In der letzten Zeit wird in der hessischen Justiz über Modernisierungsfragen
ausführlich diskutiert und auch gestritten. Neben Fragen des Dienstrechts der
Richter steht im Vordergrund die Diskussion über die Vernetzung der
Richterarbeitsplätze durch ein Computernetz. Hierbei fällt eine große
Unsicherheit auf, die sich auch im Begrifflichen zeigt. Es ist die Rede von
"Verkabelung", "Vollverkabelung" oder auch von
"Vernetzung". Das mir vorgegebene Thema spiegelt dieselbe
Unsicherheit, indem der Begriff "Computerisierung" gebraucht wird. Es
soll doch nicht nur die Versorgung der Richterarbeitsplätze mit Computern
diskutiert werden, sondern der qualitative Sprung, der darin liegt, daß die
Richterarbeitsplätze vernetzt werden sollen und das hat nicht nur mit Computern
zu tun. Für viele ist nicht einsichtig, was sie überhaupt mit einem Computer
anfangen sollen. Eine Richterrätin hat sich mir gegenüber in dem Sinne
geäußert, daß für sie keine praktische Anwendung für ihre Arbeit vorstellbar
sei, das ganze sei für Richter unnötig. Im Vordergrund steht die Sorge, die
Justizverwaltung wolle auch noch die Schreibarbeiten von den Richtern ausführen
lassen, das lehnen die Kollegen rundweg ab. Hier zeigt sich, daß bei vielen
Kolleginnen und Kollegen die Textverarbeitung im Vordergrund steht, wenn sie an
den Computer denken. Diese Sicht spiegelt sich ja aber auch in dem Konzept der
Vernetzung wieder, soweit es uns Richtern bisher überhaupt bekannt ist.
Vorgesehen ist eine eingeschränkt komfortable Schreibmaschine mit
Juris-Anschluß, eine Konfiguration, die ein Kollege als "Arbeitsplatz für
Unmündige" nicht ganz unzutreffend beschrieben hat (dazu weiter unten
mehr).
Beurteilt man Chancen und Auswirkungen der Einführung moderner Techniken in der Justiz, muß man - insbesondere was den richterlichen Arbeitsplatz betrifft (dort gilt es nämlich die verfassungsrechtliche Stellung der Richter zu beachten) - den Gesamtzusammenhang im Auge behalten. Die Auswirkungen der Computervernetzung werden erst richtig sichtbar, wenn die zunehmende Vernetzung der Wirtschaft und auch des öffentlichen Bereichs mitbedacht wird. Man kann die Auswirkungen der Computervernetzung der Richterarbeitsplätze - und das macht die Sache zusätzlich schwierig - nicht abschätzen und gewichten, wenn man sich nur auf die technischen Details beschränkt. Diese sind zwar wichtig, aber auch nur in Zusammenhang mit organisatorischen und dienstrechtlichen Fragen bedeutsam, wenn man den Datenschutz und das Strafrecht zunächst mal außer Betracht läßt. Auch eine isolierte Beurteilung aus der Sicht des Dienstrechts, die alle anderen Implikationen nicht berücksichtigt, scheint mir zu kurz zu greifen:
Die Computernetze an Richterarbeitsplätzen bedeuten einen grundlegenden Wandel, nicht nur für die Arbeitstechnik sondern sie führen auch zu einer neuen Machtverteilung jenseits der Verfassung, wenn nicht die "dritte Gewalt" ihrem Auftrag und ihrem Gewicht gemäß behandelt und bei der Verwaltung der Netze (Administration) beteiligt wird. Das hat nicht nur mit der Mitbestimmung bei der Errichtung der Computernetze zu tun, aber auch damit. Daneben werden außerdem noch vielfältige Frage aufgeworfen, die bisher nicht einmal im Ansatz überdacht und diskutiert sind.
In der Diskussion über die Einführung eines Computernetzes in der Hessischen Justiz habe ich den Eindruck gewonnen, daß für alle wichtige Fragen fast gar kein Problembewußtsein besteht. Die Einhaltung der Gesetze am eigenen Arbeitsplatz scheint kaum ein wichtiges Anliegen zu sein. Subsumieren, aber in die eigene Richtung, ist keine Fertigkeit, womit Juristen ausgestattet zu sein scheinen. Vor allem aber scheint es schwerzufallen, das geltende Recht auf die neuen Kommunikationsformen anzuwenden. Die Diskussion wird einseitig auf technische Fragen oder auf den Datenschutz gelenkt, der Zusammenhang der einzelnen Entwicklungen scheint mir aber nicht erfaßt zu werden. Gerade darin sehe ich das Hauptproblem. Aber zunächst ein Versuch der Begriffsklärung.
Ich möchte meinen Ausführungen einen Satz vorausstellen, den ich nicht provokativ verstanden wissen will. Nämlich den: In Zukunft wird es keine Rechtsprechung mehr außerhalb der Computernetze geben. Die Frage nach dem "Wozu?" oder dem "Ob" stellt sich nicht. Einzig relevant ist die Frage, wie die Richterinnen und Richter ihre Rolle in den Netzen an den Gesetzen und der Verfassung entlang definieren, bzw. ob ihnen das unter den Bedingungen der Vernetzung (insbesondere der aktuell geplanten) überhaupt möglich ist, bzw. wie rechtmäßige Bedingungen hergestellt werden können. Weiter unten gehe ich darauf ein, wie schwierig es zu sein scheint, die Einhaltung der Gesetze in Computernetzen durchzusetzen (oder besser: Die Tatbestandsmerkmale der Normen an Erscheinungen in diesen Netzen wiederzuerkennen). Aber zunächst einige Begriffsklärungen:
Die Vernetzung darf nicht mit Computervernetzung verwechselt werden.
Die Computervernetzung ist nur ein Teil des Prozesses der allgemeinen Vernetzung.
Diese Entwicklung zur Vernetzung hat nun auch die Hessische Justiz erreicht.
Neben dem Computer und seiner Vernetzung wird die Verwaltung der allgemeinen
Entwicklung angepaßt (oder sollte man sagen, es wird versucht ?). Insourcing
und outsourcing, budgeting, all dies sind Zeichen der "Vernetzung"
und zugleich sind diese Entwicklungen die Ursache für die Computervernetzung,
weil ohne diese die Verwaltungsreform Stückwerk bleiben müßte. Die
Computervernetzung ist das technisch wichtigste und revolutionärste Mittel der
Vernetzung überhaupt. Durch die Computervernetzung wird die allgemeine Vernetzung
so weiterentwickelt und vorangetrieben, daß sie völlig neue Formen des
Zusammenlebens der Menschen hervorbringt. Das ist eine weltweite Entwicklung
und sie betrifft alle Bereiche des Lebens - also auch den öffentlichen Bereich
und damit die hessische Justiz, in besonderer Weise die Richter. Die Chancen
und Gefahren dieser Entwicklung können noch nicht annähernd erkannt und beschrieben
werden. Allerdings sind wir inmitten dieser globalen Umwälzung und haben schon
Einblicke, wenn wir die Zeichen richtig deuten können.
Worin besteht nun der Prozeß der Vernetzung, was ist daran der Anteil
der Computernetze und inwieweit hat er schon jetzt oder voraussichtlich in der
Zukunft Auswirkungen auf die hessische Justiz und hier im besonderen auf die
Richterarbeitsplätze ?
. Die Beschäftigung mit den Fragen der Computervernetzung hat mich zu der Überzeugung gebracht, daß es sich hier um einen tiefgreifenden kulturellen Wandel handelt. Am Richterarbeitsplatz bleibt nichts mehr so, wie es einmal war. Wer nicht "drinnen" ist, bleibt "draußen". Das Thema kann folglich nicht ohne grundsätzliche Befassung abgehandelt werden. In der Absicht, mein Thema zum Teil zu verfehlen, aber nicht ohne pädagogischen Hintersinn, beschreibe ich den allgemeinen Rahmen der Entwicklung, um sodann die Auswirkungen auf den richterlichen Arbeitsplatz und die Stellung der Richterschaft zu beleuchten.
Die weltweite Entwicklung der Vernetzung hat mE am eindrucksvollsten Jeremy Rifkin beschrieben in seinem bemerkenswerten Buch "ACCESS, Das Verschwinden des Eigentums" Campus Verlag, ISBN 3-593-36541-3. Der Autor beschreibt an Beispielen, wie sich die Wirtschaft und auch der öffentliche Bereich (1. und 2. Säule) aber auch die beteiligten Menschen (3. Säule = kultureller Bereich) durch den Prozeß der Vernetzung schon verändert haben und voraussichtlich verändern werden. Seine Thesen sind zusammengefaßt:
Ich versuche nun im Nachstehenden diese Thesen zum Teil, soweit es mir für unser Thema bedeutungsvoll erscheint, nachvollziehend zu erläutern. Rifkin beschreibt den Bedeutungsverlust des Eigentums anhand der Entwicklung etwa der letzten 20 Jahre und erkennt darin die fortschreitende Transformation der Märkte und gleichlaufend die Veränderungen im Staat und im kulturellen Bereich (Gesellschaft).
Die Märkte in der 1. und 2. Welt seien weitgehend übersättigt. Der Absatz von Waren stagniere. (4 Fernseher in jedem Haushalt, ein oder sogar 2 Kfz). Daher sei mit der Produktion von Waren nur noch schwer ein Gewinn zu erzielen. Die Warenproduktion und auch die Landwirtschaft würden infolge dessen aus Rationalisierungsgründen so weitgehend automatisiert, daß dort nur noch wenige Menschen Arbeit fänden. Der Reichtum werde nun nicht länger mehr mit materiellem Kapital verbunden, sondern das geistige Kapital werde zur treibenden Kraft der neuen Ära. Konzepte, Ideen und Vorstellungen, nicht aber die Dinge, seien in der neuen Ökonomie Gegenstände von Wert (Geistiges Kapital). Dieses könne aber kaum ausgetauscht werden und stünde stattdessen unter der Verfügung von Anbietern, die es potentiellen Nutzern zur begrenzten Nutzung verleihen oder in Lizenz vergeben würden. Dieser Wandel von dem klassischen Regime des Besitzens, das auf der Vorstellung von Eigentum beruhe, zu einem Regime des Zugangs, das die kurzfristige und begrenzte Nutzung von Vermögenswerten sichere, die von Anbieternetzen zur Verfügung gestellt werden, dieser Wandel werde das Wesen ökonomischer Macht in den kommenden Jahren so radikal verändern, wie etwa die industrielle Revolution und auch grundlegende Veränderungen in den politischen Systemen herbeiführen.
