein Erfahrungsaustausch mit familienrichterlichen Kolleginnen und Kollegen hat keineswegs ergeben, dass gescheiterte Mediationsfälle bisher zu einer relevanten Erschwerung der familiengerichtlichen Arbeit geführt hätten, weil durch die Folgen solcher Mediationssitzungen dann das Streitklima vor Gericht verstärkt worden wäre 15. Insgesamt gilt im Hinblick auf Mediation etwas ganz anderes: Der Familienrichter des Jahres 2003 steht angesichts der Personallage unter einem verstärkten Erledigungsdruck. Die Kindschaftsrechtsreform hat nach meiner Wahrnehmung nicht dazu geführt, dass die Zahl der hochstreitigen Sorge- und Umgangsrechtsverfahren kleiner geworden wären. Aus meiner Sicht gilt eher das Gegenteil. An die Stelle des Streits um das Sorgerecht pflegt der Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu treten. Die der Jugendhilfe zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erlauben es oft nicht, das Angebot von Beratung und Mediation in der vom Gesetzgeber bei der Kindschaftsrechtsreform vorgestellten Weise an die Eltern heranzutragen. Auch die Familienrichter haben realisiert, dass eine einvernehmliche Regelung der Eltern schon deshalb dem Kindeswohl dient, weil die Kinder dann weniger den Spannungen zwischen den Eltern ausgesetzt werden. Erfolgreiche Mediation im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens, aber auch in der Folgezeit, entlastet die Familienrichter hier von schwieriger Arbeit. Das wird von diesen gewiss anerkannt, und zwar nicht beschränkt auf das Kindschaftsrecht.

Die Problematik der Überleitung des familiengerichtlichen Verfahrens in eine Familienmediation

Müssten dann aber nicht in sehr viel mehr Fällen Familienrichter die Initiative ergreifen und versuchen, Parteien zur Mediation zu motivieren und das Gerichtsverfahren einvernehmlich ruhen zu lassen? Dass dies relativ selten geschieht, zeigt beispielsweise die Praxis des Mediationsbüros Hannover, in dem - obwohl gerichtsnah - nur der kleinste Teil der Fälle aus laufenden Verfahren kommt 16. Auch im Stuttgarter Modellprojekt gelingt die Überleitung eines bereits laufenden Gerichtsverfahrens in die Mediation ja kaum. Dies hat gewiss unterschiedliche Gründe. Diskutiert wird die Kostenfrage. Für Mediation gebe es keine Prozesskostenhilfe und bei ausbleibendem Erfolg keine Kostenerstattung durch die Rechtsschutzversicherung. Die Mediationsanregung komme zu spät, weil der Konflikt in Gerichtsverfahren bereits zu weit fortgeschritten sei. Die Parteien scheuten den bei nicht erfolgreicher Mediation drohenden Zeitverlust. Anwalt- und Richterschaft seien mit Mediation noch nicht genügend vertraut. Vor allem die Rechtsanwälte wollten ihre Mandanten nicht der Mediation überlassen 17.

Diese Aspekte haben in unterschiedlichen Verfahren unterschiedliches Gewicht. Ein sehr schwer zu überwindendes Hindernis für einen Wechsel aus bereits laufendem Gerichtsverfahren in die Mediation werden immer einen solchen Schritt ablehnende Rechtsanwälte sein. Es ist ja auch ein Problem, einen Fall wegzugeben, für den man einen Großteil seiner Arbeit als Parteivertreter schon geleistet hat. In hochstreitigen Sorge- und Umgangsrechtsverfahren bleibt auch bei skeptischen Rechtsanwälten am ehesten ein Widerstand aus. Die Gründe liegen auf der Hand: Der Zusammenhang zwischen Überwindung des Streits der Eltern und Kindeswohl ist unmittelbar einsichtig, die Rahmenbedingungen, diesen Streit zu überwinden, sind im Gerichtsverfahren oft erkennbar schlechter. Solche Gerichtsverfahren werden leicht kompliziert und langwierig und für alle Beteiligten zu einer spürbaren Belastung, wirtschaftlich rechnet sich der dann erforderliche Zeitaufwand für einen Rechtsanwalt nur selten.

