DER HESSISCHE DATENSCHUTZBEAUFTRAGTE

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Postfach 31 63 65021 Wiesbaden

Aktenzeichen 56.71-ze/ge

Herrn

Eberhard Carl

Richter am OLG
Ihre Nachricht vorn e.mail

19.12.200 1

Datum

25.04.2002





Datenschutz in der Justiz




Sehr geehrter Herr Carl,



Ihre e-mail vorn 19.12.2001 ist mir in Folge eines Versehens leider erst heute vorgelegt worden. Ich möchte dazu kurz Stellung nehmen. Ausführliche Darlegungen finden Sie in meinem leicht überarbeiteten Papier zum Datenschutz in der Justiz. Ergänzende Darlegungen habe ich in einem weiteren Schreiben an den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes gemacht. Die entscheidenden Teile aus diesem Schreiben übermittle ich Ihnen ebenfalls als Anlage.



Zu Ihren einzelnen Fragen möchte ich kurz wie folgt Stellung nehmen:



1. Die Einschaltung der HZD als Landesanstalt zur Fernwartung findet in der Tat nicht meine Billigung. Ich sähe geringere Probleme, wenn diese privatisiert und aus der Aufsicht des Innenrninisteriums entlassen würde. Derzeit ist die HZD organisatorisch dem Innenministerium zugeordnet. Ich halte es für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, wenn eine Untergliederung des Innenministeriums als Administrator in der Justiz eingesetzt wird. Die von Ihnen geteilten Bedenken stütze ich also im Wesentlichen auf verfassungsrechtliche Einwände, nicht auf § 4 HDSG.

2. Die Sicherung des richterlichen Arbeitsplatzes durch technische Sicherheitsmaßnahmen ist das eigentliche Problem, das sich beim Datenschutz in der Justiz stellt. In den Verwaltungsbehörden geht es im Wesentlichen darum, personenbezogene Daten der Bürger gegen unzureichende Sicherung oder zu weit reichende Übermittlungen zu schützen. In der Justiz geht es zum Einen um die gleichen Schutzaufgaben, zum Anderen aber auch um die Absicherung der richterlichen Unabhängigkeit. Diese Doppelung der Probleme bringt zusätzliche Anforderungen an die technischen Sicherheitsmaßnahmen. Meine dazu vertretene Linie wird vor allem aus der Replik deutlich, die ich gegenüber dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes formuliert habe und Ihnen übermittle. Der entscheidende Punkt ist die willentliche Äußerung von Vorarbeiten der Richter. Ich bin der Auffassung, dass Vorgänge, die auch in die Papierakte gehören, keiner besonderen Sicherheitsmaßnahmen bedürfen, die dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit dienen. Alle Gegenstände, die in Papierakten enthalten sind, sind grundsätzlich dem Zugriff der Beteiligten geöffnet. In­sofern kann auch keine weitergehende Sicherung geschaffen werden, die entsprechende Speicherungen in der EDV dem allgemeinen Zugriff entzieht. Dass der Zugriff nur im Rahmen der gerichtlichen Zuständigkeit erfolgen kann, ist dabei für mich selbstverständlich.



3. Soweit beabsichtigt ist, sämtliche Dokumente abzuspeichern, muss genau unterschieden werden, ob es sich um Dokumente handelt, die zu den Gerichtsakten gehören, oder um solche, die vorbereitende Arbeiten betreffen. Für Letztere soll meines Wissens nach dem heutigen Stand der Beratungen ein gesondertes Fach eingerichtet werden, auf das nur der Richter selbst Zugriff hat. Ob er dieses Fach seinem geschäftsmäßigen Vertreter oder soweit die Zuständigkeit reicht dem Vorsitzenden des Spruchkörpers öffnet, dem er angehört, ist eine im Einzelnen zu erwägende Entscheidung. So kann es bspw. im Rahmen kollegialer Absprachen durchaus sinnvoll sein, vorbereitete Voten, die noch nicht abschließend fertig gestellt sind, im Falle einer Erkrankung dem Vertreter im Amt zur Verfügung zu stellen, um Doppelarbeit zu vermeiden. Die Entscheidung darüber soll aber dem Erstbearbeiter, der erkrankt oder sonst verhindert ist, überlassen bleiben. Grundsätzlich sollten Unterlagen, die im persönlichen Fach abgelegt werden sollen und dürfen, verschlüsselt werden. Nach meinem Dafürhalten könnten die persönlichen Fächer auf den Arbeitsplatzrechnern abgelegt werden, sofern durch Verschlüsselung ausreichende Sicherheit geschaffen wird. Ob diese gesondert gestartet werden können, ist eine technische Frage. Zugriffe von Administratoren auf persönliche Fächer sollten von Einzelgenehmigung durch den Inhaber abhängig gemacht werden. Weiterreichende Zugriffe sind nur nach dienstordnungsrechtlichen Entscheidungen zuzulassen.