Wer täglich die Zeitung liest oder auch wie ich mit der S-Bahn am
Betriebsgelände der ehemaligen Farbwerke Höchst arbeitstäglich vorbeifährt,
gewinnt einen Eindruck von der Brisanz der Entwicklung. Das Betriebsgelände
wurde zu großen Teilen verkauft, Betriebsteile werden "ausgesourced",
Mitarbeiter "freigesetzt". Soeben hat die Firma "Aventis"
(Nachfolgerin der Farbwerke Höchst)ihre gesamte Pflanzenschutzproduktion für 14
Milliarden Mark an Bayer verkauft. Mehrere 1.000 Arbeitsplätze entfallen.
Solche Nachrichten sind fast täglich in den Zeitungen zu lesen. Man beschränkt
sich bei AVENTIS auf die zentrale Geschäftsidee, den
"Life-Sience-Konzern", also auf Leistungen für Menschen, die
lebenslänglich und möglichst langdauernd von Menschen benötigt werden oder doch
lebenslänglich angedient werden können. Der Traditionsname "Höchst",
der in der ganzen Welt berühmt war (und noch ist), wurde bewußt aufgegeben. Er
trägt noch insich die Vorstellung von der alten Ökonomie, die begründet war auf
Eigentum an Produktionsmitteln der alten Art, und das ist nach Meinung des
Vorstands für potentielle Anleger ein abschreckender Gedanke.
Vorstellbar ist also in letzter Konsequenz ein Unternehmen, das ohne eigene
Produktionsmittel wie Grund und Boden oder auch Maschinen und Fahrzeugen, auch
ohne eine größere Anzahl von eigenen Mitarbeitern, in geleasten Räumen ohne
eigene Buchhaltung, nur ausgestattet mit einer Geschäftsidee, auskommt und
Milliarden umsetzt. Von störendem Ballast hat man sich getrennt. Für die
Abwicklung des eigenen Geschäfts bedient man sich dritter Dienstleister. Die
Firma lebt eigentlich nur in virtueller Form und ist vielfältig mit anderen
Dienstleistern vernetzt. Lager werden nicht mehr vorgehalten, eine Produktion
durch Dienstleister erfolgt "just in time", wobei die Komponenten in
Realzeit zusammengeführt werden. Es ist eingängig, daß eine solche Form der
Ökonomie durch das Vorhandensein von Computernetzen enorm gestärkt und entwickelt
wird, eigentlich ohne Computernetze überhaupt nicht steuerbar wäre.
Derartige Unternehmen hätten nach gängigen Bewertungsvorschriften des
Handelsrechts oder des Steuerrechts fast keinen Bilanzwert; der Aktienwert aber
- dafür gibt es schon viele Beispiele - kann in die Milliarden gehen. Also
bewertet der Markt den Besitz von Geschäftsideen, deren Zugänglichkeit das
Unternehmen regulieren kann, höher ein als den Besitz von materiellem Eigentum.
Darin liegt der Grund für den fundamentalen Wandel(und etwa auch für das
Aufkommen der Medienkonzerne wie Bertelsmann oder Time-Warner. Rifkind drückt
das so aus:
Die Transformation vom industriellen in einen kulturellen Kapitalismus wirft schon jetzt viele unserer Grundannahmen über den Haufen. Hergebrachte Institutionen, die auf Eigentum, Austausch, Markt und materieller Akkumulation beruhen, werden allmählich ausgehöhlt. So bricht sich ein Zeitalter Bahn, in dem Kultur die wichtigste kommerzielle Ressource, Zeit und Aufmerksamkeit der wertvollste Besitz und das Leben eines jeden Menschen zum ultimativen Markt werden (Rifkin, aaO, S. 19).
Verliert das Eigentum an Bedeutung, dann kommt es darauf an, sich den Zugang
zu den begehrten Produkten anders zu verschaffen als durch Übertragung von
Eigentum. Reziprok besteht die Kunst darin, eine dauernde Beziehung zu dem
Kunden zu unterhalten, deren Wert sich aus der Summe der möglichen Vorteile
berechnet, die eine Kundenbeziehung mit einem Anbieter (dem Unternehmen)
voraussichtlich einbringt. Wer den Wirtschaftsteil liest, hat in letzter Zeit
hin und wieder Abhandlungen lesen können, die sich mit dem Wert der einzelnen
Kundenbeziehung für den Unternehmenswert beschäftigen. So hat etwa Herr Esser
in der Abwehrschlacht Mannesmann/Vodaphone öffentlich die Auffassung vertreten,
pro Kunde könne bei Mannesmann ein höherer Wert angesetzt werden, als dies in
dem Übernahmeangebot an die Aktionäre zu Ausdruck komme.
Während also früher der Kunde mit der Vornahme des Kaufs mittels einer
diskreten Transaktion vom Markt wieder verschwand, ist er jetzt ständig dort
präsent. Die gesamte Lebenszeit eines Menschen wird zum kommerziellen Wert.
Die Bedeutung für den kulturellen Bereich (3. Säule) lasse ich hier außer Acht,
obwohl gerade dieser Bereich die besorgniserlegensten Entwicklungen zeitigt.
Ich empfehle stattdessen die Lektüre von Rifkins "Access". Für den
öffentlichen Bereich möchte ich aber als Gefahr dieser Entwicklung
konstatieren, daß die Regierung zum eigenständigen Machtfaktor abseits der
Staatsgewalten werden kann, weil sie überlegen die Netze kontrolliert. Sie wird
zum allmächtigen Pförtner. Das Parlament und die Rechtsprechung haben das
Nachsehen, weil sie den Zugang nicht bestimmen oder nicht effektiv genug
mitbestimmen. .
Die schon jetzt in weiten Bereichen der Wirtschaft feststellbare Entwicklung
hat maßgeblichen Einfluß auf die Projekte des Staates in der öffentlichen
Verwaltung, aber auch in der Justiz. Die Vernetzung wird hier analog
vorangetrieben, auf außenstehende Dienste wird zur Erledigung öffentlicher
Aufgaben verstärkt zugegriffen. Dabei ist die Kontrolle durch vernetze Computer
zwingend erforderlich. Eine Rechnungskontrolle in Realzeit unter Einbeziehung
auch der Richterarbeitsplätze wird offensichtlich angestrebt (Stichwort: SAP
R3).
Im Bereich der Wirtschaft entwickeln sich völlig neue
Vermarktungsstrategien, weil die Produktion von Gütern nicht mehr profitabel
genug erscheint: Etwa schafft eine Firma ihre eigene Heizung und Belüftung ab
und erwirbt diese in Form einer Dienstleistung von einem Anbieter der Heizungs-
und Lüftungsindustrie. Dieser stellt eigene (oder fremde) Heizungen/Belüftungen
auf und übernimmt vollständig deren Betrieb nach im Vertrag vorgegebenen
Standards. Dafür wird er nicht bezahlt, sondern er wird beteiligt an den
Einsparungen des Auftraggebers für Heizung und Belüftung gegenüber den
Vorjahren. Der mit Besitz und Eigentum verbundene Vorgang des Anschaffens einer
Heizung wird zur Dienstleistung. Der Produzent verdient nichts mehr an seiner
Warenproduktion, sondern an einer Dienstleistung, die er mit seinen Waren und
seiner Fachkompetenz erbringen kann. Dann ist es nicht ausgeschlossen, daß er
auf fremde Produkte zurückgreift, um seinen Gewinn zu erhöhen. Das ist doch ein
treffendes Beispiel für die zurückgehende Bedeutung der Warenproduktion und der
Transformation in Dienstleistungen und auch der Vernetzung von
Unternehmen.
Entsprechend werden die herkömmlichen Formen der (zentralistischen)
Staatsverwaltung aufgelöst und dezentralisiert (etwa Budgeting oder Übertragung
der Straßenbaulast auf Privatfirmen, die Maut für Brückenüberfahrten oder
Straßenbenutzung verlangen).
Die Macht in einer solch vernetzen Wirtschaft und in einem solchen vernetzten
Staat haben - und das ist ein ganz zentraler Gesichtspunkt - vor allen anderen
diejenigen, die über den Zugang bestimmen. Diese werden als Pförtner
bezeichnet. Sie alleine und niemand sonst bestimmen, wer unter welchen
Bedingungen auf welche Güter oder Dienstleistungen Zugriff (Zugang) hat.
Wer unter den Bedingungen der Netze Pförtner ist, hält die Macht in der
Hand. Findet der Zugang durch Computernetze statt - und dies ist künftig die
Regelform des Zugangs - dann hat die Macht allein derjenige, der die
Bedingungen des Zugangs in diesen Netzen technisch gestatten oder verhindern
kann. Das ist nach den Plänen für die Vernetzung der Richterarbeitsplätze
allein die zweite Staatsgewalt, genauer aber die Regierung. Die dritte kommt
hier überhaupt nicht zur Geltung (dazu unten mehr). Darin liegt mE ein
schwerwiegender Mangel in der bisherigen Planung.