Nicht nur die Rechtsanwälte zögern, auch Familienrichter können Gründe haben, trotz möglicher Arbeitsentlastung tendenziell keinem Wechsel in die Mediation zuzuneigen. Aus meiner eigenen Geschichte und aus den Gesprächen mit familienrichterlichen Kolleginnen und Kollegen kenne ich eine Schwierigkeit im Miteinander von Familiengericht und Familienmediation: Noch immer wird von Vertretern der Mediation häufig ein ?Schubladenbild? des Gerichtsverfahrens gezeichnet. Danach pflegen im Gerichtsverfahren Parteien als unmündig behandelt zu werden, typischerweise werde über ihren Kopf hinweg entschieden. Erst die Mediation mache es den Parteien möglich, die eigenen Probleme selbstverantwortlich zu regeln 18. Familienrichter sperren sich tendenziell gegen solches Denken in einer Alternative, die ihnen als Entwertung ihrer Arbeit erscheint. Wenn Akzeptanz und Wertschätzung nicht als wirklich gegenseitig erlebt und gelebt werden, führt dies leicht dazu, dass Familienrichter " ihren " Fall unbedingt selbst abschließen wollen, wie umgekehrt Mediatoren zu lange an einem Falle festhalten, für den Ihr Verfahren nicht geschaffen ist. Es gibt im übrigen unterschiedliche Richtertypen: Richter, die ihre eigentliche Aufgabe darin sehen, den Rechtsstreit durch ein Urteil zu entscheiden, andere, die sich so lange sie eine Erfolgsaussicht sehen in erster Linie darum bemühen, zwischen den Parteien eine Einigung zu vermitteln. Letztere Richter sind zumeist auch diejenigen, die dem Gedanken der Mediation am aufgeschlossensten gegenüberstehen, allerdings durchaus hin- und hergerissen. Mit Mediation wird leicht eine Einschränkung des eigenen beruflichen Tätigkeitsspektrums verbunden. Wenn man befürchten müsste, dass die bisherigen Vergleichsfälle zur Mediation wandern, würde die richterliche Arbeit um einen besonders befriedigenden Aspekt ärmer. Viele Richter bemühen sich nicht nur deshalb um einen Vergleich, weil er Ihnen das Schreiben eines Urteils erspart, sondern weil er bei oft dankbaren Parteien in hohem Maße berufliche Befriedigung vermittelt. Diese Ambivalenz kann sich durchaus niederschlagen, wenn es um die Empfehlung von Mediation geht.

Aber es gibt auch noch andere Probleme des Miteinanders. Der Einschätzung mancher Familienrichter, Mediation finde auch - eigentlich schon immer - im gerichtlichen Verfahren statt, wenn dort Vereinbarungen geschlossen werden, lässt sich nur schwer der Garaus machen. Diesen Familienrichtern kann keineswegs abgesprochen werden, dass sie mit den Parteien selbst verhandeln - und nicht lediglich mit ihren Anwälten -, und es ihnen in erster Linie darum geht, eine für beide Seiten akzeptable Regelung zu finden. In der Mediation lassen sich dennoch andere Bedingungen herstellen, als sie im gerichtlichen Verfahren möglich sind. Sie bewirken, dass die Bedürfnisse beider Seiten zumeist umfassender in eine Vereinbarung einfließen. Dies zu realisieren ist allerdings schwer, solange man nicht erlebt hat, welches Gewicht der Unterschied beider Situationen hat 19: Der Mediator ist von dem Rollenkonflikt zwischen Vermittler und Entscheider entlastet, was es den Parteien erleichtert, manche wichtige Information nicht zurückzuhalten. Der vom Richter erlebte Erledigungsdruck spielt für den Mediator keine vergleichbare Rolle. Vergleichsverhandlungen müssen mehr oder weniger am Streitgegenstand orientiert sein, für den die Sach- und Rechtslage erhebliche Bedeutung hat. Demgegenüber fördert der Mediator die eigenen Verhandlungsbemühungen der Parteien, indem er, ohne selbst Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen, lediglich moderiert. Für diese Bemühungen hat der Mediator deutlich mehr Zeit als der Richter. Zu bedenken ist schließlich, dass Verhandlungsführung ein zentraler Gegenstand der Mediationsausbildung ist, die eine reflektierte Verhandlungskompetenz sicherstellt. Verhandeln und Vergleichen war bisher kein Thema der juristischen Ausbildung. Immerhin ist jetzt das Deutschen Richtergesetz mit Wirkung zum 1. 7. 2003 geändert 20. Die Inhalte des Studiums eines Richters haben danach künftig ?die rechtsprechende, verwaltende und beratende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verrhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit? zu berücksichtigen.