Das von Ihnen vorgetragene Problem der Abteilungsablagen, besteht in dieser Form nicht mehr. Bei den Verzeichnissen, die vor allem für den Austausch zwischen Servicecinheit und Richtern gedacht sind, in denen daher zeitweise die Dokumente abgelegt werden, wird jetzt stärker differenziert zwischen den einzelnen Zuständigkeitsbereichen. Also z.B. für Dokumente des Einzelrichters, solche, die der gesamten Kammer zugänglich sein dürfen und auch nur für bestimmte Gruppen.



4. Soweit eine ausschließliche Speicherung auf den Servern der Gerichte vorgesehen ist und die Festplatten der einzelnen Arbeitsplätze in ihrer Speicherkapazität nicht in Anspruch genommen werden sollen, muss in der Tat die Datenübertragung vom Arbeitsplatz zum Server verschlüsselt stattfinden. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die Kommunikation unter den einzelnen Richtern und deren Hilfskräften. Wie weit in diesem Punkt die Vorstellungen des Hessischen Justizministers gediehen sind, entzieht sich meiner genauen Kenntnis. Der VGH wie auch ich stellen die Forderung der Verschlüsselung allerdings ohne Vorbehalt. In Anbetracht der starken Vereinfachung, die bei Verschlüsselungsverfahren in der letzten Zeit eingetreten sind, ist diese Forderung auch ohne großen technischen Aufwand realisierbar.


  1. Nach meiner Auffassung gehört es zu den Aufgaben des Präsidiums, nicht nur die Zuständigkeiten unter den Spruchkörpern, Ermittlungsrichtern und der Vertretung der Spruchkörper untereinander zu verteilen, sondern auch die entsprechenden Zugriffsrechte zuzuteilen. Innerhalb der einzelnen Spruchkörper erfolgt nach der Neuregelung des § 21 g GVG die Geschäftsverteilung nicht mehr durch den Vorsitzenden, sondern durch Beschluss aller dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichter. Mit der Zuständigkeitsregelung muss auch die Zugriffsbefugnis verbunden werden und zwar als Regelfolge oder durch Einzelentscheidung. Zwar kann i.S. einer abstrakten Vorentscheidung der Grundsatz, dass Zuständigkeit und Zugriffsrecht parallel laufen, als allgemeine geschäftsordnungsmäßige Aussage von der Gerichtsverwaltung bestimmt werden. Die Finzelzugriffe müssen indessen nach denselben Verfahren verteilt werden wie die Zuständigkeiten. Die Neuregelung der § 21e und 21g GVG wirkt daher nach meiner Einschätzung auch auf die EDV-Zugriffsrechte ein. In diesem Punkt besteht allerdings ein Dissens. So vertritt der Präsident des VGH die Auffassung, dass dies eine Zuständigkeit der Gerichtsverwaltung sei. Hier wird noch weitere Erörterung nötig.

  1. Der Dissens zwischen Justizministerium und Datenschutzbeauftragten betrifft nur wenige Punkte. In weiten Teilen ist inzwischen Einvernehmen erzielt worden. Derzeit befinden sich Mitarbeiter meiner Behörde in Einzelberatungen mit dem Justizministerium. Diese sollen im Frühsommer abgeschlossen werden. Sobald mir ein ratifikationsffihiges Ergebnis vorliegt, werde ich mich selbst erneut in die Beratungen einschalten. Das ist auch so mit dem Staatssekretär des Justizministeriums, Herrn Landau, abgesprochen.

    Mit freundlichen Grüßen bin ich


Ihr



Professor Dr. Friedrich von Zezschwitz