Hierzu nochmals Rifkin:
Wie Eigentumsbeziehungen sind auch Zugangsbeziehungen darauf angelegt, soziale Differenzierungen zu schaffen. Eigentum setzt den Unterschied zwischen denen voraus, die besitzen, und denen, die mittellos sind; Zugang zwischen denen, die vernetzt sind, und denen, die abgeschnitten bleiben. Eigentums- und Zugangsbeziehungen handeln also von Teilnahme und Ausschluß. Die Differenz, zwischen denen die haben, und denen, die nicht haben, wird quantitativ daran gemessen, wie viel das Eigentum, das jemand besitzt, wert ist, und qualitativ daran, wie groß die Macht und Kontrolle sind, die jemand kraft seines Reichtums über die Arbeit anderer ausüben kann. Die Differenz, zwischen denen, die drinnen stehen, und denen, die vor dem Tor bleiben, wird quantitativ daran gemessen, an wie viel Netzwerken jemand teilnimmt und qualitativ daran, wie sehr jemandes Beziehungen und Verbindungen zu anderen eingebettet sind. In einer Gesellschaft, die um das Privateigentum herum strukturiert ist, kann derjenige den Erfolg anderer bestimmen, der das Sachkapital besitzt und die Produktionsmittel kontrolliert. In einer um Zugangsbeziehungen herum organisierten Gesellschaft bestimmt derjenige, der über die Kommunikationskanäle verfügt und den Zugang zu den Netzwerken kontrolliert, wer mitspielen darf und wer ausgeschlossen bleibt.(Rifkin, aaO, S. 239, 240)
Sehr vereinfachend kann man also sagen, daß die Vernetzung zu völlig anderen
Formen und Vorgehensweisen bei der Produktion in der privaten Wirtschaft aber
auch bei der Verwaltung und der Rechtsprechung im öffentlichen Bereich führt
und daß Computernetze diese Entwicklung noch enorm beschleunigen, weil sie die
Aufteilung und Rationalisierung der Dienste, die in der Produktion und in der
öffentlichen Verwaltung und der Rechtsprechung anfallen oder die wegen
gesetzlicher Vorgabe bewältigt werden müssen, sehr erleichtern oder oft erst
ermöglichen. Dabei spielt selbstverständlich im öffentlichen Bereich genauso
wie im privaten Bereich die Macht der Pförtnerfunktion die bedeutende
Rolle. Hier sind aber Grenzen gesetzt, die durch die Verfassung und den
allgemeinen Gesetzen vorgegeben sind. Auf den öffentlichen Bereich angewandt
kann man vielleicht sagen, daß die Macht der hat, der den Zugang zu den
Informationen regelt. Ob dies die in der Verfassung für die Ausübung der
Staatsmacht als Repräsentanten der Bevölkerung vorgesehenen Organe sind, halte
ich noch für offen. Dazu unten weiter mehr.
Allerdings fällt auf, daß die neuen Erscheinungsformen der Herrschaft in Netzen
noch nicht richtig verstanden und eingeordnet werden können, was nicht
verwundern sollte, sind diese Phänomene doch neu und ungewohnt. Wenn die
Grenzen der Verfassung oder aber auch einfache Gesetze nicht beachtet werden,
darf für den Normalfall keine böse Absicht unterstellt werden. Allerdings
eröffnet sich aber für eine gewisse, vielleicht entscheidende Zeit die Lücke zu
einer faktischen Uminterpretation der Gesetze und der Verfassung. Dem muß
möglichts frühzeitig Einhalt geboten werden, die Richter müssen für die Einhaltung
der Gesetze kämpfen und dürfen nicht unterstellen, daß für deren Beachtung
anderwärts gesorgt werde. Unter den neuen Bedingungen muß das Augenmerk der
Richter auf die Pförtner gelenkt werden, weil diese die Macht in den Netzen in
den Händen halten, "Rechte" haben. Wer "Rechte" in
Computernetzen hat, hat aber - damit kein Mißverständnis aufkommt, nicht etwa
das Recht auf seiner Seite. Rechte (englisch: Properties)hat nach dieser
Nomenklatur schon derjenige, der die Macht hat, in einem beliebigen Verzeichnis
zu lesen, zu schreiben und auszuführen und anderen den Zugriff zu gestatten
oder sie auszuschließen (Administrator).
Zur Beschreibung der Pförtnerfunktion nochmals Rifkin:
Die Pförtnerfunktion ist für das Verständnis der Zugangsdynamik ebenso wesentlich, wie es die "unsichtbare Hand des Marktes" für das Verständnis der Regeln gewesen ist, die den Austausch von Waren und Eigentum regierten. Es kann also nicht überraschen, daß die wissenschaftliche Untersuchung des Pförtnerns an den verschiedensten akademischen Disziplinen an Bedeutung gewinnt; schließlich befindet sich die gesamte Gesellschaft im Übergang zum Zeitalter des Zugangs. (Rifkin, aaO, S. 243).
Durch die für die Richter in Hessen vorgesehene Administration ihrer
Arbeitsplätze (soweit sie den Richtern überhaupt bekannt ist, eine Beschreibung
gibt es bisher nicht), wird nicht nur der Zugang der Richter auf Dienste und
Inhalte durch den "Pförtner" reglementiert (kein Internet, dies nur
für die Justizverwaltung), sondern auch der Zugriff durch Dritte auf die
Produkte der Richter. Auch insoweit haben sie keinen Einfluß. Hier handelt es
sich nicht nur um Probleme des gesetzlichen Datenschutzes, dies wohl auch.
Durch die Administrationsstruktur der Ablage (allgemeines Verzeichnis;
persönliches Verzeichnis, Abteilungsablage)wird auch deutlich rechtswidrig (§§
203, 353 b StGB) der Zugriff Dritter nicht nach Geschäftsverteilung und
Dienstorganisation befaßter Verfahrensfremder ermöglicht. Weil der
Datenverkehr, soweit er nicht öffentlich sein kann und über die allgemeine
Ablage erfolgt, über die Abteilungsablage abgewickelt werden muß, erhalten auch
nicht befaßte Personen, die in der selben Abteilung arbeiten oder für dieselbe
Abteilung arbeiten, Einsicht in Dokumente, die Privatgeheimnisse beinhalten,
persönliche Daten oder Dokumente, die dem Beratungsgeheimnis unterliegen. Diese
Dritte können auch jederzeit diese Daten verändern oder auch Daten löschen.
Nach der Einführung des Computernetzes beim AG Wiesbaden war dem Präsidenten
analog der Finanzverwaltung der Zugriff auf sämtliche Verzeichnisse eröffnet.
Weil ihm das merkwürdig vorkam, hat der Präsident des AG Wiesbaden den Richtern
gegenüber erklärt, er verzichte auf seine "Administratorenrechte".
Hier bewährte sich hergebrachtes Rechtsgefühl in moderner Umgebung.
Bis zum heutigen Tage (Anfang Oktober 2001) ist in den vorhandenen neuen Netzen
in Wiesbaden und Gießen noch kein Konzept durchgesetzt oder auch nur
vorgestellt, daß diese rechtswidrigen Zugriffsmöglichkeiten ausschließt. Darauf
weise ich schon seit fast einem Jahr ständig hin. Dies bedeutet für die
Richter: Weil sie keine Pförtnerrolle (Administratorenrechte) haben, können
auch diejenigen sich nicht dem Zugriff entziehen, die überhaupt keine EDV
selbst einsetzen wollen. Denn ihre Hervorbringungen stehen mittels der
vernetzten Arbeitsplätze der Service-Einheiten und Schreibdienste ebenfalls im
Netz. Diese Richter haben auf ihre Arbeit nichteinmal Zugriff, der Pförtner
aber eröffnet - und hier sogar rechtswidrig - den Zugang durch verfahrensfremde
Dritte, deren Akteneinsichtsgesuch nach geltendem Recht zurückgewiesen werden
müßte.
Demgegenüber ist der Zugriff im Netz der Familiesenate durch den einzelnen
Richter selbst bestimmbar, weil er aufgrund der eingesetzten Technik
(LINUX-Samba-Server) bei jeder Datei den Zugriff Dritter (mit Ausnahme des
Administratorenzugriffs im Netz, auf die lokalen Rechner besteht nicht einmal
ein solcher Zugriff)selbst ausschließen oder zulassen kann.
Outsourcing von Betriebsteilen und
Arbeitsabläufen ist ein wesentliches Mittel, in einer vernetzten Welt die
Arbeitsabläufe zu rationalisieren. Was ein anderer besser und vor allem
billiger erledigen kann, sollte nicht selbst gemacht werden. Lean Management,
flache Hierarchien und geringe Betriebstiefe kennzeichnen die neuen
Organisationsformen. Diese Gedanken bewegen nicht nur die Manager in der
"freien" Wirtschaft. Auch im öffentlichen Bereich ist dieses Thema in
den Mittelpunkt gerückt. Unternehmen der öffentlichen Hand werden auf breiter
Front privatisiert (Stadtwerke, Bahn, Post). Als Argument wird angeführt, es
sei in einer Marktwirtschaft nicht Aufgabe der Staates, sich in die Wirtschaft
einzumischen. Vieles könne besser von privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen
erledigt werden.
Das Budgeting ist im Kern ein Outsourcing eines wichtigen Bereichs (der
Verwendung der vom Parlament bewilligten Haushaltsmittel) von oben nach unten.
Mögen sich doch die Gerichte um die Verteilung der zugewiesenen Mittel
streiten. Ich möchte hier nicht die Diskussion um das Budgeting wieder
eröffnen. Der Hinweis darauf soll nur verdeutlichen, daß der privaten
Wirtschaft bekannte Formen der Organisation nun auch auf die öffentliche
Verwaltung übertragen werden sollen, wobei die Überlegung im Vordergrund steht,
die Effizienz zu erhöhen. Auch hier wird das Computernetz dringend gebraucht,
um die Rechnungskontrolle zu ermöglichen. Ohne Computernetze kommt das
Budgeting nicht aus, wobei die Kontrolle der vom Parlament bewilligten Haushaltsmittel
nur so zentral überwacht werden kann. Eigentlich ist die Einführung der
Computernetze in der Hessischen Justiz der erste Schritt für die Anwendung noch
anspruchsvollerer Software: Geplant ist der Einsatz von SAP R3, wobei die
Richterinnen und Richter unter der Rubrik "Human Resources" mit den
anderen Bediensteten nach möglichst gleichen Maßstäben verwaltet werden sollen.
Auch hier ist im Prinzip jedes Mißtrauen berechtigt, weil führende Beamte in
den Ministerien gemäß ihrem beruflichen Selbstbewußtsein (selbstgehörtes Zitat:
"Wenn ich nur das Wort "Richterliche Unabhängigkeit höre, wird mir
schlecht") die besondere Rolle der Richter nicht verinnerlichen wollen,
obwohl genau das ihre zentrale Aufgabe wäre.