Stehen sich die Parteien erst einmal vor Gericht gegenüber, ist die Streitigkeit in der Tat oft so verrechtlicht, dass eine Besinnung weg von den rechtlichen Positionen hin zu den persönlichen Bedürfnissen, wie sie in der Mediation zu leisten ist, ungemein schwer fällt. Diese Verrechtlichung, das habe ich in meinen eigenen Mediationsfällen dieser Art erlebt, hat jedoch auch eine Kehrseite: Die Parteien haben inzwischen vor Gericht die Erfahrung gemacht, dass sich ihre ursprüngliche Erwartung, das Recht beschere ein eindeutiges Ergebnis, so nicht erfüllt. Im Familienrecht gibt es so viel an richterlichen Beurteilungsspielräumen, dass von zwei anwaltlichen Rechtsauskünften keine abwegig sein muss, obwohl sie zu einander widersprechenden Ergebnissen gelangt sind. Auch wenn der Schritt zur Orientierung an den eigenen Rechtspositionen damit nicht hinfällig wird, kann diese Erfahrung wiederum Bewegung erleichtern. Zur mediativen Arbeit gehört dann auch die Auseinandersetzung der Parteien mit dieser Erfahrung, und ein Stück juristischer Kompetenz wird für den Mediator dabei oft sehr hilfreich sein.

Veränderungsmöglichkeiten

Die wohl wichtigste Chance, etwas an den beschriebenen Schwierigkeiten zu verändern, sehe ich darin, mit der Arbeitsweise im anderen System vertraut zu werden. Mediation ist ein gutes, oft faszinierendes Verfahren, aber wirklich nicht für alle Fälle. Auch für den Familienrichter mit einem offenen Blick für die Möglichkeiten von Mediation ist deren Alternative nicht das streitige Urteil. Speziell in Familiensachen bleibt beispielsweise die große Gruppe von Parteien, die innerlich noch in einer Weise in den Trennungskonflikt verwickelt sind, dass sie nicht den Mediator sondern den ?vermittelnden Richter? -- gerade auch mit seiner Autorität -- brauchen, um aufeinander zugehen zu können, auch um wieder dahin zu gelangen, sich auf ihre Verantwortlichkeit als Eltern für ihre Kinder zu besinnen. Hier wünsche ich mir Differenziertheit bei Mediatoren mit psycho-sozialem Grundberuf: Dass sie das Familiengericht nicht als ?Schreckgespenst? sehen, mit dem man droht, wenn die Arbeit in der Mediation nicht gelingt, sondern als eine Möglichkeit für die Parteien, in einem anderen Rahmen, der für sie nicht selten aus aufzeigbaren Gründen derzeit günstiger ist, weiter an einem einvernehmlichen Ergebnis zu arbeiten. So von dem Mediator eingestimmte Parteien haben eine bessere Chance, nach einem Abbruch der Mediation das Gerichtsverfahren für sich zu nutzen und dort auch an Ansätze aus der Mediation anzuknüpfen.

Viel spricht dafür, dass sich weiterhin mehr Vertrautheit zwischen den Systemen entwickelt. Auf juristischer Seite hat Mediation ihren Stellenwert in der familienrechtlichen Weiterbildung zum Fachanwalt. Sie ist inzwischen ein Standardthema auch in der familienrichterlichen Fortbildung. In der Deutschen Richterakademie finden jährlich drei bis vier Seminare über Mediation statt. Auf Landesebene werden von den Justizverwaltungen ebenfalls verschiedentlich solche Veranstaltungen angeboten. Insbesondere die geschilderten Modellprojekte fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Information. Das niedersächsische Projekt soll nach seiner Konzeptbeschreibung von intensiver Fortbildung begleitet werden, und zwar nicht nur für die richterlichen Mediatoren. Die übrigen Richter der Modellgerichte werden zu sogenannten Fallmanagern/Türöffnern qualifiziert. Zu diesem Zweck werden sie mit der Methodik der Mediation vertraut gemacht. Ziel ist, dass sie einen Blick dafür entwickeln, wann ein bei Gericht anhängiger Fall sich für Mediation eignet, wann der Zeitpunkt zum Wechsel in die Mediation noch geeignet ist und in welcher Art und Weise dies erfolgversprechend mit den Parteien und ihren Rechtsanwälten besprochen werden kann. Im Kontakt mit den Fallmanagern sollen deren Erfahrungen im Rahmen des Projekts laufend ausgewertet werden. Dies stimmt erwartungsvoll, zumal wenn -- wie vorgesehen -- die Rechtsanwälte in das Fortbildungsangebot mit einbezogen werden.