Interessanterweise ist das Aufkommen der Computernetze in der hessischen Justiz
zugleich mit der Auslagerung (dem Outsourcing) der
"Netzverwaltung" verbunden. Die Einrichtung und die Administration
soll die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) übernehmen, ein
landeseigener Betrieb, der nach einem Kabinettsbeschluß in eine
privatrechtliche Gesellschaft überführt (outgesourced) werden soll. Nach den
vorstehenden Ausführungen sollte das nicht verwundern. Es ist noch unklar, wer
hier den Pförtner abgeben soll, der Justizminister will es jedenfalls
nicht sein. Würde er die langfristige Bedeutung seines Vorhabens erkennen, die
Richterarbeitsplätze in Form eines Computerverbundes zu vernetzen, würde er
wahrscheinlich auf das Outsourcing verzichten. Er war ja - was den
Beifall der überwiegenden Mehrzahl der Richter des Landes findet - bereit, die
Sozialgerichtsbarkeit und die Arbeitsgerichtsbarkeit in sein Ressort
einzusourcen, wie das schon der Vater des jetzigen Ministerpräsidenten in
seiner Zeit als Justizminister in die Wege geleitet hatte. Für diesen Vorgang
finden sich vernünftige, sachliche Argumente, die mit der Stellung der Justiz
und der Notwendigkeit einer möglichst von Parteipolitik fernen, sachlichen
Befassung zu tun haben. Meiner Meinung nach müßten die selben Überlegungen auch
für die Computervernetzung der Richterarbeitsplätze Geltung haben, denn die
Regelung des Zugangs in diesem Bereich ist in einem relativ tagespolitikfernen
Ressort ebenfalls besser aufgehoben. Jedenfalls hat der Minister insoweit aber
vor, die Pförtnerfunktion entweder dem Ministerpräsidenten oder der HZD
zu überlassen, die nach einem Kabinettsbeschluß vom November 2000 in eine
Gesellschaft privaten Rechts überführt werden soll. Dieser Beschluß ist bisher
noch nicht widerrufen worden. In Baden-Württemberg ist der dort von der
dortigen Landesregierung gefaßte nämliche Beschluß schon vollzogen. Ein doch,
wie ich meine, deutliches Zeichen von Unsicherheit bei der Machtausübung. Hinzu
kommt noch, daß keine genauen Vorstellungen über die Administration des Netzes
bestehen, obwohl sie an einigen Gerichten (Wiesbaden, Gießen, Büdingen) schon
eingerichtet sind. Dadurch ist jetzt schon ein rechtswidriger Umgang mit Daten
gegeben (Dazu unten mehr).
Eine anderer Fall von (versuchtem) Outsourcing findet gerade statt. Der
Justizminister will den lästigen Strafvollzug loswerden und privatisieren. Das
kann man im Hinblick auf kürzlich bekannt gewordene, nie für möglich erachtete
Vorgänge auch sehr gut verstehen. Hier übernimmt man weit verbreitete
Vorstellungen, die zum Teil aus den USA inspiriert werden, wo auch die
öffentliche Verwaltung zur Erledigung ihrer Aufgaben sehr viel mehr auf den
privaten Sektor zugreift, als dies in Europa üblich ist. Es soll viel
Überredungskunst erfordert haben, den Minister von der Rechweite des Art. 33
Abs. 4 GG zu überzeugen und ihn von dem Vorhaben Abstand nehmen zu lassen, auch
die Bewachung der Strafgefangenen einer privaten Firma zu überlassen. Der
Gedanke ist auch gar zu schön: Outsourcing der Regierungstätigkeit und
Beschränkung auf Parteipolitik als Kern der Geschäftsidee. Nunmehr soll es mit
dem - gewiss überlegenswerten - Hausverwaltungsdienst einer Privatfirma sein
Bewenden haben, während die Bewachung der Strafgefangenen Bediensteten
überlassen bleiben soll, die in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis
stehen. Meiner Meinung nach ist aber auch die Kontrolle über die Daten in einem
Netz und die Administration von Richterarbeitsplätzen so wichtig und der
richterlichen Aufgabe nahe, daß auch hier ein Outsourcing aus rechtlichen
Gründen unterbleiben muß.
Die Bedeutung der Gestaltung des Pförtnerns in der Justiz nach
Einführung der Computernetze kann mE nicht wichtig genug genommen werden:
Bleibt die Struktur so, wie sie jetzt beabsichtigt ist (dazu weiter unten),
dann hat mE die "dritte Staatsgewalt" eine weitere, mE entscheidende
"Schlacht" verloren. Steht das Netz, dann sind Veränderungen kaum
mehr durchsetzbar. Was das bedeutet, versuche ich nachfolgend darzustellen.
Dieser Leitsatz fällt mir zunächst zu diesem Thema ein:
Es wird keine richterliche Tätigkeit außerhalb dieser Netze mehr geben. Auch diejenigen Richter, die sich durch ihren Arbeitsstil zu entziehen suchen, sind Netzteilnehmer, allerdings mit deutlich weniger Möglichkeiten, als sie die Netzteilnehmer immerhin noch zugebilligt erhalten (Zugang auf die JURIS-Datenbanken)
Viele Kollegen sind noch der Ansicht, der vernetze Computer stehe nur (zusätzlich) als weiteres Arbeitsmittel auf ihrem Schreibtisch und ergänze ihr bisheriges Instrumentarium. Dies ist auch mE der Grund für die Gelassenheit und Ruhe, mit der die Mehrzahl der Richter des Landes (und anderswo auch) dieser Modernisierung entgegensieht. Darin liegt ein schwerer Irrtum. Die Richter müssen lernen zu begreifen, daß die Netze in naher Zukunft die einzigen Medien sind, in und durch die Rechtsprechung stattfindet. Die Frage, warum Richter ans Netz sollten, gleicht - zurückversetzt ins Jahr 1830 - der Frage, ob Richter am Industriezeitalter teilnehmen sollten. Es wird keine Rechtsprechung außerhalb der Netze mehr geben. Weswegen das so ist, will ich nachstehend darzulegen versuchen. Ich weiß, daß ich sie damit möglicherweise etwas langweile.
Seit einiger Zeit werden die Bundesgesetzblätter im Oberlandesgericht nur
noch in Auszügen (Inhaltsangabe) in Umlauf gegeben. Demgegenüber haben die
Richter in den am Netz der Familiensenate angeschlossenen Senaten an ihren
Arbeitsplätzen Zugriff auf das jeweilige Bundesgesetzblatt vom vorhergehenden
Tage.
Der Grund für die Einschränkung des Umlaufs der Papierfassung: Zu umständlich
und zu langwierig und - wegen der Kopiekosten - auch zu teuer.
Mit der Zeit sieht niemand ein, den Umlauf in Papier noch zu lesen, der
wochenlang überholt ist und informiert sich lieber aktuell.
Viele Kollegen hängen noch am Buch. Das sei ihnen sehr gegönnt und Bücher wird
es voraussichtlich ( und auch hoffentlich )noch lange geben. Jedenfalls aber
wird es auf absehbare Zeit die juristischen Informationswerke -
Loseblattsammlungen - Gesetzestexte und Großkommentare nicht oder nicht mehr zu
erschwinglichen Preisen mehr geben. Der Gang in die Bibliothek wird leider
nicht weiterführen: Nicht, daß die Justizverwaltung die Werke nicht mehr
anschaffen wollte (das kommt vielmehr noch hinzu, weil die Budgetierung zu
Einsparungen zwingen wird, was absehbar zu einem Austrocknen der Bibliotheken
führen wird), die Werke werden nicht mehr gedruckt werden, weil die
Druckausgaben zu teuer sind und nicht mehr aktuell genug. Ich wage die
Vorhersage, daß es die Loseblattsammlung "Schönfelder" in 5 oder auch
erst in 10 Jahre am Richterarbeitsplatz nicht mehr geben wird. Stattdessen
werden die Gesetzestexte online im Netz am Richterarbeitsplatz zur Verfügung
stehen. Die Richter können sich dann nur noch online über den aktuellen Stand
der Gesetze informieren. Nicht am Netz angeschlossene Richter sind praktisch
ausgeschlossen.
Vor einiger Zeit ist dem Land Hessen die Sammlung des Landesrechts in
gedruckter Form "abhanden gekommen". Deswegen konnten in den
juristischen Staatsexamen zeitweilig keine Aufgaben mehr mit Anteilen des
Landesrechtes gestellt werden. Unter Einschaltung der Firma "JURIS"
und der Universität Gießen ist jetzt eine Zusammenfassung erstellt worden, die
wohl schon fast fertig ist und im Internet abgerufen werden kann. Diese
Sammlung kann zeitnah aktualisiert und überall und unbegrenzt abgefragt werden,
was durch das in Hessen gesetzlich vorgesehene automatische Außerkrafttreten
von Verordnungen sehr notwendig ist. Niemand kann doch noch anhand der
gedruckten Texte bei einer solchen automatischen Gesetzgebung den Überblick
behalten. Derjenige, der sich auf eine aktuelle Fassung verlassen kann, wird
der gedruckten Fassung nicht nachweinen, die schon Tage nach ihrer Drucklegung
praktisch unbrauchbar ist,
Das Aufkommen der elektronischen Werke hat bisher den Buchdruck nicht
geschädigt, eher beflügelt. Dies gilt aber nicht für relativ auflagenarme
Kompendien wie etwa Gesetzessammlungen. Für diese wird es bald keine genügende
wirtschaftliche Grundlage mehr geben. Dazu ein Beispiel:
Die Entmaterialisierung und die Transformation von Eigentum in Nutzungsrechte
kann anhand des Schicksals der "Encyclopaedia Britannica" erklärt
werden. Vor etwa 8 Jahren versuchte die Fa. Microsoft, von dem Verlag die
Rechte für eine CD-Ausgabe zu erwerben. Der Verlag lehnte aus Furcht ab,
niemand würde mehr die gedruckte Fassung (für damals über 3.000 DM, 32 Bände)
erwerben, wenn der gleiche Inhalt für die billige digitale Version zugänglich
werden könnte. Die Fa. Microsoft erwarb sodann die Rechte an einem Lexikon
eines anderen Verlages (Funk and Wagnalls) und vertrieb den Inhalt als digitale
Enzyklopädie (Encarta) für unter 100 DM. Das elektronische Lexikon hat zudem
den Vorteil, ständig online erweitert und aktualisiert werden zu können, was
sie in ihrem Informationsgehalt der gedruckten Fassung weit überlegen macht.
Encarta wurde innerhalb weniger Monate zum meistverbreiteten Lexikon in der
Welt. Inzwischen hat der Verlag der "Encyclopaedia Britannica" sein
Lexikon ins Internet gestellt. Für einen Abbonnementspreis von nur 170 DM
erhalten Lizenznehmer Zugang zu dem riesigen Datenbestand des Verlags, während
der Preis für die gedruckte Version für Privatleute nicht mehr erschwinglich
ist. Letzte Woche habe ich in der FAZ gelesen, daß das neue Lexikon des
Bertelsmann-Verlages für etwa 180 DM als CD-Rom-Ausgabe erschienen ist und etwa
den doppelten Umfang wie die gedruckte Ausgabe haben soll.
Hier kommt noch ein weiteres Moment zum Tragen. Die Vorteile von Hypertext
(HTML) und von XML (Extensible Markup Language) werden in diesem Bereich die
Druckwerke auf kürzere Frist verdrängen, weil sie für den Dokumentenhersteller
und für den Nutzer erhebliche Vorteile haben und ihre Erstellung und
Verbreitung wesentlich billiger ist. Ist das Grundgerüst erst einmal fertig,
nähern sich die weiteren Produktionskosten gegen null. HTML und auch XML sind die
"Sprachen" des Internet.
Diesen Vortrag habe ich der Einfachheit halber sogleich in dem Format
"HTML" niedergelegt, um mir weitere Arbeiten (wie etwa
Formatierungen) zu ersparen. Für den Druck bezieht sich das Dokument auf eine
andere Datei (format.css), die ich für ähnliche Dokumente ebenfalls verwende, um
eine Einheitlichkeit und eine Arbeitsersparnis zu erreichen. Die Verbreitung
dieses Vortrags über das Internet ist damit auch schon erledigt. Die Datei ist
klein und deswegen "pfeilschnell". Als Worddokument hätte sie einen
erheblich größeren Umfang, was ihre Verbreitbarkeit enorm beeinträchtigen
würde. Herr Bebendorf von der ADV-Abteilung des OLG Ffm hat mir kürzlich
bestätigt, daß XML das allgemeine Austauschformat für Daten im Bereich der
hessischen Justiz werden wird. Dann fragt es sich aber, warum am Richterarbeitsplatz
Word97 eingeführt wird, wo doch jeder halbwegs Kundige weiß, daß die Dokumente
mit diesem Textverarbeitungssystem nicht zufriedenstellend in das Format
"HTML" konvertierte werden können (die Metaangaben werden nicht
vollständig übernommen, damit ist der Rationalisierungseffekt dahin). Die
Familiensenate des OLG Ffm nutzen die Formate "HTML" und
"XML" schon seit längerem für ihre Internetsite und vor allem für die
Datenbank der Familiensenate im Internet, was das alleinige Verdienst von WauRi
Jochen Gielau (AG Offenbach) ist: (http://www.olgfamsen.de
bzw. http://www.hefam.de).
Der Leser der gedruckten Ausgabe sieht jetzt nur die Adressen für das Internet
(URL = Uniform Resource Locator = Internetadresse). Wer aber dieses Dokument
auf seinem Computer öffnet und liest, kann durch Mausklick auf die
"Links" direkt zugreifen. Er hat sofort Zugang.
Die ADV-Abteilung des Oberlandesgerichts will im nächsten Jahr wieder einen
kleinen Lehrgang für Richterinnen und Richter in HTML anbieten (Grundkurs). Ich
habe dem Kollegen Grabowski versprochen, daß ich für eine kleine Einführung zur
Verfügung stehe. Der Termin wird noch bekannt gegeben. Ziel ist es, ein Verständnis für diesen neuen
kulturellen Aspekt anzustoßen und langfristig Richterinnen und Richter in die
Lage zu versetzen, selbständig (eigenhändig) Inhalte herzustellen, die im Netz
angeboten werden können. Wenigstens die Fähigkeit, eigene Inhalte für Netze zu
produzieren müßten mE die Richter schon haben, wenn sie sich andererseits über
Meinungsvormundschaft durch den Justizminister beschweren wollen (Thema:
Ausschluß vom Internet). Nun aber noch einiges zu Hypertext, der zum
Verschwinden der gedruckten Kompendien beiträgt:
Hypertext ohne konkrete Ansicht zu erklären ist zwecklos. Aber hier hilft Meister Rifkin erneut (aaO, Seite 278):
Ein gedrucktes Buch ist linear, gebunden und fest, der Hypertext dagegen assoziativ und potenziell grenzenlos. Ein gedrucktes Buch ist von Natur aus exklusiv und autonom in seiner Form, ein Hypertext hingegen seinem Wesen nach inklusiv und in seiner Form relational. Mit anderen Worten, gedruckte Bücher haben einen Anfang und ein Ende, und sind vollständig. Ein Hypertext hat keinen klaren Anfang und kein eindeutiges Ende, sondern nur einen Anfangspunkt, von dem aus Nutzer Verbindungen zu zusammenhängenden Materialien herstellen. Er verändert sich ständig und ist niemals komplett. Das gedruckte Buch ist ein Produkt, Hypertext dagegen ein Prozeß. Das erste eignet sich als langfristiges Eigentum, den zweiten nutzt man am besten durch momentanen Zugang.
Ich meine, daß man keine bessere Beschreibung dafür finden kann, warum sich
Hypertext für den Zugang zu Gesetzessammlungen und Kommentaren am besten von
allen bekannten Medien eignet. Deshalb beziehe ich mich auf die Ausführungen
von Rifkin durch einen nicht ganz ernst gemeinten Hyperlink:
http://www.jeremy
rifkin/access/Seite 278.com
und wiederhole meine Voraussage, daß die am richterlichen Arbeitsplatz
traditionell vorhandenen Kompendien in naher Zukunft verschwunden sein werden.
Von den Kollegen Wirbelauer (Vors. Richter am OLG Jena) konnten wir in
Erfahrung bringen, daß am dortigen (bereits vernetzten) OLG nur noch die
Vorsitzenden Richter mit einer Ausgabe des Schönfelders ausgestattet sind; die
anderen müssen sich mit der Online-Ausgabe zufrieden geben. Bald werden dort
nur noch Vorsitzende beschäftigt werden, die den Vorteil der Online-Version
einsehen. Hessen zieht etwas später nach. Hier wird nochmals der Unterschied
deutlich: Wer als Richter bisher auf Literatur zugreifen will, die nicht von
dem Ministerium zur Verfügung gestellt wird, kann sich noch aus eigenen Mitteln
versorgen: Das ist künftig kein Ausweg mehr. Deswegen erfordert die Einführung
eines Computernetzes in der hessischen Justiz eine außerordentliche Anstrengung
alles Richterinnen und Richter, um Bedingungen zu schaffen, die ein Meinungs-
und Informationsmonopol der 2. Gewalt erst gar nicht aufkommen lassen.
Die Vorteile der EDV führen in der Wirtschaft
dazu, daß Produktionsweisen und Verfahren den Denkweise der EDV angepaßt
werden, um die spezifischen Vorteile besser nutzen zu können. Davon macht auch
die Gesetzgebung in Mahnverfahren, vereinfachten Verfahren zur
Unterhaltsfestsetzung etc. zunehmend Gebrauch. Ich setze hier die gesetzlichen
Vorschriften einfach voraus, weil es mir lästig ist, die §§ zu zitieren. Könnte
ich hier die Vorteile des Hypertextes schon uneingeschränkt nutzen, hätte ich
auf die einschlägigen Bestimmungen der ZPO einen Hyperlink gesetzt und damit
die Leser/Zuhörer bestens informiert:
Damit
können die Leser gedruckter Werke aber nichts anfangen. Als Mangel werden sie
das aber erst verspüren, wenn sie einigermaßen mit Computern umgehen können.
Der Unterschied in der Beherrschung der Computer durch die Richter ist ein
wesentlicher Grund für die derzeitige Diskussion über die Computernetzwerke in
der hessischen Justiz.
Jedenfalls werden Massenverfahren schon seit einiger Zeit weitgehend
elektronisch erledigt. Alsbald werden die Anträge auf den gesetzlich
vorgegebenen Antragsformularen in digitaler Form eingereicht werden müssen.
(Wer dies anstrebt, kann eigentlich kein Windows-NT -Netz aufbauen. Die
Absicherung der Netze wegen der vielfältigen Sicherheitsprobleme (etwa Viren)
ist so aufwendig und kostspielig, daß der Nutzeffekt im Ergebnis fraglich ist.)
Dies wird zunächst vielleicht durch Kostenanreize angeregt, später durch
gesetzliche Zwang durchgesetzt werden. Sind die Computernetze erst errichtet,
sind die herkömmlichen Verfahren der Antragsbearbeitung wegen zweispuriger
Verarbeitung plötzlich so teuer, daß ihre Fortführung eigentlich nicht mehr
verantwortet werden kann. Der selbe Effekt tritt bei Richtern ein, die weiter
auf den herkömmlichen Arbeitsweisen bestehen. Jüngere Richter werden daran
gemessen werden, ob sie neue Arbeitstechniken einsetzen. Zur Durchsetzung der
Teilnahme an den Computernetzen eignet sich auch sehr schön das universale
Disziplinierungsmittel für Richter: Die Beförderung. Die richterliche
Unabhängigkeit ist psychologisch mehr eine Sollens- denn eine Seinskategorie.
Geistig tief im Berufsbeamtentum verwurzelt werden viele Richter deswegen die
neue Herausforderung annehmen, ohne die Risiken für die richterliche
Unabhängigkeit genügend in Betracht zu ziehen.
Die Einreichung der Anträge wird zunehmend ausschließlich durch das Internet
möglich sein. Die Annahme durch körperliche Übersendung von Datenträgern
(Disketten etc.) ist einfach zu teuer. Derzeit aber sollen die Richter noch dem
Internet fern gehalten werden, nur die Verwaltung hat dort Zugang. Dies wurde
zunächst mit Sicherheitsbedenken begründet. Nunmehr wird eingeräumt, daß nur
Kostengesichtspunkte maßgeblich seien. Im Ergebnis läuft eine solche
Netzstruktur auf ein Informationsmonopol des Justizministers hinaus. Dagegen
müssen sich die Richter mE wehren.