Internationale Mediation

Die Forderung des Ministerkomitees des Europarates aus dem Jahr 1998 nach einer internationalen Mediation in Kindschaftssachen ist in den vergangenen Jahren nur zögerlich aufgenommen worden. In der Praxis sorgen solche Fälle, in denen getrennte oder geschiedene Eltern in verschiedenen Ländern leben, Kinder von einem Elternteil in ein anderes Land verbracht oder dort zurückgehalten werden und über deren Aufenthalt oder ein Umgangsrecht gestritten wird, immer wieder für erhebliches Aufsehen. Diese familiengerichtlichen Konflikte werden zuweilen zum Thema auf politisch höchster Ebene, es gibt sogar binationale Parlamentarierkommissionen, die sich in den konkreten Fällen um Mediation bemühen, beim Bundesministerium der Justiz ist ein eigener Arbeitsstab zur Beilegung internationaler Konflikte in Kindschaftssachen berufen. Inzwischen kommen auch in diesem Bereich Mediationsprojekte in Gang.

Als Beispiel sei ein Pilotprojekt von ?reunite? genannt, einem freien Träger aus Großbritannien 21. Hintergrund ist, dass man sich seinerzeit bei der Haager Konvention, die in solchen Entführungsfällen die Rückführung der Kinder durch familiengerichtliche Entscheidungen gewährleisten soll, vorstellte, es werde in der Regel darum gehen, dass ein Elternteil, der ein Kind bisher nicht in erster Linie betreut hat, dieses entführt oder nach einem Besuch zurückbehält. Das sind auch die Fälle, in denen man im Verfahren nach der Haager Konvention zu stimmigen Ergebnissen gelangt. Inzwischen betreffen 70% dieser Verfahren jedoch Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, und die mit ihrer Hauptbezugsperson in deren Heimatland zurückkehren, allerdings ohne dass der andere Elternteil zugestimmt hat. Hier ist es problematisch, wie sinnvoll eine den Regeln der Haager Konvention entsprechende umgehend erzwungene Rückführung des Kindes ist, verbunden mit der Wahrscheinlichkeit eines für die gesamte Familie persönlich und finanziell sehr belastenden Hin und Her. Vorgesehen ist, dass die im Projekt tätigen Mediatoren eine spezielle Ausbildung erhalten, weil Aspekte des internationalen Rechts zu beachten sind und andernfalls keine politische Akzeptanz zu erreichen ist. Im Bundesministerium der Justiz möchte man mit ?reunite? zusammenarbeiten und will im übrigen ein eigenes internationales Mediationsprojekt in die Wege leiten 22. Es wird der Mitarbeit interessierter Mediatoren bedürfen.

Entlastung der Justiz durch Familienmediation?

Mediationsprojekte, die von Justizverwaltungen initiiert oder aufgenommen werden, sind zumeist auch mit der Erwartung verbunden, man könne eine Entlastung der Justiz und damit der Staatskassen erwarten. Mediation bedeutet nach meiner Erfahrung zumeist nicht, dass sich mit geringerem Arbeitsaufwand ein gutes Ergebnis erzielen ließe. Die Arbeit wird verlagert, weg von der Justiz hin zur Mediation, allerdings bei oft höherem Zeitaufwand in der Mediation. Für den Staat bedeutet das eine Kostenersparnis, wenn man darauf setzt, dass der sich für Mediation entscheidende Bürger deren Kosten selbst trägt und insoweit die Gerichte weniger in Anspruch nimmt. Es wäre zu diskutieren, ob das wirklich die Perspektive sein soll. Abgesehen von dieser Arbeitsverlagerung könnte sich für die Justiz ein -- allerdings schwer zu bemessender - Entlastungseffekt im Hinblick auf Abänderungsverfahren, Instanzenzug und Vollstreckungsverfahren ergeben. Nach befriedenden Vereinbarungen gibt es weniger gerichtliche Abänderungsverfahren, keine Berufungen und auch die Zwangsvollstreckung wird in der Regel kein Problem sein.