Wie weit fortgeschritten die Planungen für die Einführung elektronischer
Gerichtsverfahren bereits sind, machen sich die meisten Kollegen nicht genügend
klar. Ich zitiere beispielhaft aus einem Artikel "Serviceorientiert. Die
Webseite des Bundessozialgerichts" des Präsidenten des
Bundessozialgerichts in dem Magazin "Anwalt" der NJW-CoR vom Oktober
2001:
"Neben Planungen zur Erweiterung des Internetangebots ist im Rahmen der eGoverbment-Initiative der Bundesregierung "Online 2005" nach Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen mittelfristig mit Einführung des "elektronischen Rechtsverkehrs" zu rechnen. Dieser soll zunächst die gesicherte Kommunikation zwischen Bundessozialgericht und Bürgern, Verfahrensbeteiligten, anderen Gerichten, Behörden oder anderen Stellen ermöglichen. Die elektronische Akte im Sinne eines Dokumentenmanagementsystems scheint damit in greifbare Nähe gerückt"
Hierüber könnten die Teilnehmer an diversen EDV-Gerichtstagen viel besser referieren als jemand, der noch nie an einem solchen Gerichtstag teilgenommen hat, wie ich. Das empfinde ich zwischenzeitlich als schweren Mangel. Das Thema: "Elektronischer Schriftsatz" ist ein Lieblingsthema des Kollegen Gielau, der hierfür schon entscheidende Vorarbeiten geliefert hat. Soweit ich seine Überlegungen verstehe, handelt es sich nicht nur um die Überlieferung von Schriftsätzen in digitaler Form durch "remote access" (Zugang von Außen, etwa über das Internet). Sondern es sind damit dezidierte inhaltliche Vorstellungen verbunden, deren Durchsetzung die richterliche Arbeit wesentlich effizienter gestalten und - wiederum - kostengünstiger machen könnte, etwa so:
Der Richter gibt nach der Schlüssigkeitsprüfung den Rahmen für den weiteren Vortrag vor. Die Parteien sind im folgenden gehalten (durch prozessuale Präklusionsvorschriften etwa oder durch Kostennachteile) an den vorgegebenen Stellen zu den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten Stellung zu beziehen.
Die gerichtsförmige digitale Verarbeitung von Verfahren ist von der Justiz noch
nicht energisch genug in Angriff genommen worden. Mit der Einführung nicht
anpassungsfähiger Systeme (EUREKA), die auch noch rechtlich bedenklich sind (dazu
weiter unten) verbaut sich die Justiz den Fortschritt und jede
Entwicklungsmöglichkeit (auch der nichtrichterlichen Mitarbeiter). Im Amtsgericht
Offenbach am Main ist es jetzt schon Alltag, daß Parteien nichtstreitiger
Scheidungsverfahren nach dem Ende der mündlichen Verhandlung mit ihren Urteilen
versehen nach Ausfüllung der Zustellungsurkunden und unter Mitnahme der
Gerichtskostenrechnung das Gericht verlassen. Die dort verwandten Systeme sind
auf jeder Plattform (Betriebssystem) einsetzbar und jederzeit durch
örtliche Kräfte anzupassen (Browsertechnologie). Dafür besteht aber kein
Interesse, was mit aller Zurückhaltung als zumindest unverständlich bezeichnet
werden muß.
Die Nutzung plattformunabhängiger Software in der hessischen Justiz wäre schon
allein deswegen besonders wichtig, weil die vorhandene Planung schon vor ihrer
Umsetzung obsolet ist. Das NT-Netz ist veraltet, bevor es unter hohen Kosten
aufgebaut ist. Die Behauptung des Ministers, es werde modernisiert, ist somit
schon relativiert. Aus dem Ministerium ist zu erfahren, daß der Einsatz von
WindowsXP erwogen wird (nachdem aber die Kosten schon entstanden sind, denn an
der Errichtung des NT-Netzes will man festhalten). Problem ist dann wieder, ob
die vorhandene Software (hier besonders EUREKA)auf der neuen Plattform läuft.
Das wird vermutlich nicht ohne kostspielige Anpassungen der Fall sein. Hohe
weitere Kosten werden somit künstlich erzeugt. Die Abhängigkeit wird immer
größer, die Kosten werden immer höher. Daß dann kein Geld mehr für Bücher
vorhanden sein wird, wundert nicht. Jedenfalls kann niemand mehr behaupten, die
Modernisierung der hessischen Justiz würde planvoll betrieben. Mit der
Einführung eines neuen Betriebssystem nach der Einführung des NT-Netzes sind
außerdem fast alle Absprachen zwischen dem Ministerium und dem
Bezirksrichterrat hinfällig. Schon Windows 2000 weist eine völlig neue
Administrationsstruktur auf (Active Direktory). Die Rechte im Netz müssen dann
völlig neu geregelt werden. Das kann man nicht als "Führungsarbeit"
bezeichnen, schon eher als Verwirrspiel.
Sie ist schon ein teilweise laufendes Verfahren. Durch die Auswahl falscher Techniken (Windows-Betriebssysteme) ist aber die notwendige Absicherung der Netze nach innen so aufwendig (Firewalls), daß die Zugangskosten derzeit für die Notare nicht attraktiv sind. Würden die Empfehlungen der BMDI und des Bundesamtes für Datensicherheit berücksichtigt und "Open-Source-Produkte" eingesetzt (keine gefährlichen Viren), dann wäre die Angelegenheit ein echter Fortschritt. Wer aber ständig bemüht ist, den Milliardär Bill Gates zu bereichern, hat damit noch Probleme.
...wäre doch ein wahrer Segen. Die letzte Innovation in der Justiz, nämlich
deren Anschaffung nach langen Hin und Her erweist sich als schwerer Nachteil.
Die Akten, sowieso nur liederlich von viel zu schwachen Metallzungen im
kackbraunen Aktendeckel (Farbziel: Die Zerstörung der Motivation der
Mitarbeiter) zusammengehalten, werden ständig dicker: Jeder Schriftsatz ist
doppelt vorhanden. Aus "Sicherheitsgründen" (eher aber aus
Bequemlichkeit) wird so alles doppelt eingereicht. Die Rechtsprechung zur
anwaltlichen Sorgfaltspflicht tut ein Übriges.
Hier kommt eine unproduktive Neigung zum Tragen: Die Lust der Umwandlung
elektronischer Dokumente in totes Papier. Jeder will sofort alles ausdrucken.
Erst dann hat er es. Ziel müßte
es aber sein, die Dokumente - so lang es im Prozeß der Verarbeitung irgendwie
möglich ist - in digitaler Form zu halten. Nur solange nämlich sind sie einfach
und kostengünstig bearbeitbar. Also UMS = Unified Messaging Service, also
Umwandlung von jeder Form einer Nachricht in die jeweils beim Empfänger
verfügbaren Medien.
All das wird kommen wie das Amen in der Kirche. Beim Hessischen Finanzgericht ist die Video-Konferenz als Gerichtsverhandlung schon eingeführt. Anderes wird es immer weniger geben. Ich höre hier auf, obwohl mir noch unzählige Gedanken kommen (Dokumentserver, Portale und vieles mehr) Die Arbeit vom häuslichen Arbeitsplatz aus im Netz würde eine erhebliche Verbesserung der Effizienz bedeuten. Viele Richter fahren arbeitstäglich enorme Strecken und verbringen damit viele Stunden weitgehend unproduktiv im Bus, im Zug oder im Kfz. Heimarbeiterinnen bewegen zwischen den Gerichten und ihrem Arbeitsplatz erhebliche Papiermengen, oft um nur eine kleine Verfügung zu schreiben. All dies sind vermeidbare Aufwände, die als notwendige Ausbaustufe für einen Netzbetrieb in Betracht gezogen werden müssen. In diesem Abschnitt kommt es mir doch nur darauf an, darzulegen, warum die Rechtsprechung außerhalb der Netze bald nicht mehr vorhanden sein wird. Im Nachstehenden will ich mich mit den oben vorhandenen Verweisen ("unten darüber mehr") und weiter mit der Planung des Computernetzes beschäftigen, wobei uns (den Richtern) die Planung bisher überhaupt nicht bekannt ist. Bisher gibt es keine technische Beschreibung. Eine solche müßte Auskunft geben über die Administrationsprinzipien (wer darf was wo und wann, was wird protokolliert, wie lange werden die Protokolle und wo im welcher Form aufgehoben, wie werden die Daten und wo in welcher Weise gesichert, wie werden die Administratoren überwacht, etc, etc) Die soll nun - nachdem der Netzbau schon fortgeschritten ist - noch nachgeholt werden: Hier baut der Bauherr ohne Plan.
Hier kann ich auf Erfahrungen zurückgreifen, die schon in sogenannten
"alten" Systemen in der Hessischen Justiz gemacht worden sind,
beschränke mich aber wegen des Umfangs des Materials auf das Informationssystem
der Familiensenate des OLG Frankfurt am Main, abgekürzt "hefam" und
"olgfamsen.de".
Die Richterinnen und Richter der Familiensenate des OLG Frankfurt am Main haben
sich in den letzten etwa 15 Jahre folgende Vorteile mittels EDV erarbeitet:
Mittels der INFOTHEK werden die Familiengerichte in Hessen schon etwa 10
Jahre flächendeckend mit der Rechtsprechung der Familiensenat in Hessen
versorgt. Die Sammlung ist auch für Rechtsanwälte verfügbar. Sie können sie in
Form der jährlich erscheinenden "OLG-CD" oder durch Download aus dem
Internet (http://www.olgfamsen.de) gegen Zahlung einer geringen Gebühr
erwerben. Mit dem Bezug der INFOTHEK ist für ein Jahr das Recht der Teilnahme
an der Mailingliste verbunden.
Im Internet ist eine auf modernster Technik (XML, HTML) aufbauende Datenbank
mit Suchfunktion vorhanden, die von jedermann genutzt werden kann.
http://www.hefam.de/urteile/olgffm.html
Die Zahl der Zugriffe binnen etwa 14 Monaten ist auf über 1/4 Million
gestiegen. Die juristische Struktur haben sich die Richterinnen und Richter der
Familiensenate selbst geschaffen, die technische Durchführung beruht auf den
Kenntnissen und dem Arbeitseinsatz von Herr WauRiaAG Jochen Gielau.
Mittels dieses Informationssystems soll eine besonders aktuelle Unterrichtung
erfolgen, mit dem Ziel, Arbeit einzusparen. Die meisten Informationen erfolgen
zu spät, um gerichtliche Auseinandersetzungen zu verhindern. In Zeiten
ständiger Änderungen der Gesetze ist eine besonders schnelle Information
das allein geeignete Mittel, um Gerichtsverfahren zu vermeiden. Der Abdruck in
den Zeitschriften, auch die Aufnahme in die elektronischen
Entscheidungssammlungen ist nicht aktuelle genug. Mit einem zeitlichen Anschluß
von nicht mehr als einem Monat kann das Informationssystem der Familiensenate
des OLG Frankfurt am Main diesen Ansprüchen bisher genügen. Ich bilde mir wegen
der vielen positiver Meldungen aus der Rechtsanwaltschaft ein, daß der Effekt
schon in Teilen greift: Immer wieder wird mir per Email mitgeteilt, daß
aufgrund der erteilten Information diese oder jene Sache habe außergerichtlich
geregelt werden können.
Ich nutze an meinem Arbeitsplatz seit Jahren vielfältige, zum Teil selbst
ausgesuchte Anwendungen. Eigene Programme soll der Richter aber im geplanten
Netz nicht installieren können. Vielmehr ist zunächst eine umständliche
Tauglichkeitsprüfung durch die HZD vorgesehen, bis der Administrator eigene
Programme der Richter installiert. Die erheblichen Kosten der Überprüfung
belasten das Budget des jeweiligen Gerichts. Man kann sich leicht vorstellen,
daß eigene Initiative unter solch bürokratischen Bedingungen absterben wird.
Alles was wir in wenigen Monaten bei den Familiensenaten des Oberlandesgerichts
erreicht habe, wäre unter den Bedingungen des geplanten Netzes nicht entwickelt
worden.
Seit etwa einem Jahr diktiere ich die größeren Schreibwerke direkt mittels
Spracherkennung in den Computer. Die Technik kann zwischenzeitlich als
ausgereift und einsatzfähig bezeichnet werden.
Diktieren mit Spracherkennung unterscheidet sich sowohl von dem Diktat mit dem
Diktiergeräte als auch vom Schreibmaschinenschreiben und dem Schreiben mit
einer Textverarbeitung auf dem Computer. Der Vorteil ist, daß man schreibt, was
man sieht. Die Sätze entstehen, während man spricht, vor dem Auge. Dabei kann
man entspannt zurückgelehnt im Sessel diktieren; die Geschwindigkeit ist auch
für jemanden, der flott Schreibmaschine schreiben kann, nicht zu erreichen.
Fehler kann man durch Sprachbefehle korrigieren. Durch Eingabe von
Diktier-Kürzeln kann man wiederkehrende Textbausteine mit einem dort einsetzen
und vieles andere mehr.
Das Diktieren mit dem Computer ermöglicht einen völlig neuen, weiterführenden
Umgang mit Text. Schon deswegen ist die Sorge der Kolleginnen und Kollegen, sie
sollten zu Schreibkräften werden, im Kern technisch überholt. Als neue Sorge in
Betracht kommt aber diejenige um die Arbeitskräfte, die bisher Schreibarbeiten
erledigt haben. Aber auch hier gilt, daß eine Verweigerungshaltung nicht hilft:
würde die neue Technik flächendeckend eingesetzt, würden höhere Anforderungen
an die Schreibkräfte gestellt werden müssen. Weil die Spracherkennungssysteme
keine Schreibfehler machen können, müßten sie darauf achten, ob sinnentstellende
Erkennungsfehler vorliegen. Dies setzt auch ein inhaltliches Verständnis des
geschriebenen Textes voraus und duldet keine mechanische Bearbeitung.
Qualifikation der Mitarbeiter in diesem Bereich ist ein in der Justiz noch arg
vernachlässigtes Feld.
Nach der Mühe der Einarbeitung kann ich für mich ohne Einschränkung sagen, daß sich der Aufwand gelohnt hat. Ich bilde mir ein, wesentlich schneller als früher zu Ergebnissen zu kommen und diese niederzulegen zu können. Die Tätigkeit in einem Zivilsenat mit Zivilsachen aus allen Bereichen hätte ich so nicht übernehmen und abwickeln können, wenn mir nicht die elektronischen Entscheidungs- und Literatursammlungen geholfen hätten, mich schnell auch in für mich neue Rechtsgebiete einzuarbeiten.
Die Beschäftigung mit juristischer Informatik ist mE hoch interessant und versetzt den Anwender in die Lage, an den neuesten technischen und kulturellen Entwicklungen teilzuhaben. Auch hier sieht nur der etwas, der etwas sehen will.
Ich habe oben ausgeführt, daß die Frage, warum die Justiz ans
"Netz" sollte und Richterinnen und Richter an den PC, gewisse
Unsicherheiten zeigt. Dazu gehört auch, daß die PC am Richterarbeitsplatz im
Sinne der Planung alle ans Netz angeschlossen sind. Also geht es nicht um die
Frage, ob Richter den PC nutzen sollten, können, müssen, sondern beides führt
zusammen. Der PC als alleinstehendes Gerät ist nur in Teilen brauchbar. Zur
Arbeit der Richter taugt er schon deswegen nicht, weil er damit allenfalls als
Schreibmaschine und in beschränktem Umfang zur Information geeignet wäre. Die
Frage geht also dahin, ob Richter ans Netz gehen sollten.
Nach meiner Überzeugung gibt es dazu keine Alternative, weder für die
Richterinnen und Richter, noch für das HMdJ
Vor einiger Zeit wurde gegenüber dem Richterrat bei dem Oberlandesgericht in
Ffm von Seiten des HMdJ verlautbart, die Richterinnen und Richter müßten im
Falle einer Ablehnung der Planungen durch den Bezirksrichterrat den Nachteil
tragen und riskierten, "außen vor" zu bleiben.
Diese "Drohung" nehme ich nicht so ganz ernst. Mit fällt dabei ein,
daß ich es vielleicht auf diese Art doch noch erreichen kann, wenigstens
faktisch vor dem 65 Lebensjahr in den (vorgezogenen) Ruhestand treten zu
können, was bisher nicht realistisch erschien. Denn wenn ich von meinem
"Pförtner" keinen Zugang mehr erhalte, dann kann ich nichts mehr
machen und er, der "Pförtner" befindet sich in Annahmeverzug. Eine
komfortable Lage.... .
Aber - jetzt etwas ernsthafter - kann denn jemand ernsthaft erwägen, ein Netz
gegen den Willen der Richter, um diese herum zu errichten ? Eine solche
Vorgehensweise verkennt die Vernetzung (nicht die Computervernetzung) zwischen
den Richtern, der Justizverwaltung, den Service-Einheiten und Geschäftsstellen.
Ein solches Netz würde keinen der gewünschten Effekte erreichen, sondern nur
zusätzlichen Aufwand bedingen. Die Richter sind allen Neuerungen sehr
aufgeschlossen und haben in die "Netzdiskussion" eine Reihe von
nützlichen Vorschlägen eingebracht, ohne die das Projekt jetzt schon zum
Erliegen gekommen wäre. Gründe für die Richter, vorerst vom Netz zu
bleiben, gibt es allerdings in Hülle und Fülle. Nachdem die gesetzlich
eindeutigen Mitbestimmungsrechte endlich akzeptiert worden sind, müßten nun
doch die Voraussetzungen für eine Zustimmung des Bezirksrichterrats geschaffen
werden. Diese liegen aber mE bis heute nicht vor. Woran liegt das ?
Alle Inhalte, auf welche die Richter zugreifen können, werden vom Ministerium vorgegeben. Der Zugriff zum Internet wird nicht eröffnet. Unter den Bedingungen der verletzten Welt besteht keine Möglichkeit mehr, auf andere Weise Informationen zu erlangen. Was bisher noch möglich, sich mit eigenen Mitteln Programme zu verschaffen und einzusetzen, zu besteht diese Möglichkeit aufgrund der geplanten Administrationsstruktur künftig nicht mehr. Das Verschwinden der gedruckten juristischen Literatur, wie ich es vorstehend dargestellt habe, führt dazu, daß auch diese Informationsquelle langsam versiegt. Zwar besteht theoretisch die Möglichkeit, die Installation von Software zu beantragen. Die Prüfung der sogenannten " Netztauglichkeit " ist jedoch teuer und belastet das Budget des eigenen Gerichts. Sonderwünsche stoßen sich dann an den Realitäten der anderweitigen Daseinsvorsorge (Literatur contra Heizöl). Unter diesen Bedingungen dürfte eine Mitwirkung der Richter nicht Infrage kommen, wenn nicht wenigstens der Zugang zum Internet als universales Mittel einer freien Informationen eröffnet ist.
Rechtsprechung hat als Voraussetzung den Schutz der Daten nach außen und
nach innen. Über den Schutz der Daten nach außen möchte ich zunächst nichts
sagen. Wichtig ist auch der Schutz der Daten nach innen, hier muß das
Beratungsgeheimnis gerade von der Justizverwaltung gewährleistet sein. Auch
dürfen Bedienstete und Kollegen nur Zugriff auf diejenigen Daten erhalten, mit
denen sie aufgrund des Geschäftsverteilungsplanes befaßt sind. Diese
Selbstverständlichkeiten sind alle nicht gewährleistet. Aufgrund der
vorgesehenen Administrationsstruktur kann jeder, der eine Abteilung zugerechnet
wird, wobei die Kriterien und durchsichtig sind, auf sämtliche Daten zugreifen,
die diese Abteilung verwaltet werden. Er kann gelesen, sie verändern, sie
löschen.
Der Richter keine Möglichkeit, Daten so zu speichern, daß sie Dritten nicht
zugänglich sind. Das vorgesehene persönliche Verzeichnis (Netzlaufwerk P) steht
dem Administrator offen, ohne daß der Benutzer den Zugriff bemerken kann. Diese
Tatsache wurde bis vor kurzem bestritten, sie ist zwischenzeitlich unstreitig.
Grundregel bei den Betrieb eines jeden Netzes ist, das die Sicherheit nach
Innen in letzter Konsequenz nur durch eine ordnungsgemäße Kontrolle der
Administratoren gewährleistet ist. Durch Verlautbarungen der H Z D und des
Justizministeriums wurde bekannt, daß die Tätigkeit der Administratoren nicht
protokolliert wird. Vorfälle bei der Staatsanwaltschaft in Wiesbaden haben
zutage gefördert, daß die vom hessischen Datenschutzbeauftragten vorgegebenen
und in vielen Treffen erörterten Sicherheitsrichtlinien zur Protokollierung
(Sicherheit Protokoll) nicht durchgesetzt sind.
Windows NT ist total veraltet. Es war nie ein besonders sicheres
Betriebssystem. Sicherheitslücken wurden fast wöchentlich öffentlich erörtert.
In den letzten Jahren habe ich auf meinem privaten Rechner einige Zeit mit
Windows NT gearbeitet (Workstation). Ich kann kaum noch nachvollziehen, wie
viele sogenannten Sicherheitspatches ich aus dem Internet heruntergeladen hat.
Nachdem nun Microsoft die Unterstützung von Windows NT aufgegeben hat, besteht
das Problem eines fortdauernden Betriebs darin, daß Sicherheitslücken nicht
mehr geschlossen werden können. Damit ist die Verwendung in einem Bereich
empfindlicher Daten wie der Justiz auch rechtlich ausgeschlossen. In Bezug auf
Fehlleistung des Systems handeln die Betreiber dann vorsätzlich und nicht mehr
nur fahrlässig.
Während also der Rest der Welt sich von Windows NT verabschiedet, plant die
hessische Justiz die Einführung. Damit wird zu Lasten der Steuerzahler der
Mehraufwand der absehbaren Umstellung erst erzeugt. Während in der öffentlichen
Verwaltung des Bundes die Abhängigkeit von Microsoft durch den Einsatz von Open
Source Software verringert werden und Geld gespart werden soll, denkt man in
Hessen daran leider nicht. Im KBSt-Brief 2/2000 (Koordinierungs- und
Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der
Bundesverwaltung) des Bundesinnenministers wird ausgeführt, daß diese Software
in der Verwaltung aus den verschiedensten Gründen, nicht zuletzt auch der
erhebliche Kostenersparnis, den Produkten von Microsoft vorgezogen werden
sollte. Der Deutsche Bundestag, die ein Windows NT-Netz mit mehreren 1000
Rechnern betreibt, erwägt, mit dem Beginn des Jahres 2003 auf Linux
umzusteigen. Das angestrebte Einsparvolumen wird mit 195 Millionen beziffert.
Ich möchte hierauf den möglichen Einsatz von Open Source Produkten in der
hessischen Justiz nicht weiter eingehen, nur darauf hinweisen, daß alle in der
hessische Justiz vorhandenen Anwendungen sehr wohl mit Open Source Produkten
betrieben werden könnten und das damit mehrere Millionen Mark eingespart
werden. Mit deren Einsatz wären eine Reihe der erhobenen Bedenken aus
technischen Gründen gegenstandslos. Die Anfälligkeit für Viren wäre deutlich
gemindert, die nachdem sogar aufgehoben. Die immanente Sicherheitsarchitektur
von Linux etwa ermöglicht es dem einzelnen User, in seinem Homeverzeichnis frei
zu schalten und zu walten, ohne das System jedoch gefährden zu können . Bei den
Familiensenaten des Oberlandesgerichts wird Serverseitig Linux angewendet
(Sambaserver) während die Clients fast alle Versionen von Windows nutzen. Der
Einsatz von Linux mit dem vorhandenen grafischen Benutzeroberfläche werde auch
auf den Geschäftsstellen keinerlei Probleme bereiten. Nach Angaben des
Bundesamtes für Informationssicherheit steht dem Einsatz des Programms "
StarOffice 5.2 " in den Behörden kein Einwand entgegen; die Kompatibilität
mit Microsoft Word und anderen Textverarbeitungssystemen über entsprechende
Filter ist vollständig gewährleistet. Der Einsatz dieser Software etwa ist auch
für Behörden völlig kostenfrei.....
Es handelt sich von seiner Struktur her um einen Arbeitsplatz für " Unmündige ". Der Richterarbeitsplatz wird im wesentlichen ausgestattete mit einer Version von Winword (veraltete Vorgängerversion) wobei noch ein Teil der Funktionen ausgeschaltet bleibt. Des weiteren ist vorgesehenen der Zugang zu Juris, was natürlich zu begrüßen ist, wozu aber eine Vernetzung der Richterarbeitsplätze nicht erforderlich wäre. Der Widerstand der Richter, zu Schreibarbeiten herangezogen zu werden, erweist sich im Kern als berechtigt. Der vorgesehenen Arbeitsplatz ist zuwenig mehr geeignet als zum Schreiben von Urteilen und Beschlüssen. Jede Entwicklung auf dem Gebiet juristischer Informatik ist für den einzelnen versperrt. Sein Rechner ist ferngesteuert. Die Verwaltung seiner Daten ist für den einzelnen Richter undurchschaubar, zumal eine Planung für die mit Administration und Rechteverteilung nicht vorliegt, jedenfalls nicht in schriftlicher Form. Wird dieses Projekt zu durchgesetzt, dann hängen die Richter tatsächlich an der Strippe des Ministers. Wenn man die ihnen zur Bedeutung der Netze für die Rechtsprechung der Zukunft genügend beachtet, kann man meines Erachtens nur zu dem Schluß kommen, daß hier die rechtsprechende Gewalt von der Regierung in einen Zustand der totalen Abhängigkeit geführt wird. Deswegen auch rät der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen den Richterinnen und Richter des Landes, gegen die geplante Fernwartung anzukämpfen. Nach seiner Auffassung müssen die Gerichtspräsidien die Rechteverteilung vorgeben.
Die Computervernetzung eines Unternehmens wird in der veröffentlichten
Literatur als kompliziertes Unterfangen beschrieben. Ausreichende Vorarbeiten,
Untersuchungen und organisatorische Überlegungen sowie rechtliche Wertungen
sind in hohem Maße gefragt. Fehlt es an der Vorbereitung, steht der Erfolg in
Frage. Es gibt Beispiele dafür, daß Unternehmen an ihrer Vernetzung zugrunde
gegangen sind.
Eine solche Planung fehlt für die hessische Justiz vollständig. Eine
Administrationsstruktur, die den Bedürfnissen der Rechtsprechung aber auch der
Justizverwaltungsrechnung trägt, kann ich mir nur als sehr kompliziert
vorstellen. Schon die Administration von 15 Richterarbeitsplätzen und weiteren
sechs Arbeitsplätzen auf den Geschäftsstellen ist unter Beachtung des
Datenschutzes und des Beratungsgeheimnisses sowie den Vorgaben der Aktenordnung
und der Richtlinien des Justizministeriums für die Behandlung elektronischer
Daten keine leichte Aufgabe. Die Richterinnen und Richter der Familiensenaten
des Oberlandesgerichts mit dem Sitz in Frankfurt haben diese Fragen für sich klären
müssen, was schon in diesem kleinen Rahmen einer erhebliche Problemvielfalt
zutage förderte.
Die Überlegung, die Gerichte erst mal mit einem Netz zu überziehen und dann
zusehen, wie es weitergeht, ist offensichtlich nicht tragbar. Es bedarf keiner
prophetischen Gabe, und vorher zusehen, welche unsäglichen Schwierigkeiten
auftreten werden, in diesem Netze tatsächlich in Betrieb sind und auch genutzt
werden. All dies weist daraufhin, daß überhaupt kein Problem Bewußtsein
besteht. Schlechte Aussichten für den Steuerzahler und schlechte Aussichten für
die richterliche Unabhängigkeit in Hessen.
Computer-Netzes sind geeignet, die angeschlossenen Mitarbeiter umfassend zu
überwachen. Aus diesem Grund bestehen gesetzliche Regeln im
Betriebsverfassungsrecht und in dem Personalvertretungsrecht in der Länder. Das
hessische Richtergesetz nimmt auf eine entsprechende Bestimmungen des
hessischen Personalvertretungsgesetzes Bezug. Deswegen bedarf- was zunächst bestritten wird- die Installation von Netzen der Zustimmung
des Bezirksrichterrates. Diese fehlt bis heute aus gutem Grund. Ein Hindernis
für die Errichtung von Netzen scheint dies aber dennoch nicht zusein.
Bei den Betrieb von Rechnern fallen Daten an, eigentlich nur Daten. Diese
werden zum Teil sofort wieder gelöscht, zu erheblichen Teil jedoch aufbewahrt
und ausgewertet. Auch wenn keine Protokolle gefahren werden, entstehen die
Daten, die Rückschlüsse auf das Verhalten der Netz Beteil. zulassen. Mit
Zustimmung meiner Kolleginnen und Kollegen habe ich eine Protokolldateien
mitgebracht, aus der man ohne große Mühe das Arbeitsverhalten der Kollegen über
einen langen Zeitraum Sekunden genau rekonstruieren kann. Aber auch wenn die
Protokolle " abgeschaltet " sind, werden die den Protokollen
zugrundeliegende Daten erhoben. Einem versierten Informatiker macht es keine
Mühe, durch entsprechende Befehle diese Daten nach Belieben zu strukturieren.
Überall diese Themen wurde noch nicht gesprochen. Es ist unverständlich, wie
man ohne eine exakte Vorstellung über die Verwaltung solcher Daten überhaupt an
eine Vernetzung von Richterarbeitsplätzen denken kann.
Ich gehe davon aus, daß nun auch der Minister einsieht, daß
die Planung mit Windows-NT angehalten werden muß. Der Einsatz alternativer
Produkte sollte sehr gut überlegt werden. Die Vorstellung, als Alternative käme
nur wieder ein Microsoft-Produkt infrage, halte ich deutlich für zu wenig
zukunftsfähig. In jedem Fall aber muß mit den Richtern unter den völlig neuen
Bedingungen erneut gesprochen werden. Etwa unter WindowsXP ist die
Administrationsstruktur schon völlig anders als unter WinNT. Alle bisherigen
Absprachen sind damit gegenstandslos..
Die Richterräte sollte sich nicht unter Druck setzen lassen und ihre
Entscheidung wohl überlegen. Sie ist wichtig für die Rechtsprechung in Hessen.