In der Konzeptbeschreibung des niedersächsischen Modellprojekts heißt es immerhin auch, dieses solle zur Änderung der Streitkultur in Deutschland hin zu einer stärker selbstverantwortlichen Konfliktbewältigung ohne streitiges Gerichtsverfahren beitragen. Dass dies so weit wie möglich angestrebt wird, würde ich mir als Beschreibung des gemeinsamen Weges von Familiengericht und Familienmediation wünschen.

Summary

Meanwhile from the view of the family court family mediation is a recognized method to regulate conflicts arising in a family situation of separation and divorce. To reach this aim international recommendations and changes of national law have contributed not only in the sphere of family law. At present experiences concerning court near mediation are collected in several pilot schemes in Germany. Mediators are sometimes judges with training in mediation, which are not in charge with the cases because of office. Here is it the point to clear the possibilities to suspend court proceedings already running for the purpose of mediation. This often is difficult, not only because the court proceedings are develop already legal consequences but also because there are reservations on the side of judges and especially lawyers to hand in court proceedings already running into mediation.In reality most of the mediations take place before contact to the court is taken. Important are also endeavors to offer international mediation in the cases, when family courts have to decide about the return of children to another country according to the Hague convention or in cases concerning the visitation, if the parents live in different countries.

Dr. Peter Eschweiler, Vogelsbergstraße 16, D-60316 Frankfurt am Main

Bibliographie

  1. Bergschneider, Ludwig: Mediation in Familiensachen -- Chancen und Probleme -. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2000: 77-79
  2. Eschweiler, Peter: Mediation aus richterlicher Sicht. Familie Partnerschaft Recht 1996: 28-31.
  3. Gottwald, Walther (2002): Gerichtsnahe Mediation. In: Haft, F. & Gräfin von Schlieffen, K (Hrsg.): Handbuch Mediation, München (Beck) S. 421-443.
  4. Gottwald, Walter: Alternative Streitbehandlungsformen: Erprobungsspielräume für gerichtsverbundene Modellversuche. Anwaltsblatt 2000: 265-273.
  5. Schulz, Werner: Mediation aus richterlicher Sicht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2000: 860-863.
  1. Abgedruckt in FamRZ 1998, 1018.
  2. So z.B. § 52 FGG.
  3. KOM 2002 196, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/off/green/index_de.htm.
  4. 4 Siehe den Bericht von Gottwald (2002), S. 434 f.

  5. 5 mediations-report 2002, Heft 7,2.

  6. 6 mediations-report 2002, Heft 3,3.

  7. 7 mediations-report 2002, Heft 7,2.

  8. 8 mediations-report 2002, Heft 8,1.

  9. Die Informationen zu diesem Projekte beruhen auf einer Mitteilung des Richters Kalle de Witt, einem der Projektleiter.
  10. 10 Informationen über fairmittelt e.V., voigt@mediation-und-recht.de.

  11. 11 Niedersächsischer Landtag, Drucksache 14/3329.

  12. 12 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/9306, Seite 11.

  13. 13 So Schulz, FamRZ 2000, 861 und Bergschneider, FamRZ 2000, 78

  14. 14 So offenbar das Verständnis von Schulz, FamRZ 2000, 862

  15. 15 Anders wohl Schulz, FamRZ 2000, 863

  16. 16 Information durch den Projektleiter Hilmar Voigt, siehe Fußnote 10.

  17. 17 Vgl. Gottwald a.a.O.

  18. 18 Vgl. Eschweiler, FPR 1996, 28.

  19. 19 Hierzu Gottwald, AnwBl 2000, 269.

  20. BGBl 2002, Teil 1, Nr. 48.
  21. reunite. International Child Abduction Centre, P.O. Box 24875, London E1 6FR, Fax +44 (0)20 7375 3442
  22. Ansprechpartner ist dort Richter am OLG Eberhard Carl.

Dr. Peter Eschweiler (Email), Vorsitzender eines Familiensenats am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Mediator (BAFM), Eheberater (DAJEB). Mitglied des Ausbildungsteams von IKOM-Frankfurt, einem Ausbildungsinstitut der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM).